Neben den Verzinsungsregelungen in der AO gibt es in anderen Steuergesetzen Abzinsungsregelungen, die auch auf einem Zinssatz basieren, wie er in dem Beschluss des BVerfG vom 8.7.2021 als verfassungswidrig wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG angesehen wurde.

1. Für "andere Verbindlichkeiten" in der Steuerbilanz sieht § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Abzinsung mit einem Zinssatz von 5,5 % vor. Infolge der in Satz 2 dieser Vorschrift vorgesehenen Ausnahmen bezieht sich diese Abzinsung im Ergebnis nur auf unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 12 Monaten, soweit es sich nicht um Anzahlungen oder Vorleistungen handelt.

2. Der gleiche Zinssatz ist in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG für Rückstellungen für zukünftig zu erfüllende Verpflichtungen vorgesehen. Für diese Art von Verbindlichkeiten hat das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 31.1.2019 in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungssatzes von 5,5 % gesehen und die AdV gewährt (FG Hamburg v. 31.1.2019 – 2 V 112/18, EFG 2019, 525).

Zur Begründung seiner Entscheidung verweist das FG Hamburg allerdings auf die jetzt entschiedenen Vorlagen des BFH an das BVerfG, das eine Übernahme des Beschlusses auf andere Verzinsungsregeln außerhalb von § 233a AO aber ablehnt. Das zuständige FA in Hamburg hat den Beschluss in der Aussetzungssache aber nicht angefochten, er ist daher rechtskräftig geworden. Ob noch ein Verfahren in der Hauptsache anhängig ist und wie ggf. der gegenwärtige Stand ist, konnte bisher nicht festgestellt werden.

3. Weiter enthält § 6a Abs. 3 EStG für die Berechnung von Pensionsrückstellungen zum Teilwert die Anordnung, dass ein Rechnungszinssatz von 6 % anzuwenden ist.

Diesen Zinssatz hat aber bereits das FG Köln in seinem Beschluss vom 10.12.2017 für den Bilanzstichtag 31.12.2015 als verfassungswidrig angesehen (FG Köln v. 10.12.2017 – 10 K 977/17 (EFG 2018, 287) und die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (AZ: 2 BvL 22/17). In der Begründung seines Vorlagebeschlusses hält das FG einen Abzinsungssatz in Höhe der Abzinsung nach dem Handelsrecht (§ 253 Abs. 2 S. 2 HGB) für zutreffend. Das BVerfG hat in dieser Sache noch nicht entschieden.

Beachten Sie: Es ist daher zu empfehlen, Steuerbescheide mit Pensionsrückstellungen mit dem Zinssatz von 6 % offenzuhalten. Sollte das BVerfG in der Sache 2 – BvL – 22/17 entscheiden und auch hier den Zinssatz für verfassungswidrig ansehen, muss allerdings ein neues Gutachten für die Pensionsrückstellungen erstellt werden. Die Kosten dafür hat der Stpfl. zu tragen.

Beraterhinweis Selbst bei einer positiven Entscheidung des BVerfG, in der der Zinssatz als zu hoch beurteilt wird, sollten die Kosten für geänderte Gutachten über mehrere Bilanzstichtage mit den daraus folgenden Steuererstattungen gegen die voraussichtliche Erstattung im ersten Geschäftsjahr, für das das Gutachten mit einem neuen Zinssatz erstellt wird, verglichen werden. Auch die Auswirkungen durch evtl. vorhandene Verlustvorträge sollten mit betrachtet werden.

4. Bei der Übertragung stiller Reserven gem. § 6b EStG kann eine Verzinsung entsprechend § 234 AO i.V.m. § 238 AO i.H.v. 6 % p.a. zur Anwendung kommen, wenn eine gebildete Rücklage nicht innerhalb der Frist gem. § 6b Abs. 3 EStG auf ein neu angeschafftes Wirtschaftsgut übertragen wird. In diesen Fällen wird die Steuerbemessungsgrundlage um den Betrag der Rücklage zzgl. der Zinsen erhöht. Der Ansatz dieser Zinsen wird von der Entscheidung des BVerfG nicht berührt. Die entgegenstehende Auffassung von Prinz/Ludwig (Prinz/Ludwig, FR 2019, 493) und in der Kommentierung von Loschelder (Loschelder in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 6b Rz. 6,) hat das BVerfG nicht geteilt. Gegen die Höhe dieses Zinssatzes sind – soweit erkennbar – keine Verfahren anhängig.

Es bleibt jetzt abzuwarten, ob nach der Veröffentlichung des BVerfG-Beschlusses weitere noch nicht entschiedene Verfahren fortgeführt werden und dabei auch zur Abzinsung von ungewissen Verbindlichkeiten und Pensionsrückstellungen sowie dem Zinssatz in § 6b EStG Entscheidungen gefällt werden.

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