Leitsatz

1. Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Anspruch nehmen.

2. Der Abzug des Pauschbetrags setzt nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, ErbStG, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, § 2100, § 2139 BGB

 

Sachverhalt

Im Januar 2013 verstarb die Tante der Klägerin. Als Vorerbe war deren Ehemann und als Nacherbin die Klägerin berufen. Im Mai 2013 verstarb auch der Ehemann der Tante. Der Klägerin entstanden aufgrund der Nacherbschaft Kosten i.H.v. 40 EUR beim Nachlassgericht. Der Vorerbe hatte keine Kosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des ErbStG geltend gemacht. Das FA setzte die Erbschaftsteuer für die Nacherbschaft gegenüber der Klägerin ohne Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten fest. Der Einspruch hiergegen wurde zurückgewiesen. Im Klageverfahren machte die Klägerin den Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 10.300 EUR geltend. Das FG (FG Münster, Urteil vom 24.10.2019; 3 K 3549/17 Erb, Haufe-Index 13615967, EFG 2020, 391) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, dass sowohl dem Vorerben als auch dem Nacherben der Pauschbetrag zugutekommen könne, denn es lägen zwei voneinander getrennt zu beurteilende Erbfälle vor. Zudem habe der Vorerbe den Erbfallkostenpauschbetrag im vorliegenden Fall nicht verbraucht. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Bei Anordnung der Vor- und Nacherbschaft, verwirklichen sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe den Besteuerungstatbestand gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG für einen Erwerb von Todes wegen. Dabei gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer. Der Nacherbe hat nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG den Erwerb vom Vorerben zu versteuern. Die Vorschrift fingiert somit für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird.

2. Für jeden der Erwerbe gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Als Nachlassverbindlichkeiten sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abziehbar die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen und umfasst u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.

3. Insgesamt ist für diese Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ein Pauschbetrag i.H.v. 10.300 EUR ohne Nachweis abziehbar. Das Gesetz geht zutreffend davon aus, dass mit dem Erbanfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen. Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, für mehrere Miterben nur einmal.

4. Der BFH hat mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt, dass bei Vor- und Nacherbschaft der Pauschbetrag jeweils für den Vor- und den Nacherben zu gewähren ist. Denn der Vor- und Nacherbfall stellt erbschaftsteuerrechtlich nicht einen Erbfall mit mehreren Erben dar. Vielmehr sind die beiden Vorgänge als zwei getrennte Erbfälle zu behandeln. Es entspricht dieser Systematik, im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung den Pauschbetrag zweimal anzusetzen.

5. Der Umstand, dass bei Vor- und Nacherbschaft bezogen auf den ursprünglichen Erblasser nur ein Todesfall vorliegt, rechtfertigt nach Auffassung des BFH keine teleologische Reduktion der Vorschrift. Der Pauschbetrag umfasst nicht nur Beerdigungskosten, sondern dient auch dazu, Nachlassregelungskosten im weiteren Sinne abzugelten. Diese können ohne Weiteres zweimal in jeweils unbegrenzter Höhe anfallen. Sie fallen typischerweise auch in einem Nacherbfall an.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.2.2023 – II R 3/20

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