EuGH-Entscheidung in der Rs. C-288/22 – TP

[Ohne Titel]

RAin Dr. Alena Kirchinger[*]

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Gremientätigkeiten hat mit dem EuGH-Urteil C-288/22 – TP eine weitere Präzisierung erfahren. Der Beitrag gibt eine kurze Einordnung der Entscheidung und deren Auswirkungen auf das nationale Recht.

[*] RAin Dr. Alena Kirchinger, Passau.

1. Weitere Präzisierung durch den EuGH

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Gremientätigkeiten hat mit diesem EuGH-Urteil eine weitere Präzisierung erfahren. Eine natürliche Person, die Mitglied eines Gremiums einer Gesellschaft ist und für diese Tätigkeit eine Vergütung erhält, kann insoweit nicht als selbständig wirtschaftlich tätig angesehen werden als sie nicht im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung tätig wird und auch kein eigenes Gewinn- und Verlustrisiko trägt.[1]

[1] EuGH, Urt. v. 21.12.2023 – C-288/22 – TP, UR 2024, 55.

a) Nicht selbständige Tätigkeit auch bei variabler Vergütung des Gremienmitglieds möglich

Damit ist nun klargestellt, dass ein Gremienmitglied auch dann, wenn es eine variable Vergütung erhält, einer nicht selbständigen Tätigkeit nachgehen kann. Zuvor war dies vom BFH nur dann angenommen worden, wenn ein Gremienmitglied eine Fixvergütung erhält[2]. Ob dies dagegen auch bei variablen Vergütungen gilt, konnte der BFH im entschiedenen Fall offenlassen. Auch die Finanzverwaltung hat sich bisher nur dazu bekannt, dass die Selbständigkeit im umsatzsteuerrechtlichen Sinne fehlen kann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied oder ein Mitglied eines anderen Gremiums zu mind. 90 % eine Fixvergütung vereinnahmt.[3] Die erstinstanzlichen FG haben demgegenüber bereits früh eine weniger restriktive Auffassung vertreten. So hatte das FG Niedersachsen bereits in zwei Fällen zu Mitgliedern von Verwaltungsräten eines berufsständischen Versorgungswerks entschieden, dass diese nicht selbständig tätig sind.[4] Dabei ordnete das Gericht Sitzungsgelder, die von der Finanzverwaltung als variabler Vergütungsbestandteil eingeordnet werden, als unschädlich ein. Denn ein Vergütungsrisiko sei damit nicht verbunden, da die einzelnen Gremienmitglieder keinen wesentlichen Einfluss auf die Anzahl der Sitzungen haben.

[2] BFH, Urt. v. 27.11.2019 – V R 23/19 (V R 62/17), BStBl. II 2021, 542, UR 2020, 190 m. Anm. Küffner/Kirchinger; a.A. dagegen ein großer Teil der Literatur, vgl. z.B. v. Wallis, WPg 2020, 858 (862).

b) Handeln für eigene Rechnung und Tragen eines Gewinn- und Verlustrisikos als maßgebliche Kriterien

Beurteilung der konkreten Tätigkeit anhand der nationalen Rechtsvorschriften: Durch das neue Urteil des EuGH in der Rs. TP ist nun klargestellt, dass für die Einordnung als Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuerrechts alleine maßgeblich ist, ob das Gremienmitglied für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt sowie das Gewinn- und Verlustrisiko seines Tätigwerdens trägt. Die Prüfung eines Tätigwerdens im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung beurteilt sich dabei nach den nationalen Rechtsvorschriften über die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern und der betreffenden Gesellschaft.

Eine Gewinnchance alleine (d.h. ohne die Inanspruchnahme bei Verlusten) genügt nach dem EuGH ausdrücklich nicht, um von einem Gewinn- und Verlustrisiko auszugehen. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "wirtschaftliches Risiko" verweist der EuGH auch auf die Ausführungen der Generalanwältin. Diese hatte festgestellt, dass ein Verwaltungsratsmitglied, das eine variable Vergütung erhält im Ergebnis auch nur wie ein Aktionär am Erfolg der Gesellschaft partizipiere. Insofern sei sein Status vergleichbar zu einem Arbeitnehmer, der neben einem fixen Gehalt noch eine erfolgsabhängige variable Vergütung erhalte.

Relevanz der Entscheidung für deutsches Umsatzsteuerrecht: All diese Ausführungen lassen sich auf das deutsche Recht übertragen, so dass der Entscheidung des EuGH auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht Relevanz zukommt.

Keine Herleitung aus dem Grundsatz der Rechtsformneutralität, dass Vergütung nicht mehrwertsteuerpflichtig ist: Nicht eingegangen ist der EuGH auf die Ausführungen der Generalanwältin zum Grundsatz der Rechtsformneutralität.[5] Die Generalanwältin leitet aus dem Grundsatz der Rechtsformneutralität ab, dass die Vergütung, die für die Tätigkeit der gesetzlich vorgeschriebenen Organe von einem Steuerpflichtigen gezahlt wird, nicht ihrerseits der Mehrwertsteuer unterliegen dürfe. Andernfalls würden Wettbewerbsverzerrungen unter den Steuerpflichtigen drohen. Dass der EuGH hierzu nicht Stellung genommen hat, spricht nicht gegen diese Sichtweise. Sie war schlicht für die Beantwortung der vom Vorlagegericht gestellten Rechtsfrage nicht erheblich. Daher kann dieses Argument m.E. weiterhin ins Feld geführt werden.

[5] Siehe EuGH, Schlussanträge der GAin Kokott v. 13.7.2023 – C-288/22 – TP, Rz. 47 ff.

2. Fazit

Die Finanzverwaltung wird nun anerkennen müssen, dass es auf den Erhalt einer Fixvergütung zu einem Anteil von mind. 90 % nicht maßgeblich für den Unternehmerstatus an...

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