Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergerichtliches Vorverfahren. Abhilfe bei einem Untätigkeitseinspruch. Verweigerung der Zustimmung zur Sprungklage. Hineinwachsen einer Untätigkeitsklage in die Zulässigkeit setzt bei Klageerhebung anhängiges Rechtsbehelfsverfahren voraus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Untätigkeitsklage ist unzulässig, wenn die Behörde vor Klageerhebung dem bis dahin anhängigen Untätigkeitseinspruch durch Erlass eines Verwaltungsakts abgeholfen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verwaltungsakt den von dem Einspruchsführer begehrten Inhalt hat.

2. Der Umstand, dass § 45 Abs. 3 FGO für den Fall der verweigerten Zustimmung zur Sprungklage die Behandlung der Klage als (bisher fehlender) außergerichtlicher Rechtsbehelf vorsieht, führt nicht dazu, dass der Steuerpflichtige nunmehr zwei verschiedene Rechtsbehelfe anhängig gemacht hat, nämlich sowohl einen Einspruch als auch eine Klage.

3. Eine Untätigkeitsklage kann nur dann in die Zulässigkeit hineinwachsen, wenn bereits bei Klageerhebung ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist.

 

Normenkette

FGO § 44 Abs. 1, § 45 Abs. 3, § 46

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.07.2016; Aktenzeichen VII B 107/15)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Erstattung iHv 386.520,80 EUR wegen fehlerhafter zolltariflicher Einreihung von PDA's (Personal Digital Assistants) mit integrierter, aufklappbarer GPS-Antenne. Sie hat die B. GmbH durch Verschmelzung iSv § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz – UmwG – aufgenommen, die ihrerseits zuvor die C. GmbH, vormals firmierend unter D. GmbH, ebenfalls durch Verschmelzung aufgenommen hatte.

Die D. GmbH führte in der Zeit vom 13.06.2005 bis zum 23.01.2007 im Rahmen eines ihr bewilligten vereinfachten Anmeldeverfahrens PDA´s aus China bzw. Hongkong in die Europäische Union ein. Dabei handelte es sich um Taschencomputer mit den Bezeichnungen „E.”, „F.” und „G.”. Die D. GmbH reihte die Taschencomputer in die Codenummern 8526 9190 90 0 bzw. 8526 9180 90 0 ein. Der Drittlandszoll betrug jeweils 3,7%.

Am 14.06.2008 beantragte die zwischenzeitlich in C. GmbH umfirmierte Einführerin für die mit den Codenummern 8526 9190 90 0 bzw. 8526 9180 90 0 eingeführten PDA´s die Erstattung der bei der Einfuhr erhobenen und entrichteten Zölle iHv 386.520,80 EUR nach Art. 236 der VO (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) – ZK –. Sie begründete den Antrag damit, dass die PDA´s zur Unterposition 8471 3000 gehörten und somit dem Zollsatz „frei” unterliegen würden.

Ihr zunächst erteiltes Einverständnis zum Ruhen des Verfahrens widerrief die C. GmbH unter dem 20.06.2012 und bat um zeitnahe Entscheidung über den Erstattungsantrag. Am 08.01.2013 legte sie Untätigkeitseinspruch ein.

Mit Bescheid vom 06.09.2013 lehnte der Beklagte den Erstattungsantrag ab.

Die C. GmbH hat daraufhin am 12.09.2013 Klage erhoben.

Die Klage sei ihrer Auffassung nach ohne weiteres Vorverfahren zulässig, da sich der nach dem Untätigkeitseinspruch erlassene Ablehnungsbescheid als Einspruchsentscheidung darstelle. Die Bezeichnung als „Bescheid über die Ablehnung” sei fehlerhaft und unbeachtlich. Da eine Einspruchsentscheidung gem. § 348 Nr. 1 AO nicht erneut mit Einspruch angegriffen werden könne, sei der Weg zum Finanzgericht eröffnet.

Jedenfalls sei die Klage zwischenzeitlich als Untätigkeitsklage nach § 46 FGO zulässig geworden, weil der Beklagte im Falle einer Verweigerung seiner Zustimmung zur Sprungklage eine Einspruchsentscheidung zu erlassen gehabt hätte, was er jedoch nicht getan habe.

In der Sache sei der Erstattungsantrag rechtswidrig abgelehnt worden.

Die Klägerin beantragt,

zur Tatsache, dass die PDA ohne Einschubkarte, ohne Navigationssoftware und ohne Kartenmaterial eingeführt wurden, den früheren Geschäftsführer der D. GmbH H., zu laden über I. UG, J.-Straße, K., und Frau L., zu laden über die gleiche Adresse, als Zeugen zu vernehmen,

für die Tatsache, dass die PDA ohne die Einschubkarte und ohne die Navigationssoftware nicht imstande war, GPS-Signale zu empfangen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, z. B. durch den Präsidenten der M. e.V., Herrn N., zu laden über M., O.-Straße, K., oder durch den Vorstand des P. e.V., Herrn O., zu laden über R., S.-Straße, K., oder eine durch diese Herren zu bestimmende Person,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 06.09.2013 zu verpflichten, zugunsten der Klägerin eine Zollerstattung iHv 386.520,80 EUR festzusetzen,

hilfsweise, die Klage als Sprungklage zuzulassen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig.

Es fehle an der Durchführung eines erforderlichen Vorverfahrens. Die Ablehnungsentscheidung habe zur Erledigung des Untätigkeitseinspruchs geführt. Sie könne nicht in eine Einspruchsentscheidung umgedeutet werden.

Einer Sprungklage werde nicht zugestimmt. Vom Erlass einer Einspruchsentscheidung habe man bisher abgesehen, weil die Klage nur hi...

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