BMF: Ermittlung Nichtrückkehrtage Grenzgänger Schweiz

Das Besteuerungsrecht für Schweizer Grenzgänger steht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zu. Kehrt ein Arbeitnehmer berufsbedingt nicht an seinen Wohnsitz zurück, entfällt das Besteuerungsrecht. Deutschland und die Schweiz haben jetzt vereinbart, dass Tage im Homeoffice nicht als sogenannte Nichtrückkehrtage zählen. Nachfolgend erfahren Sie auch die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit diesem Thema in den letzten Jahren.

Grenzgänger sind Steuerpflichtige, die regelmäßig zwischen ihrem Wohnsitz in einem Vertragsstaat und dem Arbeitsort im anderen Vertragsstaat hin und zurück pendeln. Das Besteuerungsrecht für Grenzgänger steht nach den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) dem Wohnsitzstaat zu. Es entfällt jedoch bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnsitz ab einer bestimmten Anzahl von Tagen. Im Verhältnis Deutschland - Schweiz enthält das DBA eine Höchstgrenze von 60 Nichtrückkehrtagen

Zur einheitlichen Anwendung und Auslegung der Vorschrift (Artikel 15a Absatz 2 des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27. Oktober 2010, BGBl 2011 II Seite 1092) haben die beiden Länder mehrere sog. Konsultations­vereinbarungen abgeschlossen.

Grenzgänger: Nichtrückkehr aus beruflichen Gründen

Eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung liegt namentlich dann vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist: 

  • Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist eine Rückkehr des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nach Arbeitsende an den Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die kürzeste Straßenentfernung für die einfache Wegstrecke über 100 Kilometer beträgt.
  • Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist eine Rückkehr nach Arbeitsende an den Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die schnellste Verbindung zu den allgemein üblichen Pendelzeiten für die einfache Wegstrecke länger als 1,5 Stunden beträgt. 

Nichtrückkehrtag nur bei tatsächlicher Nichtrückkehr

Von einem Nichtrückkehrtag ist bei vorliegender Unzumutbarkeit der Rückkehr nur auszugehen, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin glaubhaft macht, dass er oder sie tatsächlich nicht an ihren Wohnsitz zurückgekehrt ist. 

Quelle: Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 25. Oktober 2018, Aktenzeichen IV B 2 - S 1301 - CHE/07/10015 - 09.

Sonderregelung zum Homeoffice

Kürzlich haben die beiden Staaten vor dem Hintergrund, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit zunehmend auch an ihrem Wohnsitz ausüben möchten, eine weitere Vereinbarung geschlossen. Danach gelten Arbeitstage, an denen eine Grenzgängerin oder ein Grenzgänger ganztägig am Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat arbeitet, nicht als Arbeitstage, an welchen die Person nach Arbeitsende aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Diese Arbeitstage gelten somit nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens.

Quelle: Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 26. Juli 2022, Aktenzeichen IV B 2 - S 1301 - CHE/21/10019 :016.

Achtung: Pandemiebedingte Konsultationsvereinbarungen ausgelaufen

Während der Corona-Pandemie galten weitergehende Vereinbarungen mit der Schweiz. Danach wurden Pendelbewegungen während der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise unterstellt (BMF, Schreiben v. 12. Juni 2020, IV B 2 – S 1301 – CHE/07/10015 – 01, BStBl 2020 I S. 568). Die Vereinbarung war mehrfach ausgeweitet und verlängert worden. Inzwischen ist sie jedoch mit Ablauf des 30. Juni 2022 außer Kraft getreten (BMF, Schreiben v. 13. April 2022, IV B 2 – S 1301-CHE/21/10018 :009, BStBl 2022 I S. 614).

Rechtsprechung zu Nichtrückkehrtagen

In einem neueren Urteilsfall ging es ebenfalls um die Nichtrückkehrtage. Der Betroffene hatte seinen Wohnsitz in Deutschland und war bei einem Arbeitgeber in der Schweiz als Vizedirektor beschäftigt. Vor dem Finanzgericht machte er geltend, dass im Streitjahr weder als Grenzgänger noch als leitender Angestellter der Besteuerung in Deutschland unterliege.

Das Finanzgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer ein Grenzgänger und mit seinen schweizerischen Einkünften in Deutschland zu besteuern war. Nach Auffassung des Gerichts hatte er die Grenze von 60 Tagen nicht überschritten. Entscheidend dabei war, dass das Gericht zu den Nichtrückkehrtagen keine Tage zählte, an denen der Betroffene von Geschäftsreisen aus einem Drittstaat tatsächlich an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt war. Ausgeklammert hat das Finanzgericht zudem Wochenendtage, an denen er im Zusammenhang mit einer Geschäftsreise tatsächlich nicht an seinen Inlandswohnsitz zurückgekehrt war (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. April 2017, Aktenzeichen 3 K 3729/16).

Die dagegen gerichtete Revision hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen und die Entscheidung des Finanzgerichts damit bestätigt. Tage, an denen der Beschäftigte von einer Geschäftsreise aus dem Drittland tatsächlich an seinen Wohnsitz zurückkehrt, gehören nicht zu den Nichtrückkehrtagen. Entsprechendes gilt für Geschäftsreisen an Wochenend- und Feiertagen, sofern die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt (BFH Urteil vom 30.09.2020 – I R 37/17).

Konsultationsvereinbarungen für Gerichte unbeachtlich

Die von den Urteilen abweichenden Bestimmungen im den Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz wurden bereits vom Finanzgericht als unwirksam und daher unbeachtlich eingestuft. Nach dem Urteil des BMF verstoßen sie gegen den Grundsatz des gesetzlichen Vorrangs (BFH Urteil vom 30.09.2020 – I R 37/17). Letztlich gelten die – oft begünstigenden - Regelungen aus den Konsultationsvereinbarungen also immer nur so lange bis es vor Gericht geht. Die Ergreifung des Rechtswegs in diesen Fällen sollte also wohlüberlegt sein.


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Schlagworte zum Thema:  DBA Schweiz, Grenzgänger, Doppelbesteuerung