Rz. 198

[Autor/Stand] In seinem an das BVerfG gerichteten Vorlageschluss v. 22.5.2002[2] hatte der BFH § 19 ErbStG i.d.F. des JStG 1997[3] i.V.m. § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 6 Satz 4 ErbStG, § 12 ErbStG sowie die §§ 13a und 19a ErbStG, dabei § 12 ErbStG i.V.m. den dort in Bezug genommenen Vorschriften des BewG, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig gehalten, weil die Vorschriften zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage beim Betriebsvermögen, bei den Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie beim Grundbesitz (einschließlich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens) gleichheitswidrig ausgestaltet seien.

 

Rz. 199

[Autor/Stand] Im Wesentlichen hat der BFH dort ausgeführt, der Gleichheitssatz verlange für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet würden. Unterschiedliche Wertansätze müssten auf sachlichen Gründen beruhen, aus denen sich die Differenzierungen grundsätzlich nach der Belastbarkeit des Erwerbers ergäben. Da das ErbStG a.F. in § 19 einen einheitlichen Tarif vorsehe und Differenzierungen bei der Belastung der Steuerpflichtigen auf der Bewertungsebene vornehme, führten gleichheits- und damit verfassungswidrige Vorschriften über die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen zwangsläufig auch zu einem gleichheitswidrigen Steuertarif.

 

Rz. 200

[Autor/Stand] Die Bewertung des Betriebsvermögens auf der Grundlage der Steuerbilanzwerte, verbunden mit den weiteren im Gesetz vorgesehenen Vergünstigungen beim Erwerb von Betriebsvermögen, bestehend aus der Unterbewertung der Betriebsgrundstücke, Freibetrag und vermindertem Wertansatz von 60 %[6], führe zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Privilegierung des Betriebsvermögens insb. im Verhältnis zu den Wirtschaftsgütern, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten seien. Mit der durch § 12 Abs. 5 ErbStG a.F. angeordneten Übernahme der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung des Betriebsvermögens habe der Gesetzgeber seine Entscheidung, den Erwerb nach der Leistungsfähigkeit zu besteuern, nicht folgerichtig umgesetzt. Die Steuerbilanzwerte seien zur Erfassung des Werts der durch Erbanfall oder Schenkung übergehenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ungeeignet. Sie spiegelten regelmäßig nicht den wahren Wert eines Wirtschaftsguts wider, sondern stellten das Ergebnis – anderen Erfordernissen und Zielen dienender – handels- und steuerrechtlicher Abschreibungsregeln dar.

 

Rz. 201

[Autor/Stand] Wie beim Betriebsvermögen entspreche die als Begünstigung gedachte Übernahme der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung der nicht notierten Anteile an Kapitalgesellschaften nicht der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers. Das Gesetz lasse im Übrigen auch keine klare Begünstigungsrichtung erkennen, soweit es für Anteile, für die ein Börsenkurs vorliege oder deren Wert zufällig aus stichtagsnahen Verkäufen ableitbar sei, den Ansatz eines dem Verkehrswert entsprechenden Werts (Kurswert, Verkaufspreis, Nennwert) vom Stichtag vorschreibe, während bei Anteilen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, jeder Versuch einer am Verkehrswert orientierten Schätzung durch die Anordnung der Übernahme der Steuerbilanzwerte von Gesetzes wegen unterbunden werde.

 

Rz. 202

[Autor/Stand] Der Senat gehe davon aus, dass das Bewertungsverfahren für unbebaute Grundstücke in verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich sei. Das auf einem einheitlichen Faktor von 12,5 beruhende, "vereinfachte" Ertragswertverfahren für bebaute Grundstücke verstoße jedoch nach Auffassung des Senats gegen das Gleichbehandlungsgebot. Das Bewertungsverfahren für bebaute Grundstücke führe in den meisten Fällen zu Werten unterhalb der am Grundstücksmarkt feststellbaren Bandbreite. In vielen Fällen werde – wie die Kaufpreisuntersuchung der Finanzverwaltung bestätige – deutlich weniger als die Hälfte, zum Teil nur 20 bis 30 % des Mittelwerts, erreicht. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollten im Durchschnitt ca. 50 % des Kaufpreises erreicht werden. Die in der Gesetzesbegründung[9] genannten Besonderheiten des Grundbesitzes (geringe Fungibilität, höhere Sozialbindung, Mieterschutzbestimmungen, öffentlich-rechtliche Auflagen, zusätzliche Belastung durch Grundsteuer) könnten die vom Gesetzgeber vorgesehenen Abweichungen vom Verkehrswert nicht rechtfertigen. Denn derartige Belastungen schlügen sich in einem am Markt gebildeten Preis (Verkehrswert) nieder. Darüber hinaus entspreche das Ertragswertverfahren nicht den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen, weil im Verhältnis zu den Verkehrswerten kein auch nur annähernd gleichmäßiges Steuerwertniveau erreicht werde, so dass die Erwerber bebauter Grundstücke sehr unterschiedlich be- bzw. entlastet würden.

 

Rz. 203

[Autor/Stand] Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens mit nur 10 % des Verkehrswerts entspreche nach Auffassung des Senats den Vorgaben des BVerfG[11], die Erbschaftsteuerlast so zu bemessen, ...

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