Leitsatz

1. Ist der Abfindungsanspruch, der aufgrund des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer KG bei dessen Tod gegen die Gesellschaft entsteht, höher als der Wert des auf den fortsetzenden Gesellschafter übergegangenen Anteils der KG, wird kein negativer Wert des Erwerbs als Schenkung auf den Todesfall bei dem fortsetzenden Gesellschafter berücksichtigt.

2. Dies gilt auch für den Fall, dass der fortsetzende Gesellschafter zugleich Erbe des ausgeschiedenen Gesellschafters ist.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 Abs. 1 BewG, § 736 Abs. 1, § 738 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 1922, § 2301 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger ist zusammen mit seinen drei Geschwistern zu je ¼ Miterbe nach seiner im Jahr 2012 verstorbenen Mutter. Die Mutter war neben ihren Kindern Kommanditistin einer GmbH & Co. KG. Der Gesellschaftsvertrag der KG sah vor, dass ein Gesellschafter bei seinem Tod gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausscheidet und die KG ohne diesen oder seine Erben fortgesetzt wird. Die Anteilsquote der fortsetzenden Gesellschafter – des Klägers und seiner Geschwister – erhöhte sich demgemäß durch Anwachsung auf jeweils 25 %.

Der im Verlauf des Besteuerungsverfahrens für Zwecke der ErbSt zuletzt gesondert festgestellte Wert des Anteils der Mutter am Betriebsvermögen der KG war niedriger als der Wert des den Erben zustehenden Abfindungsanspruchs. Das FA berücksichtigte daraufhin bei der Festsetzung der ErbSt gegen den Kläger keinen Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG mehr. Der Ansatz des auf den Kläger entfallenden Teils des Abfindungsanspruchs als sonstige Kapitalforderung als Teil des Erwerbs von Todes wegen blieb unverändert bestehen.

Den Antrag des Klägers, die anteilig auf ihn entfallende negative Differenz zwischen dem Anteilswert und dem Abfindungsanspruch bei ihm als negativen Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG zu erfassen, lehnte das FA ab. Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos (FG Münster, Urteil vom 8.11.2018, 3 K 1118/16 Erb, Haufe-Index 12556942, EFG 2019, 123).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Der Abfindungsanspruch sei zutreffend als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG berücksichtigt worden. Ein negativer Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG sei nicht anzusetzen gewesen.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit den zivilrechtlichen und erbschaftsteuerrechtlichen Folgen, die sich ergeben, wenn ein Gesellschafter bei seinem Tod gegen Abfindung aus einer Personengesellschaft ausscheidet und diese von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird.

1. Ein Gesellschaftsvertrag kann entsprechend § 736 Abs. 1 BGB bestimmen, dass die Personengesellschaft beim Tod eines Gesellschafters unter den übrigen Gesellschaftern mit der Folge einer Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) fortbestehen soll (Fortsetzungsklausel). Den übrigen Gesellschaftern wächst der Anteil des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft auf gesellschaftsvertraglicher und nicht auf erbrechtlicher Grundlage im Privatvermögen zu. Der Anteil fällt nicht in den Nachlass des ausgeschiedenen Gesellschafters. Es liegt somit kein Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 Abs. 1 BGB) vor.

Den Erben des verstorbenen Gesellschafters kann nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Abfindungsanspruch zustehen.

2. Die Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB) führt nicht zu einem Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB.

a) Es liegt aber ein Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 2301 BGB) vor, soweit der Wert, der sich für den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters zur Zeit seines Todes nach § 12 ErbStG ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt.

b) Sind die Abfindungsansprüche Dritter höher als der so bestimmte Wert des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters, hat dies lediglich zur Folge, dass kein Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall vorliegt. Die Berücksichtigung eines negativen Erwerbs im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG ist nicht möglich, auch nicht im Wege einer erweiternden Auslegung der Vorschrift. Einer teleologischen Extension steht das Fehlen einer Regelungslücke entgegen. Dem Zweck der Vorschrift entspricht es, ihre Anwendung auf die Fälle zu beschränken, in denen eine objektive Bereicherung vorliegt.

c) Dies gilt auch, wenn die fortsetzenden Gesellschafter zugleich Erben des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters sind. Auch in diesem Fall entspräche es nicht der Zielsetzung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG, einen negativen Erwerb zu berücksichtigen, der mit anderen positiven Erwerben von Todes wegen zu verrechnen wäre und zu einer Reduzierung der Bemessungsgrundlage für die ErbSt der Erben führte.

3. Der Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört bei den Erben des Gesellschafters zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen, sei es nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sei es nach § 3 Ab...

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