Entscheidungsstichwort (Thema)

EWR-Abkommen, Steuerbefreiung, Zinserträge, Sparkonto bei Bank in anderem Mitgliedstaat

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 56 AEUV und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine nationale Steuerbefreiungsregelung vorsehen, soweit diese ‐ obwohl sie unterschiedslos für Einkünfte aus Spareinlagen bei Bankdienstleistern mit Sitz in Belgien oder in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums gilt ‐ für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Dienstleistungserbringer den Zugang zum belgischen Bankenmarkt Bedingungen unterwirft, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Normenkette

AEUV Art. 56; EWR-Abkommen Art. 36

 

Beteiligte

Van der Weegen u.a

Maria Eugenia Van der Weegen, Miguel Juan Van der Weegen, Anna Pot

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Rechtbank West-Vlaanderen (Belgien) (Beschluss vom 28.10.2015; Abl.EU 2016, Nr. C 38/29)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Art. 56 AEUV ‐ Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ‐ Steuerrecht ‐ Einkommensteuer ‐ Steuerbefreiung für von Banken gezahlte Zinsen, die nur gewährt wird, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind ‐ Mittelbare Diskriminierung ‐ Banken mit Sitz in Belgien und Banken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat“

In der Rechtssache C-580/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank van eerste aanleg West-Vlaanderen, afdeling Brugge (Gericht erster Instanz Westflandern, Abteilung Brügge, Belgien) mit Entscheidung vom 28. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2015, in dem Verfahren

Maria Eugenia Van der Weegen,

Miguel Juan Van der Weegen,

Anna Pot

‐ als Rechtsnachfolger des verstorbenen Johannes Van der Weegen ‐,

Anna Pot

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Borg Barthet und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Frau Van der Weegen, Herrn Van der Weegen und Frau Pot, vertreten durch C. Hendrickx und M. Vandendijk, advocaten,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von S. D. D’Aiola, Sachverständiger,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels als Bevollmächtigten,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 und 63 AEUV sowie der Art. 36 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Maria Eugenia Van der Weegen, Miguel Juan Van der Weegen und Anna Pot ‐ als Rechtsnachfolger von Johannes Van der Weegen ‐ sowie Anna Pot einerseits und dem belgischen Staat andererseits wegen der Versagung einer Steuerbefreiung für die Vergütung einer Spareinlage in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien.

Belgisches Recht

Rz. 3

Art. 21 des Wetboek van de inkomstenbelastingen (Einkommensteuergesetzbuch) 1992 (im Folgenden: WIB 1992) in seiner für das Steuerjahr 2010 (Einkommen des Jahres 2009) geltenden Fassung sah vor:

„Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern umfassen nicht:

5. den ersten Teilbetrag von 1 730 [Euro] (Grundbetrag 1 250 [Euro]) pro Jahr der Einkünfte aus Spareinlagen, die in Belgien ansässige Kreditinstitute, die unter das Gesetz vom 22. März 1993 über den Status und die Kontrolle der Kreditinstitute fallen, ohne vertraglich festgelegte Laufzeit oder Abhebungs- beziehungsweise Entnahmevorankündigungsfrist entgegennehmen, wobei:

‐ diese Einlagen außerdem die vom König auf Stellungnahme der Kommission für das Bank-, Finanz- und Versicherungswesen … festgelegten Kriterien in Bezug auf die Währung, auf die sie lauten, in Bezug auf Bedingungen und Modalitäten der Abhebungen und Entnahmen und in Bezug auf Struktur, Niveau und Modalitäten der Berechnung ihrer Vergütung erfüllen müssen,

…“

Rz. 4

Mit Urteil vom 6. Juni 2013, Kommission/Belgien (C-383/10, EU:C:2013:364), hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Vorschrift gegen Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens verstößt.

Rz. 5

Durch Art. 170 der Wet van 25 april 2014 houdende diverse bepalingen (Gesetz vom 25. April 2014 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen) (Belgisches Staatsblatt vom 7. Mai 2014, S. 36946, deutsche Übersetzung der maßgeblichen Bestimmungen: Belgisches Staatsblatt vom 27. Apri...

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