Mit Urteil vom 10.8.2022 gab das FG Münster der Klage statt – die Änderung eines DBA könne nicht zur Verwirklichung des Entstrickungstatbestandes nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG führen. Im Kern verfolgt dabei die finanzgerichtliche Instanz die nachfolgenden Argumentationslinien.

a) Gefährdung des Besteuerungsrechts ausreichend?

Kann Änderung des DBA überhaupt Ausschluss bzw. Beschränkung des Besteuerungsrechtes bewirken? Allem voran beschäftigt sich das FG mit der Frage, ob überhaupt der in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG geforderte Ausschluss bzw. die Beschränkung des Besteuerungsrechtes durch die Änderung des DBA Spanien eingetreten sein kann.

Zur Begründung führte das FG zunächst an, dass die Neufassung des DBA Spanien und der damit verbundene Wechsel vom ausschließlichen Besteuerungsrecht hin zu einer Besteuerung unter Anrechnung einer ausländischen Steuer nicht zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts führe – schließlich dürfe der deutsche Fiskus im Falle der Veräußerung weiterhin an dem Besteuerungssubstrat partizipieren.

Auch eine für steuerliche Zwecke gleich zu behandelnde Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sieht das FG Münster kritisch, da durch das Inkrafttreten des überholten DBA Spanien keine tatsächliche Veräußerung der Anteile an der Grundstückskapitalgesellschaft mit spanischer Steuerbelastung stattfand, so dass eine Anrechnung nach dem Wortlaut des DBA Spanien[40] in Deutschland obsolet sei.

Allenfalls Gefährdung des Besteuerungsrechtes: Das deutsche Besteuerungsrecht sei folglich durch das neue DBA Spanien allenfalls gefährdet. Der Begriff der Beschränkung des Besteuerungsrechts i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG müsste im vorstehenden Sinne weit zu fassen sein, um die genannte Gefährdung des Besteuerungsrechtes herbeizuführen.[41] Dies musste im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entschieden werden.

[40] Vgl. Art. 22 Abs. 2 lit. b, ii DBA Spanien.
[41] Zur Diskussion s. z.B. Reddig in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz. 213 (Okt. 2022).

b) Passive Entstrickung?

Kann passive Entstrickung überhaupt zu Ausschluss bzw. Beschränkung des Besteuerungsrechtes führen? Im Anschluss hatte das FG zu der Frage zu entscheiden, ob eine passive Entstrickung tatsächlich zu einem Ausschluss respektive einer Beschränkung des Besteuerungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland führen könne.

Systematische Erwägungen = aktive Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen fehlt: Aus dem systematischen Zusammenhang des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG im Normengefüge des § 4 Abs. 1 EStG leitete das FG Münster ab, dass der Tatbestand des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG schon deshalb nicht erfüllt sei, weil es an einer aktiven Handlung des Steuerpflichtigen fehle. Nach Auffassung des FG Münster sei die Entstrickung einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 EStG gleichzusetzen, für die es einer entsprechende Entnahmehandlung bedürfe. Die Änderung der Rechtslage in Gestalt des Neuabschlusses des DBA Spanien

  • sei jedoch ausschließlich auf die durch die Bundesrepublik Deutschland veranlasste Neuordnung des Besteuerungsrechts durch völkerrechtliche Verträge zurückzuführen und
  • könne dem Steuerpflichtigen somit nicht zugerechnet werden.

Gesetzeshistorische Erwägungen: Für die Begründung des hier diskutierten Urteils bedient sich das FG darüber hinaus an der Gesetzeshistorie. So wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG die durch die Rechtsprechung[42] entwickelte Theorie der finalen Entnahme gesetzlich regeln.[43] Nach dieser Theorie sah der BFH in der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte stets eine gewinnverwirklichende Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG – und somit die Notwendigkeit einer aktiven eigenen Handlung des Steuerpflichtigen.

Kein abweichender gesetzgeberischer Wille im Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 S. 4 EStG erkennbar: Ein abweichender Wille des Gesetzgebers könne schließlich auch nicht aus dem Regelbeispiel des § 4 Abs. 1 S. 4 EStG abgeleitet werden: nach dessen Wortlaut liege ein Ausschluss bzw. eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts insbesondere in Fällen der aktiven Entstrickung vor. Beachten Sie: Auch die Verwendung des Wortes "insbesondere" lasse nicht die Annahme zu, dass der Gesetzgeber eine passive Enstrickung gleichermaßen habe erfassen wollen.

Daran soll nach Auffassung des FG Münster auch die Begründung des Gesetzesentwurfs für das ATADUmsG[44]nichts ändern. Diese enthält einen Passus zum Ausgleichsposten des § 4g Abs. 1 EStG, der "[...] auch in Fällen einer sog. passiven Entstrickung gebildet werden [...]"könne.[45] Es handele sich hierbei zwar um eine "Klarstellung" des Gesetzgebers zur Erfassung der passiven Entstrickung, jedoch könne diese bei der Entstehung des ATADUmsG gefasste Intention nicht auf die im Streitjahr anzuwendende gesetzeshistorische Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG zurückwirken.

Europarechtswidrigkeit bei Subsumtion der passiven Entstrickung unter § 4 Abs. 1 S. 3 EStG: Abschließend wies der beurteilende Senat darauf hin, dass eine Subsumtion der passiven Entst...

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