Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen bei Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1986–1989

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Strafverfahren hat nur dann Einfluss auf die für die Hinterziehungszinsen geltende Festsetzungsfrist, wenn es bis zum Ablauf des Jahres eingeleitet wird, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wurden (Anschluss an BFH-Urteil vom 24.8.2001 VI R 42/94, BFH/NV 2001, 1629). Eine entsprechende Anwendung von § 171 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 auf erst nach diesem Zeitpunkt eingeleitete Strafverfahren würde den den Verjährungsvorschriften zugrunde liegenden Gedanken der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens zuwider laufen und kommt daher nicht in Betracht.

 

Normenkette

AO 1977 § 171 Abs. 5 S. 2, § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 1, § 235 Abs. 1, § 47

 

Tenor

I. Der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 13. November 1996 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 1997 werden aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

III. Der Streitwert wird auf 3.981 DM = 2.035,45 EUR festgesetzt.

IV. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob hinsichtlich der Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1986 bis 1989 Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder ob der Ablauf der Festsetzungsfrist entsprechend § 171 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) gehemmt wurde.

Der im Jahr 1955 geborene Kläger betreibt auf einem 2.800 m² großen Grundstück in M. das Sanatorium, das er durch notariellen Übergabevertrag vom 12. August 1986 rückwirkend zum 01. Juli 1986 von seinem im Jahr 1923 geborenen und im Frühjahr 1987 verstorbenen Vater übernommen hat.

Im Rahmen einer am 17. Juni 1991 begonnenen Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1989 stellte der Prüfer u. a. fest, dass die Kassenbuchführung nicht ordnungsgemäß war und der Kläger Einnahmen aus wöchentlich für seine Patienten organisierten Busreisen und aus Getränkeverkäufen nicht vollständig erklärt und außerdem den Verkauf eines im Betriebsvermögen geführten BMW und die Entnahme eines VW steuerlich nicht berücksichtigt hatte. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 08. Oktober 1991 Bezug genommen, insbesondere auf Tz. 28. In einem Aktenvermerk vom selben Tag (sog. roter Bogen) vertrat der Prüfer die Auffassung, der Kläger habe hinsichtlich dieser Vorgänge eine Steuerhinterziehung begangen.

Das Finanzamt änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide 1986 bis 1989 durch Bescheide vom 09. und 11. Dezember 1991 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Diese Bescheide wurden nicht angefochten und sind bestandskräftig.

Ein Jahr und zwei Monate später teilte die Straf- und Bußgeldsachenstelle dem Kläger mit Verfügung vom 09. Februar 1993 mit, dass gegen ihn wegen der o.a. Vorgänge ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sei. Das Amtsgericht O. verurteilte den Kläger durch rechtskräftiges Urteil vom 07. August 1996 wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 DM – insgesamt also 6.000 DM. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das genannte Urteil und auf den zuvor ergangenen Strafbefehl vom 18. September 1995 Bezug genommen.

Drei Monate nach Ergehen dieses Urteils setzte das beklagte Finanzamt durch Bescheid vom 13. November 1996 gegen den Kläger die folgenden Hinterziehungszinsen fest:

Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1986

756 DM

Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1987

1.887 DM

Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1988

1.200 DM

Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1989

138 DM

Summe der Hinterziehungszinsen

3.981 DM

Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 16. Dezember 1996 mit der Begründung Einspruch ein, hinsichtlich der Hinterziehungszinsen sei gemäß § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO Festsetzungsverjährung eingetreten. Die hinterzogenen Steuern seien am 13. Januar 1992 bzw. 14. Januar 1992 rechtskräftig geworden. Die Festsetzungsfrist habe am 01. Januar 1993 zu laufen begonnen. Das am 08. Februar 1993 eingeleitete Strafverfahren sei für den Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr von Bedeutung. Nach dem Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 04. Dezember 1992 – 6 V 669/92 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1993, 282) komme es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Strafverfahrens nicht mehr an, wenn die Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen bereits zu laufen begonnen habe, bevor das Strafverfahren eingeleitet worden sei.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit der Begründung zurück, richtig sei zwar, dass die Festsetzungsfrist für die Hinterziehungszinsen am 01. Januar 1993 zu laufen begonnen habe und das Steuerstrafverfa...

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