Rz. 10

Im Hinblick auf arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln entschied das BAG im September 2018, dass diese gänzlich unwirksam sind, wenn sie alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn erfassen. Denn es liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor und die Klausel scheitert dann an der AGB-Prüfung; sie ist gänzlich unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.[1] Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 1.1.2015, d. h. nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes, geschlossen wurde. Die Unwirksamkeit der Klausel insgesamt ergibt sich nicht aus § 3 MiLoG, sondern vielmehr aus der AGB-Kontrolle. Das BAG ist der Auffassung, dass die Klausel dann nicht mehr klar und verständlich ist und daher insgesamt unwirksam.

Diese Auslegung entspricht der Linie des BAG zur AGB-Kontrolle von arbeitsvertraglichen Klauseln. Insofern würde die Ausschlussfrist bei fehlender expliziter Herausnahme des Mindestlohns den Eindruck erwecken, auch der Mindestlohn müsste innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht werden. So könnte der Arbeitnehmer nach Ablauf der Frist davon abgehalten werden, seinen Anspruch auf Mindestlohn gerichtlich zu verfolgen.[2] Hinsichtlich Ausschlussklauseln in sog. "Altverträgen", d. h. die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurden, lässt sich jedoch weiterhin vertreten, dass die Ausschlussklauseln, die denklogisch den Mindestlohnanspruch mangels dessen Existenz noch nicht explizit ausgeschlossen haben, nur im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn unwirksam sind, im Übrigen aber wirksam bleiben und damit den Mindestlohn übersteigenden Betrag verfallen lassen (Teilunwirksamkeit), sofern nicht eine rechtzeitige Geltendmachung durch den Arbeitnehmer erfolgte. Dies ist zwar nicht unumstritten, jedoch hat sich das BAG für diese Stichtagslösung entschieden.[3] Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen, kann nämlich – allein – die Änderung der Gesetzeslage durch das Mindestlohngesetz nicht nachträglich zur (Gesamt-)Unwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz führen, wenn sich ihr Anwendungsbereich entgegen § 3 Satz 1 MiLoG ab dem 1.1.2015 auch auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erstreckt.[4]

 
Hinweis

Bei Anpassung von Altverträgen auf Ausschlussklauseln achten

Vorsicht ist geboten, wenn solche Altverträge nach dem 31.12.2014 teilweise geändert bzw. angepasst wurden/werden und der Passus "alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag bleiben unberührt" in der Änderungsvereinbarung enthalten ist. Denn dann ist nach Auffassung des BAG davon auszugehen, dass auch die Ausschlussfrist (die den Mindestlohnanspruch noch nicht ausschließt) Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung war und fälschlicherweise nicht angepasst wurde.[5] Dies wiederum führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel. Es ist daher zu empfehlen, bei jeglichen Änderungen von Altverträgen darauf zu achten, die Passage zu Ausschlussfristen ebenfalls gleich neu zu regeln (inklusive der Änderung von Schriftform in Textform der Geltendmachung).

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 18.9.2018, 9 AZR 162/18 – Pressemitteilung.
[2] Vgl. Lakies, MiLoG – Basiskommentar zum MiLoG, 5. Aufl. 2021, § 3, Rz. 47.
[4] Vgl. BAG, a. a. O.

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