Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Scheinumsatz, Steuerstrafverfahren, Steuerliche Zuverlässigkeit des leistenden Unternehmers, Unangemessenes steuerliches Verhalten, Nachweis des Vorsteuerabzugsrechts, Vorsteuernachweisbeleg außer der Rechnung, Steuerverfahrensrecht

 

Normenkette

EWGRL 112/2006

 

Beteiligte

C.F. (Contrôle fiscal)

SC C.F. SRL

A.J.F.P.M

D.G.R.F.P.C

 

Verfahrensgang

Tribunalul Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 15.05.2019; ABl. EU 2019, Nr. C 288/31)

 

Tenor

1. Der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ist dahin auszulegen, dass er die Nichtigerklärung einer Verwaltungsentscheidung verlangt, mit der einem Steuerpflichtigen zusätzliche steuerliche Verpflichtungen vorgeschrieben wurden, wenn dieser im Rahmen eines innerstaatlichen Verwaltungsverfahrens zur Prüfung und Bestimmung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage nicht die Möglichkeit hatte, Zugang zu den Informationen in der ihn betreffenden Verwaltungsakte zu erhalten, die beim Erlass dieser Verwaltungsentscheidung berücksichtigt wurden, sofern das angerufene Gericht feststellt, dass das Verfahren ohne diese Unregelmäßigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

2. Die für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch die Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze, im Besonderen jene der steuerlichen Neutralität und der Rechtssicherheit, sind dahin auszulegen, dass sie bei Bestehen von nicht untermauerten bloßen Zweifeln der nationalen Steuerverwaltung an der tatsächlichen Durchführung der der Ausstellung einer Steuerrechnung zugrunde liegenden Umsätze einer Verweigerung des Vorsteuerabzugs gegenüber dem steuerpflichtigen Empfänger dieser Rechnung entgegenstehen, wenn er neben dieser Rechnung keine anderen Nachweise für das tatsächliche Vorliegen der getätigten Umsätze vorlegen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Cluj (Landgericht Cluj/Klausenburg, Rumänien) mit Entscheidung vom 15. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2019, in dem Verfahren

SC C.F. SRL

gegen

A.J.F.P.M.,

D.G.R.F.P.C

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der SC C.F. SRL, vertreten durch T. D. Vidrean-Căpuşan und D. F. Paşcu, avocaţi,
  • der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch E. Gane, A. Rotăreanu und C.-R. Canţăr als Bevollmächtigte, dann durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte und der für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch die Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC C.F. SRL (im Folgenden: CF) auf der einen und der Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice M. (Bezirksamt für öffentliche Finanzen M., Rumänien, im Folgenden: Bezirksfinanzamt) sowie der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice C. (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen C., Rumänien, im Folgenden: Regionalfinanzdirektion) auf der anderen Seite betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Finanzverwaltungsakte, mit denen CF zusätzliche steuerliche Verpflichtungen im Bereich der Mehrwertsteuer und der Körperschaftsteuer vorgeschrieben wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sieht vor:

„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ausgestellte Rechnung besitzen”.

Rumänisches Recht

Rz. 4

Art. 11 Abs. 1 der Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 8. September 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 688 vom 10. September 2015, im Folgenden: Steuergesetzbuch) bestimmt, dass die Steuerbehörden bei der Festsetzung des Betrags einer Abgabe, einer Steuer oder eines Pflichtbeitrags zur Sozialversicherung eine Transaktion, die keinen wirtschaftlichen Zweck hat, unberücksichtigt lassen und...

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