Rz. 211

[Autor/Stand] Wie nicht anders zu erwarten war, hat sich das BVerfG in seinem Beschluss v. 7.11.2006[2] der Auffassung des BFH in dessen Vorlagebeschluss v. 22.5.2002[3] (vgl. dazu oben, Rz. 198 ff.) im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung angeschlossen. Das BVerfG hat entschieden, dass die durch § 19 Abs. 1 ErbStG a.F. angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer (und Schenkungsteuer) mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stehe, weil sie an Steuerwerte anknüpfe, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht genüge.

 

Rz. 212

[Autor/Stand] Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage müsse wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssten gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst würden.

 

Rz. 213

[Autor/Stand] Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung dürfe der Gesetzgeber auf dem so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten.

 

Rz. 214

[Autor/Stand] Die bisherigen Regelungen zum Betriebsvermögen entbehrten einer folgerichtigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung auf der Bewertungsebene. Die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte verhindere strukturell eine Annäherung an die gemeinen Werte. Dies führe zu Besteuerungsergebnissen, die mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar seien.[7]

 

Rz. 215

[Autor/Stand] Die nach § 109 Abs. 1 BewG bis 2008 (a.F.) anzusetzenden Steuerbilanzwerte (= Buchwerte) entsprächen nur in Ausnahmefällen den Teilwerten. Durch bilanzpolitische Maßnahmen, etwa die Wahl der AfA-Methode, von Sofortabschreibungen, erhöhten Absetzungen, Sonderabschreibungen sowie durch spätere Wertsteigerungen könnten stille Reserven gebildet werden, die im Rahmen der Bewertung keine Berücksichtigung fänden. Geldschulden seien demgegenüber mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen, der i.d.R. dem Nennbetrag entspreche.

 

Rz. 216– 219

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

 

Rz. 220

[Autor/Stand] Auch beim Grundvermögen genüge die erbschaftsteuerliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage schon auf der Bewertungsebene nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes. Bei den bebauten Grundstücken werde durch das in § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG a.F. angeordnete vereinfachte Ertragswertverfahren mit einem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt. Die derzeitige Bewertung bebauter Grundstücke führe im rechnerischen Durchschnitt nicht nur zu Grundbesitzwerten, die etwa 50 % des gemeinen Werts erreichten, so dass eine Annäherung an den gemeinen Wert nicht vorliege. Vielmehr differierten die Einzelergebnisse auch in erheblicher Zahl zwischen weniger als 20 % und über 100 % des gemeinen Werts. Es sei offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden im Verhältnis zum gemeinen Wert führen müsse.

 

Rz. 221

[Autor/Stand] Hinzu komme, dass die Bewertungsvorschriften in Gebieten mit hohen Grundstückspreisen – vor allem in Ballungsräumen – in großem Umfang dazu führten, dass die aufstehenden Gebäude regelmäßig keinerlei Auswirkung auf den Steuerwert hätten. Denn allein der Wert des Grund und Bodens übersteige hier das 12,5-fache der (erzielbaren) Jahresmiete, so dass die Mindestwertregelung des § 146 Abs. 6 BewG a.F. eingreife.

 

Rz. 222

[Autor/Stand] Die in § 148 BewG a.F. geregelte Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken sei ebenfalls mit dem Erfordernis einer realitätsgerechten Bewertung nicht vereinbar: Der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks werde schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu entrichtenden jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt würden.

 

Rz. 223

[Autor/Stand] Das führe dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen werde. Die steuerliche Lastenverteilung zwischen Erbbauberechtigtem und Erbbauverpflichtetem sei unausgewogen.[14]

 

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