[Ohne Titel]

WP/StB Jürgen Dräger[*]

[*] Der Verfasser ist als freier Mitarbeiter für die Hamburger Praxis MHL MÖHRLE HAPP LUTHER tätig.

I. Einleitung

Die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungsansprüchen gem. § 233a i.V.m. § 239 Abs. 2 S. 2 AO ist verfassungswidrig, soweit hierfür der im Gesetz vorgesehene Zinssatz von 0,5 % p/M. ab dem 1.1.2014 zugrunde gelegt wird. Diese Verzinsung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz). Das bisherige Recht ist aber für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 noch hinzunehmen (BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17).

Ab dem 1.1.2019 können die o.a. Vorschriften aber nicht mehr angewendet werden, für diesen Zeitraum und für die Zukunft muss der Gesetzgeber eine neue verfassungsgemäße Regelung treffen. Hierfür hat das BVerfG ihm Zeit bis zum 31.7.2022 gelassen. Das dann beschlossene Gesetz ist auf alle noch nicht rechtskräftigen Verwaltungsakte, die auf § 233a AO beruhen, anzuwenden.

Die Einzelheiten zur Handhabung durch die Finanzverwaltung mit bereits erlassenen und noch ergehenden Zinsfestsetzungen ergeben sich aus dem BMF-Schreiben v. 17.9.2021 (BMF v. 17.9.2021 – IV A 3 -S0338/19/10004 :005).

II. Auswirkungen auf die Verzinsungsreglungen der AO

1. Folgen für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen bis zum 31.12.2018

Die für den Zeitraum bis zum 31.12.2018 angefallenen Zinsen bleiben bestehen.

Beraterhinweis Soweit also dagegen außergerichtliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe eingelegt wurden, haben diese keine Aussicht auf Erfolg und sollten zurückgenommen werden.

Soweit für Zinszahlungszeiträume bis einschließlich 2018 für die Zahlung von Zinsen Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 AO gewährt worden ist – entsprechend dem BMF-Schreiben vom 14.6.2018 (BStBl. I 2018, 722) und vom 14.12.2018 (BStBl. I 2018, 1393), müssen die ausgesetzten Zinsbeträge nach Aufforderung durch die Finanzämter oder auch der Gemeinden (für die Gewerbesteuer) i.d.R. innerhalb eines Monats nach der Einspruchsrücknahme oder der Einspruchsentscheidung nachgezahlt werden.

Beraterhinweis Bei außergerichtlichen Rechtsbehelfen kann abgewartet werden, ob von Seiten der Finanzverwaltung eine Allgemeinverfügung zur Erledigung ergeht. Gerichtliche Rechtsbehelfe sollten zur Kostenersparnis zurückgenommen werden.

2. Folgen für Nachzahlungszinsen ab dem 1.1.2019

Soweit sich aus rechtskräftigen Steuerbescheiden Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab dem Januar 2019 ergeben, bleiben diese Zinsen unverändert bestehen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem Zinsfestsetzungsbescheid ein Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO beigefügt war. Dies wurde durch den koordinierten Ländererlass vom 2.5.2019 (BStBl. I 2019, 448) für erstmalige Bescheide und geänderte Bescheide – soweit die Änderung reichte – angeordnet.

Die für die Zeit ab dem 1.1.2019 bereits gezahlten Zinsen können bei endgültigen Zinsfestsetzungen nicht mehr zurückgefordert werden, es sei denn, gegen den entsprechenden Bescheid wurde fristgerecht Einspruch erhoben. Sollten jedoch endgültig festgesetzte Zinsen noch nicht gezahlt worden sein, dann kann eine Vollstreckung seitens des FA vorerst – bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber – nicht vorgenommen werden (vgl. § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG).

Für ab dem 1.1.2019 gezahlte Zinsen, die auf einem vorläufigen oder mit dem Einspruch angegriffenen Bescheid beruhen, wird die Finanzverwaltung Anträge auf Erstattung der Zinsen allerdings zzt. nicht bearbeiten, auch wenn keine endgültige Festsetzung vorliegt. Dies beruht darauf, dass der Gesetzgeber bis zum 31.7.2022 tätig werden muss und evtl. einen neuen Zinssatz beschließen wird.

3. Folgen für Erstattungszinsen ab dem 1.1.2019

Die Entscheidung des BVerfG betrifft auch die Verfassungswidrigkeit für Erstattungszinsen ab dem Zinszeitraum 1.1.2019. Falls für diesen Zeitraum Erstattungszinsen bereits festgesetzt wurden und diese Festsetzungen rechtskräftig und auch nicht vorläufig gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO sind, bleibt es bei den bereits erfolgten Erstattungen ggf. nach Verrechnung mit anderen Nachzahlungen. Falls eine vorläufige Festsetzung erfolgt ist, kann die Finanzverwaltung diese Zinsfestsetzung je nach dem Inhalt der bis zum 31.7.2022 zu erfolgenden Neuregelung des § 233a AO anpassen und die sich daraus ergebenden überzahlten Beträge zurückfordern. Die entsprechende Handhabung ist aber endgültig erst nach der Entscheidung des Gesetzgebers absehbar.

4. Zinsen in Bescheiden ab dem 17.9.2021

In neu zu erlassenden Bescheiden werden Zinsfestsetzungen vorläufig mit 0 EUR vorgenommen, so dass die Finanzverwaltung nach Ergehen eines neuen Gesetzes die Zinsen an diese Regelung in beiden Richtungen anpassen kann (BMF v. 17.9.2021 – IV A 3 - S 0338/19/10004 :005).

Für geänderte Bescheide werden ab sofort evtl. weitere Nachzahlungszinsen vorläufig mit 0 EUR festgesetzt. Ergibt sich aus den Änderungen eine Erstattung, wird diese auch für die Zinsen mit dem Differenzbetrag vorläufig festgesetzt und auch gezahlt. Eine Anpassung an die neue gesetzliche Regelung bleibt vorbehalten (BMF v. 17.9.2021 – IV A 3 - S 0338/19/10004 :005).

5. Auswirkungen der Entscheidung auf weitere Verzinsungsanordungen in der AO

Die Entscheidung des BVerfG gilt nur für die Zinsen gem. §§ 233a, 238 AO. Zinsen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften erhoben werden, sind hiervon nach dem ausdrü...

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