Leitsatz

1. Geht ein Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand (gegebenenfalls nach § 1 Abs. 2a GrEStG auch nur fiktiv) über, wird bei Identität der Beteiligungsverhältnisse die Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nicht erhoben. Vermindert sich die Höhe des Anteils einer im Zeitpunkt des Grundstücksübergangs an der grundstückserwerbenden Gesamthand beteiligten Person innerhalb von fünf Jahren dadurch, dass diese über ihren Anteil zugunsten ihres Ehegatten oder eines Verwandten in gerader Linie oder durch freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 ErbStG verfügt, wirkt sich dies im Hinblick auf § 3 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG auf die Nichterhebung der Steuer nicht aus, soweit die begünstigten Personen ihrerseits die Beteiligung an der Gesamthand i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG unvermindert über den Zeitraum von fünf Jahren aufrechterhalten.

2. Geht die gesamthänderische Mitberechtigung der an der grundstückserwerbenden Gesamthand beteiligten Personen innerhalb von fünf Jahren nach dem (u.U. auch nur fiktiven) Grundstücksübergang durch eine formwechselnde Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft verloren, entfallen die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer rückwirkend.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 2a Satz 1, § 3 Nrn. 2, 4 und 6, § 6 Abs. 3 GrEStG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 175 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine 1998 gegründete grundstücksbesitzende GmbH & Co. KG. Ihre Komplementär-GmbH (K) ist nicht an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligt. Kommanditisten waren zunächst A und seine Tochter T 1, die ihren Anteil an der Klägerin 2004/2005 von ihrer Mutter, der Ehefrau (E) des A erworben hatte. Am 30.6.2008 gründeten die K als nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligte Komplementär-GmbH sowie A und T 1 als Kommanditisten die P‐KG. A und T 1, die am Gesellschaftsvermögen der P‐KG im selben Verhältnis wie am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt waren, brachten durch Vertrag vom 30.6.2008 ihre Kommanditbeteiligungen an der Klägerin in die P‐KG ein. Anschließend übertrug A im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der P‐KG Teilanteile auf E, T 1 und die weitere Tochter T 2.

Mit Vertrag vom 24.8.2010 trat eine GbR mit einem Anteil am Gesellschaftsvermögen von 6 % als weitere Kommanditistin in die Klägerin ein, sodass sich die Beteiligung der P‐KG am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf 94 % verminderte. Gesellschafter der GbR waren A, E, T 1 und T 2. Sie waren am Gesellschaftsvermögen der GbR im selben Verhältnis wie am Gesellschaftsvermögen der P‐KG beteiligt. Mit weiterem Vertrag vom 24.8.2010 wurde die P‐KG formwechselnd in die … GmbH umgewandelt. Alleinige Gesellschafterin der GmbH war die GbR.

Das FA beurteilte die am 30.6.2008 erfolgte Einbringung der Anteile des A und der T 1 an der Klägerin in die P‐KG als Änderung des Gesellschafterbestands i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG. Die ursprünglich erfüllten Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG seien aufgrund der Umwandlung der P‐KG in die GmbH nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG rückwirkend entfallen.

Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 23.2.2012, 4 K 1596/11, Haufe-Index 2963954, EFG 2012, 1293).

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil bestätigt und die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Der Gesellschafterwechsel bei einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft kann nach Maßgabe des § 1 Abs. 2a GrEStG Grunderwerbsteuer auslösen. Auf einen solchen Erwerbsvorgang ist zwar grundsätzlich die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG anwendbar. Das Besprechungsurteil zeigt aber instruktiv die insoweit gezogenen Grenzen auf.

1.§ 1 Abs. 2a GrEStG fingiert unter seinen näheren Voraussetzungen den Übergang eines der Personengesellschaft gehörenden Grundstücks auf eine "neue" Personengesellschaft. Für diesen fiktiven Erwerbsvorgang wird Grunderwerbsteuer gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht erhoben, wenn und soweit die Gesellschafter der fiktiv übertragenden Personengesellschaft an der fiktiv aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt bleiben. Bei doppelstöckigen Personengesellschaften ist insoweit auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten – und nicht auf die beteiligte Gesamthand selbst – abzustellen.

2.Die Sperrfrist des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG schließt zwar – als Missbrauchsverhinderungsnorm – die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG aus, wenn der erwerbende Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Soweit aber ein Anteilserwerb aufgrund der personenbezogenen Befreiungsregelungen des § 3 Nr. 2 bis Nr. 7 GrEStG steuerbefreit wäre, findet § 6 Abs. 4 aufgrund teleologischer Reduktion keine Anwendung.

3. Neben dieser Vorbehaltensfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG ist ferner die Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu beachten. Diese Vorschrift versagt die Anwendung des § 6...

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