Leitsatz

1. Eine nach dem Recht des Staats Delaware gegründete US-Kapitalgesellschaft mit statutarischem Sitz in den USA, die ihre tatsächliche Geschäftsleitung in die Bundesrepublik verlegt, kann Organträgerin einer inländischen Kapitalgesellschaft sein. Die dem entgegenstehende Regelung des § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 und 4 DBA?USA 1989 vereinbar (Änderung der Rechtsprechung).

2. Das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 zugunsten der inländischen Tochtergesellschaft einer US-Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA und Geschäftsleitung im Inland ist unabhängig davon, ob die US-Kapitalgesellschaft nach Art. 4 Abs. 3 DBA-USA 1989 als in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig gilt.

 

Normenkette

§ 1 KStG , § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG , § 18 KStG , Art. 4 Abs. 1 und 3 DBA-USA , Art. 24 Abs. 1, 4 und 6 DBA-USA

 

Sachverhalt

Bei der Klägerin handelte es sich im Streitjahr 1990 um eine inländische GmbH, an der zu 99,5 % eine andere inländische GmbH, die A-GmbH, und zu 0,5 % die B-Inc. beteiligt waren. Die B-Inc. ist eine AG US-amerikanischen Rechts, die nach den Gesetzen des US-Bundesstaats Delaware gegründet wurde und die dort auch ihren (statutarischen) Sitz hat. Ihre Geschäftsleitung befand sich in Deutschland am Ort ihrer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung. Seit April 1989 hielt die B-Inc. 99,95 % der Geschäftsanteile der A-GmbH.

Die Klägerin schloss als Organgesellschaft mit der B-Inc. als Organträgerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag über eine Laufzeit von (zunächst) fünf Jahren, beginnend mit dem 1.1.1990. Der Vertrag wurde in das Handelsregister eingetragen.

Das FA erkannte das Organschaftsverhältnis nicht an. Es stützte sich auf den BFH-Beschluss vom 13.11.1991, I B 72/91 (BStBl II 1992, 263), durch den die Beschwerde der Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf AdV des VZ-Bescheids über KSt 1991 zurückgewiesen worden war, und zwar im Ergebnis deswegen, weil die Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerliche Organschaft weder gem. § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 noch gem. § 18 KStG 1984 erfüllt seien.

Die Klage gegen den für das Streitjahr ergangenen KSt-Bescheid blieb – letztlich aus den Gründen des erwähnten BFH-Beschlusses – erfolglos (EFG 1999, 309).

 

Entscheidung

Der BFH hat seinen Rechtsstandpunkt aus dem besagten AdV-Beschluss nicht aufrechterhalten. Er sah sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund des zwischenzeitlich vorliegenden "Überseering"-Urteils des EuGH veranlasst, die mit ihrer Geschäftsleitung "zuziehende" Delaware Corp. im Ergebnis genauso zu behandeln, wie eine entsprechende inländische Kapitalgesellschaft. Vor diesem Hintergrund und angesichts des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots in Art. 24 Abs. 1 und 4 DBA-USA verwarf er § 14 Nr. 1 KStG 1984 und ließ die einfache Inlandsanbindung durch die Existenz der inländischen Geschäftsleitung genügen, um eine Organträgereigenschaft begründen zu können.

Als etwas problematisch erwies sich die Hürde der Abkommensberechtigung der Klägerin, die als inländische Kapitalgesellschaft als solche ja nicht diskriminiert wurde. Allerdings schützt das DBA auch Tochtergesellschaften amerikanischer Muttergesellschaften (Art. 24 Abs. 4 DBA-USA). Das FA konnte sich in Anbetracht dessen insbesondere nicht darauf berufen, dass das Abkommen doppelansässige Gesellschaften (sog. dual-residents) zu vermeiden trachtet (vgl. Art 4 Abs. 3 DBA-USA). Zwar stellt Art. 4 Abs. 3 DBA-USA solche Gesellschaften in das abkommensrechtliche Niemandsland und verweigert ihnen die Abkommensberechtigung. Für das Diskriminierungsverbot gilt dies jedoch, wie der BFH herausstellt, nicht und für Tochtergesellschaften doppelt ansässiger Gesellschaften schon gar nicht. Die Einzelheiten der Begründung sind recht filigran und bleiben der Lektüre des Urteilsoriginaltextes vorbehalten.

 

Hinweis

1. Es handelt sich aus steuerlicher Sicht wohl um das 1. Folgeurteil zu dem "Überseering"-Urteil des EuGH vom 5.11.2002, Rs. C-208/00, durch das der EuGH die in Deutschland gesellschaftsrechtlich bislang herrschende sog. Sitztheorie verworfen hat. Das "Überseering"-Urteil wurde Ihnen in dieser Zeitschrift erschöpfend und auch mit seinen nationalen steuerlichen Folgen vorgestellt; es findet sich in BFH-PR 2003, 36.

2. Nach diesem Urteil ist eine in das Inland "zuziehende" ausländische Kapitalgesellschaft, also eine Gesellschaft, die ihre Geschäftsleitung (ihren Verwaltungssitz) in das Inland verlegt, im Inland als solche anzuerkennen. Maßgeblich ist das insoweit grenzüberschreitend wirkende ausländische Gründungsrecht – und damit die sog. Gründungstheorie. Weder verliert die ausländische Kapitalgesellschaft infolge des Zuzugs ihre Rechtsfähigkeit noch "mutiert" sie zur Personengesellschaft: Innerhalb der EU bleibt sie vielmehr Kapitalgesellschaft und ist im Inland auch als solche zu behandeln. Andernfalls würden in- und ausländische Gesellschaften ohne sachlichen Grund ungleichen Rechtsfolgen unter...

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