[Ohne Titel]

Dipl.-Fw. Karl-Heinz Günther[*]

[*] Der Autor ist Regierungsdirektor a.D. und war stellvertretender Vorsteher bei einem Finanzamt.

I. Einleitung

Steuerrecht ist und bleibt kompliziert und damit streitanfällig. Die Anzahl der jährlich eingelegten Einsprüche und erhobenen Klagen sprechen da eine deutliche Sprache. Streitgegenstand ist dabei häufig noch nicht einmal die rechtliche Beurteilung an sich, sondern der der Besteuerung zugrunde zu liegende Sachverhalt. Insb. bei Problemen der Sachverhaltsbeurteilung bietet es sich jedoch an, das Gespräch mit dem FA ggf. bereits vor Erlass des Steuerbescheides, spätestens jedoch im Einspruchsverfahren zu suchen. Denn erfahrungsgemäß ergeben sich in einem persönlichen Gespräch häufig eher Gesichtspunkte für eine vielleicht doch einvernehmliche Lösung als dies bei bloßem schriftsätzlichen Austausch der Fall ist.

Im finanzgerichtlichen Verfahren stellt der Erörterungstermin eine Kommunikationsebene dar, die unbedingt genutzt werden sollte. Am Ende eines Erörterungsgesprächs kann dann auch eine tatsächliche Verständigung stehen, die die Beteiligten an das vereinbarte Ergebnis bindet.

Ansonsten sollte insb. bei geplanten Gestaltungen mit größeren oder dauerhaften steuerlichen Auswirkungen in Erwägung gezogen werden, sich im Vorfeld mit dem FA verbindlich abzustimmen.

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die sich bietenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, die sich aus der AO und der FGO ergeben und zeigt die sich hieraus ergebenden Konsequenzen auf.

II. Veranlagungs- und Einspruchsverfahren

1. Anhörung Beteiligter (§ 91 AO)

Der erste Einstieg zu einer gesprächsweise einvernehmlichen Regelung mit dem FA bietet § 91 AO. Dieser verpflichtet die Finanzverwaltung im Regelfall, bei Abweichung von einem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen, diesem vor Erlass des Verwaltungsaktes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bereits hier sollte in geeigneten Fällen überlegt werden, das Problem im Rahmen einer persönlichen Vorsprache an Amts Stelle zu erörtern. Insb. bei komplexen Sachverhalten macht dies Sinn, auch um vielleicht schon im Vorfeld zu eruieren, welche Rechtspositionen die Finanzverwaltung vertritt und ob bzw. in welchen Bereichen Einigungspotential besteht.

Beraterhinweis Weicht die Finanzverwaltung zu Lasten des Steuerpflichtigen von der Steuererklärung ab, ohne den Steuerpflichtigen vorher anzuhören, ist der Steuerbescheid dadurch zwar fehlerhaft, aber nicht nichtig, denn der Fehler kann durch eine nachgeholte Anhörung geheilt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 AO). Unterbleibt eine erforderliche Anhörung und enthält der Steuerbescheid auch keine Erläuterungen über die vorgenommenen Abweichungen, ist dies ein Wiedereinsetzungsgrund bei Versäumung der Rechtsbehelfsfrist (§ 126 Abs. 3 AO).

2. Erörterung des Sach- und Rechtsstandes (§ 364a AO)

Prozesskostenrisiko: Wurde gegen einen Verwaltungsakt Einspruch eingelegt und stehen sich beide Seiten mit gegensätzlichen Sichtweisen und Rechtsauffassungen gegenüber, stellt sich die Frage einer eventuellen gerichtlichen Klärung des Streitfalles. Dies birgt für beide Seiten ein im Vorhinein zu bedenkendes Prozesskostenrisiko:

  • der Steuerpflichtige trägt, falls er den Prozess verliert, sowohl seine Rechtsvertretungs- als auch die Gerichtskosten;
  • die Finanzverwaltung ist zwar gerichtskostenfrei, muss aber gleichwohl bei Unterliegen die Rechtsvertretungskosten der Gegenseite tragen.

Kernaussagen des § 364a AO: Die Risiken eines FG Prozesses vor Augen sollte daher der Steuerberater die Möglichkeit der Erörterung des Sach- und Rechtsstandes nach § 364a AO in Betracht ziehen. Diese Vorschrift trägt folgende Kernaussagen:

  • Auf Antrag des Einspruchsführers soll die Finanzbehörde vor Erlass einer Einspruchsentscheidung den Sach- und Rechtsstand erörtern.
  • Die Finanzbehörde kann auch ohne Antrag eines Einspruchsführers diesen und weitere Beteiligte zu einer Erörterung laden.
  • Die Beteiligten können sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

Streitiger Sachverhalt: § 364a AO betrifft in erster Linie Einsprüche, die – häufig durch die Außenprüfstellen (Amtsbetriebsprüfung, Großbetriebsprüfung, Steuerfahndung) verursacht – zu Streitigkeiten über den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt führen. Die daran anknüpfende Rechtsfolge ist für beide Seiten in aller Regel unstreitig, aber man ist uneins, ob der Sachverhalt tatsächlich so ist, wie er vom FA (den Prüfungsdiensten) angenommen und der Besteuerung zugrunde gelegt wurde.

Die in Betracht kommenden Problemstellungen sind vielgestaltig, ob es nun um Kostenabgrenzungen, um Vertragsauslegung, um einen Betriebsausgabenabzug rechtfertigende Vorgänge, um im Schätzwege zu ermittelnde Besteuerungsgrundlagen oder um die Zuschätzung von Einnahmen geht. Der Katalog lässt sich beliebig erweitern.

Zuständigkeit der Rechtsbehelfsstelle: Ist auf der Ebene des Veranlagungsbezirks bzw. der veranlagenden Betriebsprüfung keine Einigung zu erzielen, wird der Fall amtsintern an die Rechtbehelfsstelle abgegeben. Dieses Verfahren bietet jedoch vor dem Hintergrund von § 364a AO und der auch der Rechtsbehel...

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