Tz. 94a

Stand: EL 90 – ET: 06/2017

Bei der durch das AmtshilfeRLUmsG v 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) erstmalig eingeführten und durch das Kroatien-StAnpG v 25.07.2014 (BGBl I 2014, 1266) sowie des sog Anti-BEPS I-Gesetzes (BGBl I 2016, 3000) neu gefassten Vorschrift des § 50i EStG handelt es sich um einen Treaty-Override, der die Anwendung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften für bestimmte WG des BV beeinflusst (auch s Gosch, in Kirchhof, 16. Aufl, § 50i EStG Rn 2; s Liekenbrock, in F/W/B/S, § 50i EStG Rn 8).

Hintergrund für die Einführung des § 50i EStG ist die BFH-Rspr zur abkommensautonomen Auslegung des Begriffs Unternehmensgewinne in Art 7 OECD-MA, wonach vermögensverwaltende Tätigkeiten – ungeachtet zB einer gewerblichen Prägung oder Infizierung im nationalen StR – keine Unternehmensgewinne iSd Art 7 OECD-MA darstellen (s Urt des BFH v 28.04.2010, BStBl II 2014, 754; v 09.12.2010, BStBl II 2011, 482; v 04.05.2011, BStBl II 2014, 751; v 25.05.2011, BStBl II 2014, 760; v 24.08.2011, BStBl II 2014, 764). Die Fin-Verw griff für die Auslegung dieses Begriffs hingegen nach Art 3 Abs 2 OECD-MA auf nationales Recht zurück (s urspr Schr des BMF v 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Rn 1.1.5.1; später in Schr des BMF v 16.04.2010, 354, Rn 2.2.1).

Die Fin-Verw wendet die vorgenannte BFH-Rspr in allen offenen Fällen an (s Schr des BMF v 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Rn 2.2.1, 7 und 8). Als Folge dessen drohten "Steuerausfälle in Milliardenhöhe" (s BR-Drs 632/1/12, 18), da zB bei Wegzug/Sitzverlegung eines MU einer Pers-Ges iSd § 15 Abs 3 EStG ins Ausl aufgrund der bisherigen Verw-Praxis eine Entstrickungsbesteuerung für die WG des inl BV der Pers-Ges unterblieben ist, weil die Fin-Verw aufgrund der gew Prägung/Infizierung bei Pers-Ges vom Verbleib dieser WG in einer inl BetrSt iSd Art 5 OECD-MA des betreffenden MU ausging. Da Pers-Ges iSd § 15 Abs 3 EStG bei bloßen vermögensverwaltenden Tätigkeiten nach der BFH-Rspr aber keine Unternehmensgewinne iSd Art 7 OECD erzielen, können sie auch keine inl BetrSt iSd Art 5 OECD-MA begründen. Das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht hinsichtlich der WG des BV der Pers-Ges iSd § 15 Abs 3 EStG steht daher regelmäßig nach Art 13 Abs 5 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat des MU zu (ausgenommen bei inl unbeweglichen Vermögen iSd Art 6 OECD-MA, vgl Art 13 Abs 1 OECD-MA, und bei Anteilen an grundbesitzverwaltenden Kap-Ges, vgl Art 13 Abs 4 OECD-MA). Zur Verhinderung der sich aus dieser Anwendung des Art 13 Abs 5 OECD-MA ergebenden St-Ausfälle wurde mit § 50i EStG daher eine Regelung geschaffen, die die Besteuerung späterer Veräußerungs-/Entnahmegewinne in diesen Fällen ermöglichen soll.

Der Verlust des dt Besteuerungsrechts tritt hierbei ungeachtet der BFH-Rspr zur "Aufgabe" der finalen Entnahmetheorie (s Tz 226) auch hinsichtlich des Teils der stillen Reserven ein, die bis zum Zeitpunkt des Wegzugs/der Sitzverlegung entstanden sind. Die vorgenannte BFH-Rspr entspricht der von der OECD vertretenen Auff zur Gewinnabgrenzung bei Unternehmensgewinnen iSd Art 7 OECD-MA (Tz 228) und ist auf die Gewinnabgrenzung iRd Art 7 und 13 Abs 2 OECD-MA beschr. Sie gilt hingegen nicht bei vermögensverwaltender Tätigkeit iRd Art 13 Abs 5 OECD-MA.

 

Tz. 94b

Stand: EL 90 – ET: 06/2017

§ 50i EStG gilt für Pers-Ges iSd § 15 Abs 3 EStG (vgl § 50i Abs 1 S 1 EStG) sowie für Besitz-Pers-Ges und für Besitz-Einzelunternehmen einer Betriebsaufspaltung (vgl § 50i Abs 1 S 4 EStG). Damit gelten die Rechtsfolgen auch für an diesen Pers-Ges als MU beteiligte unbeschr und beschr KStpfl.

Der Begriff des Einzelunternehmens ist ges nicht definiert. Allgemein werden hierunter Unternehmen verstanden, die von einer einzelnen natürlichen Person betrieben werden (s Liekenbrock, in F/W/B/S, § 50i EStG Rn 132 mwNachw). UE ist nicht nachvollziehbar, weshalb, wenn eine Wohnsitzverlegung des Besitz-Einzelunternehmers aufgrund der BFH-Rspr zur abkommensautonomen Auslegung des Begriffs Unternehmensgewinne in Art 7 OECD-MA (s Tz 94a) zur Entstrickung geführt hat und daher die Anwendung des § 50i EStG für erforderlich gehalten wird, nicht Gleiches auch für die Sitzverlegung einer Besitz-Kap-Ges gelten soll. § 50i EStG sollte uE daher auch für kstpfl Besitzunternehmen bei sog kapitalistischer Betriebsaufspaltung gelten.

 

Tz. 94c

Stand: EL 90 – ET: 06/2017

Der in § 50i Abs 1 EStG angeordnete Treaty-Override hat unmittelbare Bedeutung für das Vorliegen der Entstrickungstatbestände in § 4 Abs 1 S 3 EStG und § 12 Abs 1 KStG. Liegen die Voraussetzungen des § 50i Abs 1 EStG vor, wird insoweit das Besteuerungsrecht der B-Rep abkommensrechtlich nicht mehr ausgeschlossen oder beschr (s Tz 300ff). Dh die Voraussetzungen für eine Entstrickungsbesteuerung liegen dann nicht (mehr) vor. Dies gilt nach der Neufassung des § 50i Abs 1 EStG durch das sog Anti-BEPS-Gesetzes (BGBl I 2016, 3000) nur noch dann, soweit – ungeachtet des Treaty-Overrides nach § 50i EStG – ein deutsches Besteuerungsrecht vor dem 01.01.2017 ausgeschlossen oder beschränkt worden ist (vgl §...

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