Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein „Zufluss” einer vertraglich vereinbarten, jedoch nicht ausgezahlten Tantieme an beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden die zwischen der GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer vertraglich vereinbarten Tantiemen nicht ausgezahlt und erfolgte auch keine Passivierung einer sich auf die Tantiemen beziehenden Verbindlichkeit bei der GmbH, sodass sich die Tantiemen weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt haben, so liegt weder nach den allgemeinen Grundsätzen noch aufgrund der vom BFH entwickelten Zuflussfiktion einer Tantieme beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses ein Zufluss von Einkünften beim Gesellschafter-Geschäftsführer vor (gegen BMF, Schreiben v. 12.5.2014, IV C 2 – S 2743/12/10001, BStBl 2014 I S. 860; gegen FG Münster, Urteil v. 4.9.2019, 4 K 1538/16 E,G, EFG 2020 S. 82).

2. Für die Beurteilung, ob ein Zufluss fingiert werden kann, kommt es auf die tatsächliche Handhabung an. Die Grenze wird durch § 42 AO bestimmt.

 

Normenkette

AO § 42 Abs. 2 S. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 4, § 38a Abs. 1 S. 3

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide für 2015 bis 2017 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … werden dahingehend geändert, dass die von der Außenprüfung ermittelten Tantiemenansprüche in 2015 in Höhe von … Euro, in 2016 in Höhe von … Euro und in 2017 in Höhe von … Euro nicht als Einkünfte berücksichtigt werden.

2. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger vertraglich vereinbarte, jedoch nicht ausgezahlte Tantiemen als zugeflossen anzusehen sind.

Der … Kläger ist […] der in 20… gegründeten GmbH. Mit Wirkung ab… ist der Kläger zudem als Geschäftsführer der GmbH tätig. § 3 des Geschäftsführervertrages bestimmt, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von … Euro erhält. Weiter ist der Anspruch auf Tantiemenzahlung wie folgt geregelt:

„Darüber hinaus erhält der Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresgewinns der Gesellschaft, welche einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung gezahlt wird… Die Höhe der Tantieme ist auf max. 30 % der Festvergütung begrenzt…”

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Geschäftsführervertrag vom … Bezug genommen […].

Tantiemen wurden dem Kläger in den Streitjahren nicht ausgezahlt. Eine Passivierung durch die GmbH erfolgte ebenfalls nicht. Dies ist zwischen den Beteiligte auch nicht mehr streitig.

In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 2015 bis 2017 erklärte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von jeweils … Euro. Der Beklagte folgte den Erklärungen zunächst und setzte mit Bescheid vom… Einkommensteuer für 2015 in Höhe von … Euro, mit Bescheid vom … Einkommensteuer für 2016 in Höhe von … Euro und mit Bescheid vom … Einkommensteuer für 2017 in Höhe von … Euro fest.

Im März 201X fand bei der GmbH eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Dabei gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger in 2015 steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe von … Euro, in 2016 in Höhe von … Euro und in 2017 in Höhe von … Euro erhalten habe, der von der GmbH nicht versteuert worden sei […]. Hierbei handele es sich zum einen um einen geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung eines firmeneigenen Pkw (in Höhe von … Euro in 2016 und in Höhe von … Euro in 2017).

Zum anderen seien Tantiemenansprüche wie folgt zu berücksichtigten:

Gewinn der GmbH

Tantieme

(jeweils des Vorjahres)

(20 v.H. des Gewinns)

2015

… Euro

… Euro

2016

… Euro

… Euro

2017

… Euro

… Euro

Hierbei vertrat der Prüfer die Auffassung, dass bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Tantieme zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen gelte. Es sei dabei nicht entscheidend, ob eine Auszahlung tatsächlich erfolgt sei, da es der Gesellschafts-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantieme auszahlen zu lassen.

Der Beklagte schloss sich dem an und änderte mit Bescheiden vom … die Einkommensteuerfestsetzungen für 2015 bis 2017 und setzte unter Berücksichtigung von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von … Euro (in 2015), … Euro (in 2016) und … Euro (in 2...

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