Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des § 50d Abs. 8 EStG bei Steuerhinterziehung im Ausland und rechtwidriger Besteuerung in einem anderen Staat. unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund eines Wohnsitzes im Inland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Besuchszwecken oder zur Abholung der Post reicht für die Begründung eines Wohnsitzes i. S. d. § 8 AO nicht aus.

2. Liegt der Arbeitsort eines im Inland ansässigen Steuerpflichtigen nicht im schweizerischen Hoheitsgebiet, kommt die Grenzgängerregelung des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in der Schweiz hat.

3. Einkuünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbstständiger Arbeit unterliegen trotzt einer Freistellung durch das DBA-Frankreich gem. § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG der inländischen Besteuerung, wenn die Einkünfte im ausländischen Staat nicht erklärt und folglich nicht besteuert wurden. Dies gilt auch dann, wenn der Steueranspruch im ausländischen Staat verjährt ist und zu Unrecht in einem dritten Staat besteuert wurde.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 50d Abs. 8 S. 1, § 34c Abs. 3, 6 S. 6; AO §§ 8, 173 Abs. 1 Nr. 1; DBA CHE Art. 15a Abs. 1; DBA FRA Art. 13 Abs. 1 S. 1, Art. 20 Abs. 1 Hs. 1 Buchst. a Hs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.10.2018; Aktenzeichen I R 67/16)

BFH (Urteil vom 10.10.2018; Aktenzeichen I R 67/16)

 

Tenor

1. Die Klage wegen Einkommensteuer 2005 und 2006 wird abgewiesen.

2. Die Einkommensteueränderungsbescheide für 2007 und 2009 vom 20. November 2013 werden dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für 2007 3.125,10 CHF (= 1.890,69 EUR) und für 2009 4.786,25 CHF (= 3.158,92 EUR) wie Werbungskosten berücksichtigt werden; im Übrigen wird die Klage für 2007 und 2009 abgewiesen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 86 %, der Beklagte zu 14 % zu tragen.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Kostenrechnung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

6. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am xx.xx. 1950 geborene Kläger, der ausschließlich die Schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt, wird für die Veranlagungszeiträume 2005-2007 und 2009 (Streitjahre) allein zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war mit der Schweizer Staatsbürgerin S B (im Folgenden: S. B. verheiratet gewesen. Die Ehe wurde am xx.xx. 2011 geschieden. Die (ehemaligen) Eheleute haben zwei Kinder. Die Eheleute trennten sich (auf Wunsch des Klägers) zum 1. März 2003. Seither leben die Eheleute getrennt. Der Kläger hat zum vorgenannten Zeitpunkt des Auszugs aus dem ehelichen Logis in X, Kanton Y, … strasse x an seine damalige Ehefrau die Schlüssel zum ehelichen Logis abgegeben (Hinweis auf die Trennungsvereinbarung vom 22. März 2003, Bl. 20 ff. Beweismittelordner –BMO– I).

In einem Telefonat am 1. Februar 2012 mit dem Steuerfahnder, von der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt A –Steufa– (Bl. 501 der Ermittlungsakten –EA–) erklärte S. B., dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Hiervon unabhängig legte sie jedoch dar, dass sie schon seit Jahren von dem Kläger getrennt lebe. S. B. erklärte des Weiteren, dass sie mit dem Kläger abgeschlossen habe und diesem nicht mehr begegnen wolle.

Die Söhne des Klägers wohnten in den Streitjahren bei ihrer Mutter in X/CH, … strasse x (s. I. der Vereinbarung über die Scheidungsfragen vom 1. März 2011, Bl. 29 ff. BMO I).

Im Übrigen wird auf die Aussagen der Nachbarinnen von S. B., N T, … strasse x in X –im Folgenden: N T (Bl. 499, 555-572 ff. EA) und die telefonische Auskunft der Frau R, … strasse x in X (Bl. 497 EA) verwiesen.

N T erklärte bei ihrer Zeugenvernehmung durch die Steufa am 17. Februar 2012 (Bl. 555 ff. EA) u.a. auf die Frage des Steuerfahnders, ob sie beobachtet habe, wie der Kläger ausgezogen sei (Bl. 561 EA):

Nein, das habe ich nicht beobachtet. Er ist heimlich ausgezogen. S. B. hat es uns aber erzählt. Kl ist schon vor ca. 9 bis 11 Jahren ausgezogen. Er ist aber nach seinem Auszug einmal pro Woche immer Donnerstag für eine oder eineinhalb Stunden noch zu Besuch gekommen und hat dann die Post dort abgeholt. Herr Kl hatte dort bei seiner Familie noch seine Postadresse. S. B. hat dann immer zu ihm gesagt, er solle jetzt mal die Postadresse ändern. Dass Herr Kl die Post dort noch erhalten hat, das hat mir S. B. nach seinem Auszug erzählt. Ich meine die Kls haben sich letztes Jahr...

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