Prozesskostenrisiko: Wurde gegen einen Verwaltungsakt Einspruch eingelegt und stehen sich beide Seiten mit gegensätzlichen Sichtweisen und Rechtsauffassungen gegenüber, stellt sich die Frage einer eventuellen gerichtlichen Klärung des Streitfalles. Dies birgt für beide Seiten ein im Vorhinein zu bedenkendes Prozesskostenrisiko:

  • der Steuerpflichtige trägt, falls er den Prozess verliert, sowohl seine Rechtsvertretungs- als auch die Gerichtskosten;
  • die Finanzverwaltung ist zwar gerichtskostenfrei, muss aber gleichwohl bei Unterliegen die Rechtsvertretungskosten der Gegenseite tragen.

Kernaussagen des § 364a AO: Die Risiken eines FG Prozesses vor Augen sollte daher der Steuerberater die Möglichkeit der Erörterung des Sach- und Rechtsstandes nach § 364a AO in Betracht ziehen. Diese Vorschrift trägt folgende Kernaussagen:

  • Auf Antrag des Einspruchsführers soll die Finanzbehörde vor Erlass einer Einspruchsentscheidung den Sach- und Rechtsstand erörtern.
  • Die Finanzbehörde kann auch ohne Antrag eines Einspruchsführers diesen und weitere Beteiligte zu einer Erörterung laden.
  • Die Beteiligten können sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

Streitiger Sachverhalt: § 364a AO betrifft in erster Linie Einsprüche, die – häufig durch die Außenprüfstellen (Amtsbetriebsprüfung, Großbetriebsprüfung, Steuerfahndung) verursacht – zu Streitigkeiten über den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt führen. Die daran anknüpfende Rechtsfolge ist für beide Seiten in aller Regel unstreitig, aber man ist uneins, ob der Sachverhalt tatsächlich so ist, wie er vom FA (den Prüfungsdiensten) angenommen und der Besteuerung zugrunde gelegt wurde.

Die in Betracht kommenden Problemstellungen sind vielgestaltig, ob es nun um Kostenabgrenzungen, um Vertragsauslegung, um einen Betriebsausgabenabzug rechtfertigende Vorgänge, um im Schätzwege zu ermittelnde Besteuerungsgrundlagen oder um die Zuschätzung von Einnahmen geht. Der Katalog lässt sich beliebig erweitern.

Zuständigkeit der Rechtsbehelfsstelle: Ist auf der Ebene des Veranlagungsbezirks bzw. der veranlagenden Betriebsprüfung keine Einigung zu erzielen, wird der Fall amtsintern an die Rechtbehelfsstelle abgegeben. Dieses Verfahren bietet jedoch vor dem Hintergrund von § 364a AO und der auch der Rechtsbehelfsstelle obliegenden Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung von Amtswegen (§ 88 AO) durchaus die Möglichkeit einer einvernehmlichen Einspruchserledigung und damit der Vermeidung eines für beide Seiten kosten- und zeitintensiven Finanzgerichtsverfahrens.

Die Rechtbehelfsstelle ist zwar auch "Teil des FA". Aber die dort eingesetzten Bearbeiter/Sachgebietsleiter sind vom bisherigen, vielleicht auch emotional geprägten Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht tangiert und können sich der Streitsache unbefangen nähern. Hinzu kommt, dass gerade die Rechtsbehelfsstelle aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung im Umgang mit den Finanzgerichten sehr schnell die Schwachstellen von Fällen erkennt, die vielleicht ein vollständiges oder teilweises Obsiegen im Gerichtsverfahren zumindest fraglich erscheinen lassen.

Beraterhinweis Wenn hier von der Möglichkeit des § 364a Abs. 1 S. 3 AO Gebrauch gemacht wird, kann die Gesprächsleitung durch vom bisherigen Verlauf des Einspruchsverfahrens persönlich nicht betroffene Personen eher zu einer einigungsbereiten Gesprächsatmosphäre führen. Auch stehen in Schriftsätzen verhärtete Positionen im persönlichen Gespräch oft in einem anderen Licht, so dass sich im Verlauf eines solchen Gesprächs oft eine für beide Parteien akzeptable Einigungsebene eröffnet. Häufig wird beiden Parteien erst im Laufe der Diskussion klar, wie "unsicher" sich die jeweils vertretene Position darstellt und führt dann zu der beiderseitigen Erkenntnis, dass es wohl besser sein könnte, sich zu einigen, als das vielleicht doch zuvor optimistischer eingeschätzte Risiko eines Finanzgerichtsprozesses einzugehen.

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