Leitsatz

1. Das Finanzamt ist nach § 37 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – in Übereinstimmung mit dessen Zweck der Verstetigung des Steueraufkommens – berechtigt, Vorauszahlungen über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus festzusetzen.

2. Gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung bestehen auch für Zeiträume nach dem 31.12.2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss an die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2022 – VII R 21/21, BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304 und vom 15.11.2022 – VII R 55/20, BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621).

 

Normenkette

§ 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, § 218 Abs. 2, § 240 Abs. 1 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Das FA hatte gegenüber den Klägern vierteljährlich zu leistende Vorauszahlungen "ab 2018" i.H.v. 1.665 EUR ESt und 91 EUR SolZ je Quartal festgesetzt. Dieser Vorauszahlungsbescheid wurde im Dezember 2018 (nur) hinsichtlich des 1. bis 4. Quartals 2018 teilweise von der Vollziehung ausgesetzt; es verblieben nicht ausgesetzte Beträge von 1.391 EUR je Quartal. Die Kläger zahlten die nicht ausgesetzten Beträge jeweils fristgerecht. Eine weitere Zahlung i.H.v. 1.391 EUR leisteten die Kläger am 6.2.2019.

Das FA ging davon aus, dass die für das Jahr 2019 geschuldeten Beträge nicht von der Vollziehung ausgesetzt worden seien, sodass sich ein noch offener Differenzbetrag bei der ESt i.H.v. 274 EUR (1.665 EUR ./. 1.391 EUR) sowie i.H.v. 91 EUR beim SolZ ergab. Diese Beträge wurden mit Mahnung angefordert, der Gesamtbetrag von 365 EUR am 15.5.2019 von den Klägern beglichen. Hieraus ergaben sich Säumniszuschläge zur ESt i.H.v. 7,50 EUR und zum SolZ i.H.v. 1,50 EUR, die in eine auf den 5.6.2019 datierende Rückstandsaufstellung zur Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 4.6.2019 Eingang fanden.

Die Kläger beanstandeten die Pfändungs- und Einziehungsverfügung und das FA erließ daraufhin einen Abrechnungsbescheid über die Säumniszuschläge. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.4.2021, 12 K 1420/20 AO, Haufe-Index 14501878, EFG 2021, 1962).

 

Entscheidung

Dem BFH zufolge war der angefochtene Vorauszahlungsbescheid des FA so auszulegen, dass damit eine Vorauszahlung auch für das 1. Quartal 2019 festgesetzt worden war. Die Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Vorauszahlungen auf die ESt müssen die Steuerpflichtigen, die es betrifft, jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember entrichten (§ 37 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das FA setzt die Vorauszahlungen durch Vorauszahlungsbescheid fest und legt dabei regelmäßig die ESt zugrunde, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) bei der letzten Veranlagung ergeben hat.

a) Die Festsetzung von Vorauszahlungen dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens und soll eine (annähernde) Gleichstellung der Bezieher von Gewinneinkünften mit denjenigen Steuerpflichtigen bewirken, die ihre Steuer durch Steuerabzug (LSt, KapESt) vorauszahlen.

b) Das geltende Vorauszahlungssystem ist nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber.

Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG grundsätzlich vermieden. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewählte Typisierung ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung des berechtigten öffentlichen Interesses an einer Verstetigung der Steuereinnahmen gerechtfertigt (vgl. BFH, Urteil vom 22.11.2011, VIII R 11/09, BFH/NV 2012, 333, BStBl II 2012, 329, Rz. 18 f.).

c) Aus dem Wortlaut des § 37 EStG ergibt sich nicht, dass die festzusetzenden Vorauszahlungen nur ein einziges Kalenderjahr betreffen dürfen. Gesetzliche Vorgabe ist allein, dass sich die Höhe der Festsetzung an der voraussichtlich anfallenden ESt orientieren muss. Ungeachtet dessen ist es sachlich gerechtfertigt, wenn die Finanzverwaltung – in Übereinstimmung mit dem Normzweck der Verstetigung des Steueraufkommens – eine Vorauszahlungsfestsetzung über den laufenden VZ hinaus vornehmen kann; denn dies dient der Verwaltungsvereinfachung. Andernfalls müssten jährlich inhaltsgleiche Bescheide ergehen, solange keine neue Veranlagung durchgeführt wurde.

2. Gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken (wie BFH, Beschluss vom 13.9.2023, X B 52/23 (AdV), BFH/NV 2023, 1474).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.8.2023 – X R 30/21

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