Bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung wurde problematisiert, ob auch gesetzliche Ansprüche von einer Ausschlussfristklausel erfasst werden.[1] Bislang wurde dies als unproblematisch angesehen, solange ein Bezug zum Arbeitsvertrag bestand. Mit Urteil vom 18.9.2018 hatte der 9. Senat des BAG zum Mindestlohn entschieden, dass eine vom Arbeitgeber gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasst, gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB verstößt.[2]

Zitat

Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Ausschlussfristen betreffen den zeitlichen Bestand und die Art und Weise der Geltendmachung eines Rechts. § 3 Satz 1 MiLoG entzieht Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien. Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen, kann – allein – die Änderung der Gesetzeslage durch das Mindestlohngesetz nicht nachträglich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BGB zur (Gesamt-)Unwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz führen, wenn sich ihr Anwendungsbereich entgegen § 3 Satz 1 MiLoG ab dem 1.1.2015 auch auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erstreckt. Die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns hat für den Zeitraum ab dem 1.1.2015 die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge; für den Zeitraum bis zum 31.12.2014 steht § 3 Satz 1 MiLoG der Wirksamkeit der Ausschlussfrist nicht entgegen, denn die Norm setzt das Bestehen eines Mindestlohnanspruchs voraus.

Die Unwirksamkeit gilt nur für Arbeitsverträge, die nach dem 31.12.2014 geschlossen wurden, da das MiLoG erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten ist. Das Gericht begründet seine Ansicht damit, dass die Gefahr bestehe, dass der Beschäftigte nach Verstreichen der gesetzten Ausschlussfrist den gesetzlichen Mindestlohnanspruch in der Annahme, er sei verfallen, nicht mehr durchsetzt, obwohl sein Verfall nach § 3 Satz 1 MiLoG ausgeschlossen ist. Die Folge wäre eine Unwirksamkeit der Ausschlussfrist insgesamt. Demnach müssen zukünftig arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln zwingend die Ansprüche auf den Mindestlohn und auch auf Schadensersatz für vorsätzliches Handeln von der Geltung ausnehmen. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr der Unwirksamkeit der Klausel insgesamt und könnte daher auch keine Wirkung mehr für die übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr haben.

Zwischenzeitlich hat sich der 9. Senat auch hinsichtlich einer fehlenden Einschränkung von Ansprüchen aus vorsätzlicher Schädigung für eine Unwirksamkeit der Klausel insgesamt ausgesprochen, weil dies gegen § 202 BGB verstoße. Die Vorschrift des § 202 BGB gibt es jedoch schon wesentlich länger als das MiLoG, sodass zu befürchten steht, dass auch frühere Ansprüche darunter fallen könnten.[3]

Diese radikale Rechtsfolge wird jedoch auch infrage gestellt.[4] Es greifen dann nur noch die gesetzlichen Verjährungsregeln für die zeitliche Eingrenzung der Geltendmachung.

Der 5. und der 6. Senat haben jedoch zum Teil zwischenzeitlich die Unwirksamkeit dahingehend beschränkt, dass die Unanwendbarkeit nur die entsprechenden gesetzlichen Ansprüche betrifft.[5]

Der 8. Senat hat wiederum eine Einbeziehung dieser Ansprüche in die Ausschlussklausel angenommen und sie daher für insgesamt nichtig erklärt.[6]

Zitat

Die Ausschlussfrist erfasst zwar ihrem Wortlaut nach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch denjenigen auf den gesetzlichen Mindestlohn. Sie beinhaltet damit eine nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksame Beschränkung der Geltendmachung des Anspruchs auf Mindestlohn. Dies führt jedoch lediglich "insoweit" zur Unwirksamkeit der tariflichen Verfallklausel, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Hinsichtlich den Mindestlohn übersteigender Entgeltansprüche bleibt die Verfallklausel wirksam.

Mit Urteil vom 7.7.2020 hat sich der 9. Senat[7] dieser Ansicht auch für tarifliche Ausschlussklauseln angeschlossen, auch und soweit diese nur aufgrund einer Bezugnahmeklausel in das Arbeitsverhältnis aufgenommen wurden. Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 17 vom 30.8.2019 zum TVöD (Bund und VKA) sind seit dem 1.1.2020 in § 37 Abs. 2 TVöD nun auch Ansprüche ausgenommen, die kraft Gesetzes einer Ausschlussfrist entzogen sind.

 
Praxis-Tipp

Um nicht in die Gefahr der Unwirksamkeit von Ausschlussfristen zu geraten, sollte eine rein arbeitsvertragliche Klausel nur dann verwendet werden, wenn sie die Anwendung auf unabdingbare gesetzliche Ansprüche, wie etwa den Mindestlohn, ausschließt.[8]

Es ist weiterhin auch fraglich, ob die sehr weite Auslegung des 9. Senats für alle unabdingbaren Ansprüche standhält, wenn die Unabdingbarkeit nur für die Anspruchsentstehung, nicht aber für deren Durchsetzung gilt. Entsprechend hat der 6. Senat des BAG in ...

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