Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein fiktiver Arbeitsort in der Schweiz bei nichtselbstständiger Arbeit eines in Deutschland ansässigen Binnenschiffers für Schweizerischen Arbeitgeber, wenn Arbeit tatsächlich in Deutschland ausgeübt wird

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer an Bord eines schweizerischen Binnenschiffes erzielt, das sich auf einer Fahrtroute außerhalb der Scheiz bewegt, unterliegen nicht der Freistellung von der deutschen Besteuerung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz, sondern der deutschen Besteuerung. Die Schweizerische Quellensteuer ist auf die deutsche Einkommensteuer nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz anzurechnen.

2. Aus dem DBA-Schweiz lässt sich keine abkommensrechtliche Fiktion entnehmen, dass eine Tätigkeit an Bord eines Binnenschiffes ungeachtet des sich räumlich verändernden tatsächlichen Standorts des Schiffs stets als allein in der Schweiz als Unternehmensstaat ausgeübt wird.

3. Für die Beurteilung der Rechtslage ist unerheblich, dass die Besteuerungspraxis der baden-württembergischen Finanzverwaltung der geänderten Abkommenslage bei den Binnenschiffern zunächst rechtsirrig keine Rechnung getragen hat.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2, Art. 24 Abs. 1 Nrn. 1-2; EStG § 34c Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.01.2012; Aktenzeichen I R 36/11)

BFH (Urteil vom 10.01.2012; Aktenzeichen I R 36/11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518 – DBA-Schweiz –) für Arbeitnehmer an Bord von Binnenschiffen schweizerischer Unternehmen eine Fiktion enthält, wonach ihre Arbeit – ungeachtet des tatsächlichen Aufenthaltsorts des Schiffes – stets als im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz „in der Schweiz ausgeübt” gilt.

Der Kläger wurde für die Streitjahre (2005 und 2006) mit seiner während des Klageverfahrens verstorbenen Ehefrau – deren Erbe und Gesamtrechtsnachfolger er ist – zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Seinerzeit hatten beide Ehegatten ihren Wohnsitz in der in Deutschland gelegenen Gemeinde X. Der Kläger war als Erster Schiffsführer auf dem Motorschiff „MS Y” nichtselbständig beschäftigt. Bei diesem Schiff handelte es sich um ein sog. Trockengüterschiff von 105 Metern Länge und 11,40 Metern Breite, dessen Größe unter anderem auch ein Befahren auf dem Rhein (flussaufwärts bis zur Höhe von Rheinfelden, bis wohin der Rhein schiffbar ist) und auf dessen Nebenflüssen ermöglichte. Die „MS Y” stand im Eigentum der Reederei Z AG – einer Kapitalgesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz der Geschäftsleitung in O (Schweiz) – und führte die schweizerische Flagge. Die Z AG hatte seinerzeit mit dem Containerterminal in Stuttgart einen Kontrakt abgeschlossen, auf dessen Grundlage das Schiff im Containerverkehr zwischen dem Binnenhafen Stuttgart und den Seehäfen an der belgischen und niederländischen Nordseeküste eingesetzt wurde. Die Geschäfte der Z AG wurden von einem Büro in O aus durch deren Geschäftsführerin, eine deutsche Staatsangehörige namens L, die bereits seit dem Jahre 1997 in der Schweiz ansässig war, betrieben. Weitere Schiffe neben der „MS Y” bereederte die Z AG nicht.

In den Streitjahren befuhr der Kläger an Bord der „MS Y” ausschließlich den Neckar zwischen Stuttgart und Mannheim und ab Mannheim den Rhein flussabwärts bis zu den Häfen Antwerpen (Belgien) und Rotterdam (Niederlande) und wieder zurück. Neben dem Kläger waren auf der „MS Y” noch neun weitere Arbeitnehmer der Z AG schichtweise eingesetzt, wobei immer vier Seeleute zur gleichen Zeit – nämlich immer zwei Schiffsführer und zwei Steuerleute – ihren Dienst auf dem Schiff versahen. Als Erster Schiffsführer war der Kläger unter anderem auch für administrative Tätigkeiten wie die Erarbeitung von Dienst- und Schichtplänen und für die Aufrechterhaltung der technischen Einsatzfähigkeit des Schiffes und die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften für den Schiffsbetrieb verantwortlich. Im Jahre 2005 befand sich der Kläger an 243 Tagen und im Jahre 2006 an 236 Tagen an Bord des Schiffes.

Für seine Tätigkeit als Schiffsführer bezog der Kläger von der Z AG einen Bruttolohn von 95.400 Schweizer Franken (CHF) für 2005 und von 95.900 CHF für 2006. Hiervon behielt die Z AG einen Quellensteuerabzug nach schweizerischem Recht von 9.358,54 CHF (für 2005) und von 12.096,70 CHF (für 2006) ein, den sie an die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) abführte.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben der Kläger und seine Ehefrau an, es handele sich bei der von der Z AG bezogenen Vergütung um Arbeitslo...

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