Leitsatz

1. Übertrug ein Gesellschafter seine Beteiligung an einer Personengesellschaft unentgeltlich auf eine andere Person, die auf seine Veranlassung zu seinen Gunsten und unter der aufschiebenden Bedingung seines Todes seinem Ehegatten einen Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil bestellte, und trat die aufschiebende Bedingung ein, ist bei der Bemessung der gegen den überlebenden Ehegatten festzusetzenden Erbschaftsteuer der Nießbrauch nach dem vor 2009 geltenden Recht nicht anzusetzen, wenn der Ehegatte aufgrund des Nießbrauchs Mitunternehmer der Gesellschaft geworden ist.

2. Für die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG a.F. genügte der Übergang der Mitunternehmerstellung, ohne dass darüber hinaus auch der Übergang einer zivilrechtlichen Beteiligung an der Gesellschaft erforderlich war.

 

Normenkette

§ 95 Abs. 1 BewG a. F. (vor 2009), § 97 Abs. 1 BewG, § 109 BewG a.F. (vor 2009), § 3 ErbStG, § 12 und § 13a ErbStG a.F. (vor 2009), § 5, § 6, § 7, § 15 EStG, § 158 Abs. 1, § 328 Abs. 1, § 331 Abs. 1, § 1061 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin (M) ist Alleinerbin ihres 2006 verstorbenen Ehemanns (E). Dieser hatte seiner Tochter (T) durch Vertrag vom 14.12.2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG (KG) sowie ihm zustehende Ansprüche aus einem der KG gewährten Gesellschafterdarlehen übertragen. T ihrerseits hatte dem E einen lebenslangen und unentgeltlichen Nießbrauch an dem auf sie übertragenen Kommanditanteil bestellt, wobei E Ansprüche auf Ausschüttungen sowie Erträge aus der Auflösung stiller Reserven sowie die Auskunfts- und Einsichtsrechte eines Gesellschafters hatte und an dem auf den Kommanditanteil entfallenden Gewinn und Verlust beteiligt war. T hatte ferner M, aufschiebend bedingt durch den Tod des E, ein lebenslanges und unentgeltliches Nießbrauchsrecht, das inhaltlich dem Nießbrauchsrecht des E entspricht, bestellt.

Das FA berücksichtigte bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen M den Wert des Nießbrauchs an der KG sowie den auf M übergegangenen Anteil des E am Gesellschafterdarlehen und versagte den Freibetrag und Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F., weil der Nießbrauch nur ein dingliches Nutzungsrecht und keine Gesellschafterstellung begründe. Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2009, 4 K 169/09 Erb, Haufe-Index 2265581, EFG 2010, 157).

 

Entscheidung

Der BFH änderte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen antragsgemäß den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid.

 

Hinweis

1. Erwirbt ein Dritter von Todes wegen ein Nießbrauchsrecht, das aufschiebend bedingt durch den Tod des erstberechtigten Nießbrauchers bestellt war, erfüllt dies den Steuertatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Der Nießbrauch ist unvererblich und erlischt mit dem Tod des Berechtigten (§ 1068 Abs. 2 i.V.m. § 1061 S. 1 BGB). Mit Eintritt des Todes entsteht, sofern bereits das Vollzugsgeschäft aufschiebend bedingt vorgenommen wurde, ein neuer Nießbrauch unmittelbar in der Person des Dritten.

2. Von erheblicher Tragweite ist die vom BFH getroffene Aussage, dass der Gesellschaftsbegriff i.S.d. § 13 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG a.F. (Fassung bis 2008) bzw. jetzt § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ertragsteuerlich, nicht zivilrechtlich, zu verstehen ist. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften. Deshalb ist auch der "Anteil an einer Gesellschaft" ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmeranteil zu verstehen, sodass es keiner unmittelbaren zivilrechtlichen Gesellschafterstellung bedarf. Die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. (nunmehr § 13a und § 13b ErbStG n.F.) sind deshalb auch zu gewähren, wenn der Erwerber aufgrund eines ihm von einem Mitunternehmer schenkweise oder von Todes wegen zugewendeten Nießbrauchs an einem Anteil an einer Personengesellschaft Mitunternehmer wird und Sonderbetriebsvermögen erwirbt.

Die Finanzverwaltung will dieser Beurteilung nach anfänglichem Zögern nunmehr folgen (gleichlautende Erlasse v. 2.11.2012, BStBl I 2012, 1101); das Besprechungsurteil wird dem Vernehmen nach in Kürze im BStBl II veröffentlicht werden.

3. Die Bewertung des Nießbrauchsrechts hatte nach der Rechtslage bis zum 31.12.2008 nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen (§ 12 Abs. 5 ErbStG a.F. i.V.m. § 109 Abs. 1 oder 2 BewG a.F.). Wurde der Nießbrauch unentgeltlich erworben, schied wegen der Zugehörigkeit des Nießbrauchs zu den Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens ein Wertansatz aus.

Für die Rechtslage ab 1.1.2009 ist zu beachten, dass für den Nießbrauch nunmehr der gemeine Wert anzusetzen ist (§ 12 Abs. 5 und 3 ErbStG i.V.m. §§ 95, 97 Abs. 1a, 109 BewG). Ebenso sind auch die Wirtschaftsgüter und Schulden des Sonderbetriebsvermögens bei dem jeweiligen Gesellschafter mit dem gemeinen Wert anzusetzen (R B 97.3 ErbStR 2011).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.9.2011 – II R 67/09

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