Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Pro-Rata-Satz, Berücksichtigung von Umsätzen ausländischer Zweigniederlassungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 17 Abs. 2 und 5 sowie Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.

2. Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und c sowie Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 sind dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat ansässig ist, für die Bestimmung des für sie geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nicht den Umsatz berücksichtigen kann, den ihre in Drittstaaten ansässigen Zweigniederlassungen erzielt haben.

3. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs für jeden Tätigkeitsbereich einer steuerpflichtigen Gesellschaft eine Regelung vorzusehen, nach der die Gesellschaft den Umsatz berücksichtigen darf, den eine in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat ansässige Zweigniederlassung erzielt hat.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2, 5, Art. 19 Abs. 1, Art. 17 Abs. 3 Buchst. a, c

 

Beteiligte

Crédit Lyonnais

Le Crédit Lyonnais

Ministre du budget, des comptes publics et de la réforme de l État

 

Verfahrensgang

Conseil d'Etat (Frankreich) (Urteil vom 11.07.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 298/13)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie 77/388/EWG ‐ Art. 17 und 19 ‐ Vorsteuerabzug ‐ Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen sowohl für besteuerte Umsätze als auch für von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze - Pro-rata-Abzug ‐ Berechnung des Pro-rata-Satzes ‐ Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten ‐ Nichtberücksichtigung ihres Umsatzes“

In der Rechtssache C-388/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 11. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2011, in dem Verfahren

Le Crédit Lyonnais

gegen

Ministre du Budget, des Comptes publics et de la Réforme de l’État

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Le Crédit Lyonnais, vertreten durch C. Aldebert, E. Ashworth und C. Reinbold, avocats,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,

‐ der zyprischen Regierung, vertreten durch E. Symeonidou als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth und A. Robinson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Februar 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 2, 3, und 5 sowie von Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Le Crédit Lyonnais (im Folgenden: LCL), einem Kreditinstitut mit Sitz in Frankreich, und dem französischen Staat wegen der Berechnung des für LCL für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1990 geltenden Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

…“

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gle...

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