Der Entscheidung des BFH ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar erfolgt der Erbanfall nach italienischem Recht nicht ipso iure, sondern bedarf der Annahmeerklärung durch den Erben. Dies schließt jedoch nicht die Vergleichbarkeit mit einem Erwerb von Todes wegen nach deutschem Recht aus. Entscheidend ist, dass mit dem Tod einer natürlichen Person deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen oder mehrere Erben übergeht. Auf die Details kommt es nicht an (mehrfach in der Rspr. des BFH so ausdrücklich erklärt, vgl. BFH v. 17.11.2021 – II R 39/19). So ist auch ein mehraktiger Erwerbstatbestand mit dem deutschen Rechtsinstitut nach § 1922 BGB vergleichbar.

Die nach italienischem Erbrecht erforderliche Annahmeerklärung sei – so der BFH – keine Bedingung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG, weil eine solche Bedingung nach der Rspr. des BGH keine Rückwirkung haben kann und die italienische Annahmeerklärung nach den Feststellungen des FG, die für den BFH bindend und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden seien (für den BFH als Revisionsgericht, vgl. BFH v. 17.11.2021 – II 39/19, mit Verweis auf §§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 560 ZPO), Rückwirkung entfalte.

a) Rechtsbedingungen sind keine Bedingungen i.S.v. § 158 BGB

Der BFH hat wiederholt klargestellt, dass der Begriff der Bedingung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung nach § 158 BGB anknüpft (BFH v. 17.11.2021 – II 39/19 Rz. 13; BFH v. 22.1.2020 – II R 41/17, BFHE 267, 460 = BStBl. II 2020, 459 Rz. 28 = ErbStB 2020, 179 [Marfels]).

Die nach italienischem Erbrecht erforderliche Annahmeerklärung ist jedoch schon deshalb keine Bedingung i.S.d. § 158 BGB, weil es sich hierbei nicht um eine rechtsgeschäftliche Bedingung, sondern um eine conditio iuris – eine Rechtsbedingung – handelt, die Voraussetzung für den Erwerb von Todes wegen nach italienischem Erbrecht ist. Rechtsbedingungen sind bereits keine Bedingungen i.S.d. § 158 BGB (Westermann in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2021, § 158 Rz. 54; Reymann in BeckOGK/BGB, Stand: 1.3.2022, § 158 Rz. 37; Wackerbarth in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB AT/EGBGB, 4. Aufl. 2021, § 158 BGB Rz. 26) und unterfallen damit gar nicht erst der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG.

Beraterhinweis Eine Rechtsbedingung ist eine gesetzliche Voraussetzung, die für das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts erforderlich ist. Im Gegensatz dazu ist ein unter einer Bedingung i.S.d. § 158 BGB stehendes Rechtsgeschäft grundsätzlich wirksam; es werden nur dessen Rechtswirkungen bis zum Eintritt der Bedingung blockiert (Reymann in BeckOGK/BGB, Stand: 1.3.2022, § 158 Rz. 38; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 91. EL 3/2022, § 9 Rz. 22.1, 24).

b) Rückwirkung unerheblich

Demzufolge ist ein Erwerb von Todes wegen, der unter einer Rechtsbedingung steht, noch nicht wirksam und die Steuer hierauf noch nicht entstanden, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Beraterhinweis Tritt jedoch später die Rechtsbedingung ein, wird der Erwerb von Todes wegen vollendet und die Steuer entsteht nach der Grundregel des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers (Daragan, ZEV 2020, 238, 241). Dies gilt jedoch im Gegensatz zu den Ausführungen des BFH unabhängig davon, ob das maßgebliche (ausländische) Zivilrecht eine Rückwirkung der Annahmeerklärung anordnet oder nicht, da das Zivilrecht lediglich bestimmt, zu welchem Zeitpunkt der Erwerb von Todes wegen vollendet ist.

§ 9 ErbStG bestimmt dagegen, dass bei einem – zivilrechtlich vollendeten – Erwerb von Todes wegen (Tatbestandsvoraussetzung) die Erbschaftsteuer (Rechtsfolge) mit dem Tode des Erblassers entsteht (Maßgeblichkeit des Todeszeitpunkts für die Bewertung nach § 11 ErbStG und für die persönliche Steuerpflicht nach § 2 ErbStG). Die Tatbestandsvoraussetzung des vollendeten Erwerbs von Todes wegen ist – unabhängig davon, ob die Annahmeerklärung nach materiellem Zivilrecht zurückwirkt oder nicht – erst dann erfüllt, wenn die Annahme rechtswirksam erklärt wurde. Dann bewirkt sie jedoch den Erwerb von Todes wegen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Dies klingt letztlich auch in den Ausführungen des BFH an, wenn er von gestreckten bzw. mehraktigen Erwerbstatbeständen spricht.

Steht der Erwerb von Todes wegen dagegen unter einer echten Bedingung i.S.d. § 158 BGB, ist der Erwerb grundsätzlich zivilrechtlich wirksam und nur seine Rechtswirkungen sind bis zum Bedingungseintritt blockiert, so dass die Erbschaftsteuer nach der lex specialis des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG erst mit Bedingungseintritt entsteht.

c) Ausschlagung ist auch Rechtsbedingung

Dies deckt sich mit der h.M. in der Literatur zur Ausschlagung der Erbschaft nach deutschem Recht: Der Ersatzerbe wird mit Wirkung zum Todeszeitpunkt Erbe und unterliegt damit der Erbschaftsteuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Todeszeitpunkt und nicht erst zum Zeitpunkt der Ausschlagung (Söffing in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, Stand: 4.5.2022, § 9 ErbStG Rz. 11 [Aktualisierung v. 21.9.2021]. A.A. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 62. EL 7/2021, § 9 Rz. 24 [i.V.m. Rz. 16, 18 und § 3 Rz. 20], trotz der zivilrechtlichen Rückbeziehung und Entfa...

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