Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berücksichtigung der von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bzw. Einzel-Krankentaggeldversicherung an einen im Inland ansässigen Grenzgänger ausbezahlten Krankentaggelder im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Unterliegt ein im Inland ansässiger Grenzgänger in der Schweiz mit seinen nichtselbständigen Einkünften der Besteuerung im Inland, so gehören die infolge einer krankheitsbedingten Berufsunfähigkeit über die Arbeitgeberin an den Grenzgänger als Versicherten von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung ausbezahlten Krankentaggelder nicht zum Arbeitslohn i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und sind nach § 3 Nr. 1 Buchst. a bzw. § 3 Nr. 2 Buchst. e EStG steuerfrei; auch dadurch, dass die Arbeitgeberin in die Auszahlung der Versicherungsleistungen eingeschaltet ist und sie an den Arbeitnehmer weiterleitet, werden diese nicht zu Arbeitslohn.

2. Die nach dem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung bzw. schweizerischen Einzel-Krankentaggeldversicherung über den Arbeitgeber an den versicherten Arbeitnehmer ausbezahlten Krankentaggelder unterliegen weder nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG noch gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. k EStG dem Progressionsvorbehalt (gegen OFD Karlsruhe, Verfügung v. 30.9.2009, S 2255/250-St 133).

 

Normenkette

EStG 2016 § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, k, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. e, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; DBA CHE Art. 15a, 21

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 2. November 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2018 wird dahingehend geändert, dass die Krankentaggelder in Höhe von 24.311 EUR nicht dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.

2. Die Neuberechnung der Einkommensteuer 2016 wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500 EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, die von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung ausbezahlten Krankentaggelder im Einkommensteuerbescheid für 2016 im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32 b Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Kraftfahrer bei der X AG in Y/Schweiz. Mit den aus dieser Tätigkeit bezogenen Einkünften unterlag er als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1972, 1022, Bundessteuerblatt – BStBl – I 1972, 518) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl ll 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) – DBA-Schweiz – der Besteuerung im Inland.

Der Arbeitsvertrag des Klägers mit seiner Arbeitgeberin vom 1. Dezember 2011 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

„[…] Der Mitarbeiter bestätigt mittels seiner Unterschrift, vom Personalreglement der […] Gruppe […] Kenntnis genommen zu haben und akzeptiert deren Bedingungen.”

Das Personalreglement der […] Gruppe enthält u.a. folgende Regelungen:

„[…]

Art. 32

Bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Schwangerschaft, […] zahlt das Unternehmen während einer wie folgt definierten Zeitdauer den Lohn aus:

Dienstjahre:

Lohnfortzahlung

-

vom 1. bis 4. Dienstjahr

2 Monate zu 100 %

-

vom 5. bis 9. Dienstjahr

3 Monate zu 100 %

[…]

Eine obligatorische Kollektivversicherung garantiert 80% des Lohnes während 720 Tagen im Fall von langer Krankheit. […] Die Prämie wird zu 50% vom Arbeitnehmer, und zu 50% vom Arbeitgeber bezahlt.”

In Erfüllung ihrer Verpflichtung aus der mit dem Kläger getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung und aus Art. 324a des schweizerischen Obligationenrechts (OR) hatte die Arbeitgeberin des Klägers mit der K Krankenversicherung AG (im Folgenden: K) eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach dem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen.

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) für die hi...

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