Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollunion. Ansprüche auf Erstattung oder Zahlung von Geldbeträgen, die von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben oder versagt wurden. Antidumpingzölle, Einfuhrzölle, Ausfuhrerstattungen und finanzielle Sanktionen. Begriff ‚unter Verstoß gegen das Unionsrecht’. Unzutreffende Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts. Feststellung eines Verstoßes gegen Unionsrecht durch ein Unionsgericht oder ein nationales Gericht. Zinsanspruch. Verzinsungszeitraum

 

Normenkette

EWGV 2913/92; EUV 952/2013

 

Beteiligte

Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost

Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost Produktions GmbH (C-415/20), F. Reyher Nchfg. GmbH & Co. KG vertr. d. d. Komplementärin Verwaltungsgesellschaft F. Reyher Nchfg. mbH (C-419/20), Flexi Montagetechnik GmbH & Co. KG (C427/20)

Hauptzollamt Hamburg (C-415/20 und C-419/20), Hauptzollamt Kiel (C-427/20)

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Beschluss vom 01.09.2020; Aktenzeichen 4 K 67/18; IStR 2020,, 977)

FG Hamburg (Beschluss vom 01.09.2020; Aktenzeichen 4 K 14/20; ZfZ 2021,, 47)

FG Hamburg (Beschluss vom 20.08.2020; Aktenzeichen 4 K 56/18; ZfZ 2021,, 60)

 

Tenor

Die unionsrechtlichen Grundsätze über den Anspruch Verwaltungsunterworfener auf Erstattung von Geldbeträgen, zu deren Zahlung sie von einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht herangezogen wurden, sowie auf Verzinsung dieser Beträge sind dahin auszulegen,

  • dass diese Grundsätze erstens anwendbar sind, wenn die fraglichen Geldbeträge zum einen Ausfuhrerstattungen, die einem Verwaltungsunterworfenen zunächst unter Verstoß gegen das Unionsrecht versagt und dann verspätet gezahlt wurden, und zum anderen einer finanziellen Sanktion entsprechen, die gegen ihn aufgrund dieses Verstoßes verhängt wurde,
  • dass diese Grundsätze zweitens anwendbar sind, wenn sich aus einer Entscheidung des Gerichtshofs oder eines nationalen Gerichts ergibt, dass auf der Grundlage einer unzutreffenden Auslegung oder einer fehlerhaften Anwendung des Unionsrechts die Zahlung von Ausfuhrerstattungen, einer finanziellen Sanktion, von Antidumpingzöllen oder von Einfuhrabgaben von einer nationalen Behörde versagt bzw. von ihr eingefordert worden ist, und
  • dass diese Grundsätze drittens einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der, wenn die Zahlung von Ausfuhrerstattungen, einer finanziellen Sanktion, von Antidumpingzöllen oder von Einfuhrabgaben unter Verstoß gegen das Unionsrecht versagt bzw. eingefordert worden ist, die Zahlung von Zinsen unter Ausschluss des davor liegenden Zeitraums nur für denjenigen Zeitraum zu erfolgen hat, der zwischen dem Tag der Einlegung des gerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem die Zahlung bzw. die Erstattung des fraglichen Geldbetrags begehrt wird, und dem Tag liegt, an dem das zuständige Gericht seine Entscheidung erlässt. Indes verbieten diese Grundsätze für sich genommen nicht, dass eine solche Regelung vorsieht, dass die Zahlung nur geschuldet wird, wenn ein solcher Rechtsbehelf eingelegt worden ist, sofern dies nicht dazu führt, dass die Ausübung der unionsrechtlichen Rechte der Verwaltungsunterworfenen übermäßig erschwert wird.
 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidungen vom 20. August 2020 und vom 1. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 7., 8. und 10. September 2020, in den Verfahren

Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost Produktions GmbH (C-415/20),

F. Reyher Nchfg. GmbH & Co. KG vertr. d. d. Komplementärin Verwaltungsgesellschaft F. Reyher Nchfg. mbH (C-419/20)

gegen

Hauptzollamt Hamburg (C-415/20 und C-419/20)

und

Flexi Montagetechnik GmbH & Co. KG

gegen

Hauptzollamt Kiel (C-427/20)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter J. Passer (Berichterstatter), F. Biltgen und N. Wahl sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost Produktions GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Niestedt und Rechtsanwältin K. Göcke,
  • der F. Reyher Nchfg. GmbH & Co. KG vertr. d. d. Komplementärin Verwaltungsgesellschaft F. Reyher Nchfg. mbH, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Pohl und J. Sparr,
  • der Flexi Montagetechnik GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt H. Bleier,
  • der niederländischen Regierung, zunächst vertreten durch M. K. Bulterman, M. L. Noort und J. M. Hoogveld, dann durch M. K. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und M. Salyková,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Januar 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Grundsätze des Unionsrechts über die Erstattung von von Mitgliedstaaten unter Verst...

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