Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG. Anzeigepflichten. Absehen von der Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG bei fristgerechter Anzeige des Anteilserwerbs bei den für die Steuerfestsetzung zuständigen Stellen anstelle des für die gesonderte Feststellung nach § 17 GrEStG zuständigen FA

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über ihren Wortlaut hinaus nicht nur den Rückerwerb des Eigentums an einem veräußerten Grundstück, sondern auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG.

2. § 16 Abs. 5 GrEStG soll der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG dienen und dem Anreiz entgegenwirken, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen.

3. Die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Nichtanzeige eines Erwerbsvorgangs i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG auf der Unkenntnis eines Beteiligten über die Anzeigepflicht beruht.

4. § 16 Abs. 5 GrEStG ist aus teleologischen Gründen und zur Einhaltung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes nicht anzuwenden, wenn der Anteilserwerb innerhalb der Anzeigefrist statt bei dem für die gesonderte Feststellung gemäß § 17 GrEStG zuständigen FA bei den Grunderwerbsteuerstellen der Belegenheitsfinanzämter als den letztlich für die Steuerfestsetzungen zuständigen Grunderwerbsteuerstellen angezeigt worden ist, und durch diese Anzeigen sichergestellt war, dass der erfolgte Anteilserwerb der erforderlichen grunderwerbsteuerlichen Bearbeitung zugeführt werden konnte.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 17 Abs. 3 Nr. 2, § 16 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, §§ 18-19; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.05.2019; Aktenzeichen II R 24/16)

 

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 15.03.2013, in der geänderten Fassung vom 07.06.2013 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.02.2014 wird aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag vom 08.07.2011 (UR-Nr.668/…, Notar B.) hatte der Kläger 71 % der Anteile an der C. GmbH mit Sitz in D. erworben, an der er zu diesem Zeitpunkt bereits 29 % der Gesellschaftsanteile hielt. Eine Abschrift des beurkundeten Vertrages übersandte der Notar mit Schreiben vom 18.07.2011 dem Finanzamt E. – Grunderwerbsteuerstelle – und zeigte an, dass von dem zur „C. GmbH, F.-straße, D. Project G. Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 08.07.2011 Ur.-Nr. 666/…” folgender im Bereich dieses Finanzamts belegener Grundbesitz betroffen sei: Amtsgericht H., Grundbuch von I., Bl. 2579 (Flur 5, Flurstück 436, J.-straße 17, 455 m²) und Bl. 844 (Flur 5, Flurstück 433, J.-straße B 2, 291 m², und Flurstück 435, J.-straße 16, 805 m²). Eine entsprechende Anzeige erfolgte gegenüber dem Finanzamt K. für im Grundbuch des Amtsgerichts K. eingetragene weitere Grundstücke.

Das Finanzamt E. wandte sich mit Schreiben vom 21.09.2011 an den Beklagten und bat um die gesonderte Feststellung gem. § 17 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) für den in der Mitteilung vom 18.07.2011 bezeichneten Grundbesitz in I. und erklärte, Erwerber der Gesellschaftsanteile der C. GmbH sei die Firma „L. GmbH künftig G. in M.”. Am 21.11.2011 veranlasste der Beklagte die Durchführung einer Außenprüfung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 17 GrEStG unter anderen bei der C. GmbH.

Die Außenprüfung wurde mit Bericht des Prüfers des Finanzamts N. vom 19.12.2012 mit der Feststellung abgeschlossen, dass der Kläger mit Vertrag vom 08.07.2011 100 % der Anteile der C. GmbH erworben und die Firma in „O. GmbH” umbenannt habe; durch den Erwerb der Anteile an der GmbH sei der Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Beklagte sei für die Erstellung des Feststellungsbescheides nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zuständig. Mit Anlage 6 zum Prüfungsbericht wurden Aufstellungen zu Werten der betroffenen Grundstücke für die in der Gemarkung I. belegenen Grundstücke unter der Überschrift „Für die Grunderwerbsteuer zuständiges Finanzamt: E.” und zu den im Grundbuch des Amtsgerichts K. erfassten Grundstücke unter der Überschrift

„Für die Grunderwerbsteuer zuständiges Finanzamt: K.” für die Weiterleitung an diese Ämter mitgeteilt.

Ausweislich des vom Beklagten am 11.03.2013 durchgeführten Handelsregisterabrufs war ihm seither bekannt, dass der Sitz der C. GmbH – nun O. GmbH – aufgrund der erfolgten Sitzverlegung nach K. seit dem 04.02.2013 im Register des Amtsgerichts K. eingetragen war.

Mit dem Bescheid vom 15.03.2013 – später berichtigt hinsichtlich der Ur.-Nr. von 666/… auf 668/… durch Bescheid vom 07.06.2013 – set...

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