Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezug von Krankentagegeld von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach dem VVG durch einen Grenzgänger. kein Arbeitslohn und kein Progressionsvorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis, welches den Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes absichert, auf eigene – nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende – Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht werden, liegt regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird.

2. Dadurch, dass der Arbeitgeber in die Auszahlung der Versicherungsleistungen eingeschaltet ist und sie an den Arbeitnehmer weiterleitet, werden diese auch dann nicht zu Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber – wie in der Schweiz bei Leistungen aus kollektiven Krankentaggeldversicherungen nicht unüblich – die Versicherungsleistungen vorweg dem Arbeitnehmer ausbezahlt und die erhaltenen Krankentaggelder der kollektiven Krankentaggeldversicherung später mit den bereits ausbezahlten Beträgen verrechnet.

3. Das von dem Arbeitnehmer – einem Grenzgänger – aus einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach dem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) bezogene Krankentagegeld stellt keine den Leistungen einer inländischen öffentlichen Kasse vergleichbare Leistung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG dar und unterliegt daher nicht dem Progressionsvorbehalt.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, k, § 3 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. e; DBA CHE Art. 15a Abs. 1, Art. 21

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 7. September 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2018 wird dahingehend geändert, dass die Krankentaggelder in Höhe von 39.608 EUR nicht dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden.

2. Die Neuberechnung der Einkommensteuer 2016 wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500 EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, die von einer schweizerischen Kollektiv-Krankentaggeldversicherung ausbezahlten Krankentaggelder im Einkommensteuerbescheid für 2016 im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32 b Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Techniker bei A AG in X/Schweiz. Mit den aus der Tätigkeit als Techniker bezogenen Einkünften unterlag er als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1972, 1022; Bundessteuerblatt – BStBl – I 1972, 518) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl ll 1993, 1888; BStBl I 1993, 928) – DBA-Schweiz – der Besteuerung im Inland.

Der Arbeitsvertrag des Klägers mit seiner Arbeitgeberin vom 4. Mai 2015 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

„[…] Die Mitarbeitenden sind obligatorisch in der Kollektiv-Krankentaggeld-Versicherung versichert. Die Prämie wird anteilmässig von der Arbeitgeberin und den Mitarbeitenden getragen.

[…] Soweit dieser Vertrag nichts anderes regelt, gelten die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages und des Personalreglementes, in der jeweils gültigen Fassung […]”

In Erfüllung ihrer Verpflichtung aus Art. 324a des schweizerischen Obligationenrechts (OR) und der mit dem Kläger getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung hatte die Arbeitgeberin des Klägers mit der K Versicherungen AG (im Folgenden: K) eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach dem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen.

Art. 324a OR bestimmt u. a. folgendes:

„Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, […] ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, […], sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist...

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