Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung des Einheitswerts eines auf fremden Grund und Boden errichteten Toilettenhäuschens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einheitsbewertung eines in den neuen Bundesländern auf fremdem Grund und Boden errichteten Toilettenhäuschens, bei dem es sich bewertungsrechtlich um ein Gebäude – Toilette und die Reinigungsanlage sind als Betriebsvorrichtungen gem. § 50 Abs. 1 S. 2 BewG DDR nicht in das Grundvermögen einzubeziehen – handelt, ist in Anlehnung an das Sachwertverfahren auf den Stichtag 1.1.1935 vorzunehmen.

2. Da es zum Bewertungsstichtag vergleichbare Gebäude noch nicht gab, ist der am freien Markt erzielbare Einzelveräußerungspreis zu schätzen. Die Schätzung hat sich dabei an der am ehesten vergleichbaren Gebäudekategorie der Badehäuser zu orientieren.

 

Normenkette

BewG 1991 § 129 Abs. 1, § 83; BewG DDR § 50; AO § 162 Abs. 1

 

Tenor

Der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1997 vom 3. April 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2002 wird dahingehend geändert, dass der Einheitswert auf 255 EUR (500 DM) festgestellt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zum Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs II R 68/05 werden bis zur mündlichen Verhandlung vom 18. März 2009 zu 5/6 der Klägerin und zu 1/6 dem Beklagten auferlegt; die danach entstandenen Kosten trägt die Klägerin allein.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum außergerichtlichen Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin errichtete aufgrund entsprechender Vereinbarungen und Genehmigungen im Jahr 1996 eine öffentliche Toilette („B-Toilette”) auf dem dem Land C. gehörenden Bürgersteig der …straße in C., die im Jahr 2001 wieder entfernt wurde. Die knapp 8 m² große, rund 3 t schwere und 20 m³ umbauten Raumes umfassende Toilette stand auf einem vorgefertigten wärmegedämmten Fundamentschacht aus Stahlbeton, durch den die Ver- und Entsorgungsleitungen geführt wurden. Ihr Rohbaukörper wurde durch einen stabilen Aluminiumtragrahmen gebildet, an dem die Außenfassadenelemente, das Dach und die federgelagerte Bodenplattform des Benutzerraums befestigt waren. Die Oberfläche insbesondere der Außenwände war alterungs- und witterungsbeständig. Die Toilette wurde durch eine sich grundsätzlich automatisch öffnende und schließende Tür betreten, durch eine lichtdurchlässige Fläche im Dach und zusätzlich künstlich beleuchtet und bei Bedarf beheizt. Sie war behindertengerecht ausgestattet und mit einer Vorrichtung zur automatischen Reinigung versehen. Die Benutzungsdauer war jeweils auf 20 Minuten und für Behinderte auf 40 Minuten beschränkt. Wegen der Einzelheiten der Produktbeschreibung und Funktionsweise wird auf die als Anlage 7 zur Klageschrift vom 1. Juli 2002 vorgelegte Produktdokumentation (Bl. 51 ff. der Streitakte zu 2 K 2228/02) Bezug genommen.

Der Beklagte erließ am 3. April 2001 einen Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1997, in dem er im Wege der Nachfeststellung den Einheitswert auf 600 DM, die Grundstücksart als Geschäftsgrundstück, die Zuordnung als Betriebsgrundstück des gewerblichen Betriebes der Klägerin feststellte und ihr das Grundstück auf fremdem Grund und Boden zurechnete.

Den fristgemäßen Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die B-Toilette sei kein Gebäude im Sinne des Bewertungsrechts, sondern eine Betriebsvorrichtung, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2002 als unbegründet zurück. Er führte aus, bei der Toilette habe es sich um ein Gebäude gehandelt, dessen Wert entsprechend dem Wert des Sozialteils von Tennis- und Reithallen mit guter Ausstattung nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 mit 30 DM/m³ umbauten Raumes anzusetzen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 46 ff. der Streitakte zu dem Verfahren 2 K 2228/02 Bezug genommen.

Die fristgemäß erhobene Klage hat das Finanzgericht Berlin mit Urteil vom 27. Oktober 2004 zu dem Aktenzeichen 2 K 2228/02 abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Toilette habe alle Voraussetzungen eines der Einheitsbewertung als Grundstück unterliegenden Gebäudes auf fremdem Grund und Boden erfüllt und sei daher nicht als Betriebsvorrichtung zu beurteilen. Auch der Höhe nach sei der vom Beklagten festgestellte Einheitswert nicht fehlerhaft. Geschäftsgrundstücke im Beitrittsgebiet seien mit dem gemeinen Wert zu bewerten, der durch Schätzung im Sachwertverfahren zu ermitteln sei. Diese Schätzung habe nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 zu erfolgen, müsse aber den tatsächlichen Zustand des Grundbesitzes (Bestand, bauliche Verhältnisse und Ähnliches) vom Fortschreibungszeitpunkt zu Grunde legen (§ 3 a der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz – RBewDV – vom 2. Februar 193...

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