Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensverzicht als negative, dem allgemeinen Einkommensteuertarif unterliegende Kapitaleinkünfte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ist in zeitlicher Hinsicht auf nach dem 31.12.2008 erworbene Kapitalforderungen beschränkt.

2. Wird ein Kontokorrentdarlehen zwischenzeitlich vollständig getilgt, ist nicht mehr die ursprüngliche Einräumung des Kreditrahmens für den Erwerb der Kapitalforderung maßgeblich, sondern die erneute Auszahlung von Darlehensmitteln.

3. Eine Person ist als einem zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter nahe stehende Person im Sinne von § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG anzusehen, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis des Gesellschafters oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse der entsprechenden Person besteht. Dies bejahte der Senat im Streitfall, da die Darlehensgläubigerin die Ehefrau des Alleingesellschafters der Kapitalgesellschaft und Eigentümerin des an die Gesellschaft verpachteten Hotelgrundstücks war und den wesentlichen Teil der Einkünfte der Eheleute erzielte.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4, § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b

 

Tenor

Abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom 03.11.2020 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19.07.2021 wird die Einkommensteuer 2018 unter Berücksichtigung von der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen der Klägerin in Höhe von -111.865,00 EUR geändert festgesetzt.

Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung –FGO– dem Beklagten übertragen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Klägerin mit der Hotel C… Limited zum 31.12.2018 vereinbarter Verzicht auf ein Darlehen in Höhe des Verzichts (111.865,00 EUR) zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen führt, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war zunächst Director der C… Limited mit Sitz in D…, Großbritannien (Companies House of Cardiff Nr. …). Diese war im Handelsregister des Amtsgerichts E… (HRB …) mit einer Zweigniederlassung eingetragen. Seit dem vollständigen Anteilserwerb am 25.03.2011 vom vormaligen Gesellschafter war der Kläger auch alleiniger Gesellschafter der C… Limited. Die C… Limited hatte von der Klägerin, der Eigentümerin des Grundstücks und des Hotels, das auf dem Grundstück F…-straße in G… befindliche Hotel mit Vertrag vom 01.08.2006 gepachtet. Darüber hinaus hatte sie von der Klägerin einen PKW gemietet. Diese Miete führte bei der Klägerin zu sonstigen Einkünften. Die C… Limited wurde im Jahr 2019 aufgelöst und die Zweigniederlassung aufgehoben.

Am 01.01.2008 gewährte die Klägerin der C… Limited ein Kontokorrent-Darlehen bis maximal 150.000,00 EUR. Dieses Darlehen war jährlich mit 6 % verzinst. Die Entwicklung des Darlehenskontos ergibt sich aus den Jahreskontoauszügen 2008 bis 2018, auf die verwiesen wird.

Mit Auflösungsvereinbarung vom 31.12.2018 verzichtete die Klägerin zum 31.12.2018 „vollständig und unwiderruflich auf die Rückzahlung des offenen Darlehensbetrages”. Der Verzicht sollte zum 31.12.2018 wirksam werden. Am 31.12.2018 valutierte das Darlehen nach der Auflösungsvereinbarung mit 111.865,11 EUR.

Am 26.11.2019 reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung 2018 beim Beklagten ein. Darin erklärten beide Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn Kläger 16.896,00 EUR und Klägerin 60.370,00 EUR) und Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb (3.770,00 EUR laufender Gewinn und 74.933,00 EUR Veräußerungsgewinn), aus Vermietung und Verpachtung (35.821,00 EUR Objekt G…), sonstige Einkünfte (Vermietung PKW -190,00 EUR) und aus Kapitalvermögen, letztere mit -111.865,00 EUR und als der tariflichen Einkommensteuer unterliegend. Die Kläger erklärten die Entstehung der negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen damit, dass die Klägerin auf die Rückzahlung des am 31.12.2018 bestehenden Darlehensbetrages gegenüber der C… Limited verzichtet habe. Der Verzicht sei aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Die C… Limited habe schon im Jahr 2017 einen Verlust in Höhe von 54.000,00 EUR erzielt. Dieser habe bereits das gesamte Eigenkapital der C… Limited überstiegen. Ohne Verzicht auf das Darlehen hätte der Jahresverlust der C… Limited für 2018 59.000,00 EUR betragen.

Abweichend von der Erklärung erkannte der Beklagte den Verlust aus Kapitalvermögen nicht an und setzte die Einkommensteuer 2018 ohne diesen mit Bescheid vom 03.11.2020 fest.

Gegen diesen Besche...

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