Stellungnahme zur „vorübergehenden Abwesenheit” im Kontext der Wegzugsbesteuerung

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. (FH) Sergej Müller, M.A. Taxation, StB, FBf Internationales Steuerrecht[*]

Die Wegzugsbesteuerung i.S.d. § 6 AStG greift ein, sobald u.a. eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder des inländischen gewöhnlichen Aufenthaltes eintritt. In manchen Konstellationen sind die Wegzüge jedoch nur vorübergehender Natur, so dass die Vorschrift in § 6 Abs. 3 AStG eine Rückkehrregelung für die Fälle einer nur vorübergehenden Abwesenheit enthält. Ob eine Absicht zur Rückkehr bereits bei Wegzug bestanden haben muss, hatte der BFH in einer aktuellen Entscheidung (BFH v. 21.12.2022 – I R 55/19, GmbH-StB 2023, 163 [Schimmele] [in dieser Ausgabe]) zu klären. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit dem Tatbestand der Wegzugsbesteuerung und der Rückkehrregelung und nimmt Bezug auf das o.g. BFH-Urteil.

[*] Der Autor ist Mitarbeiter bei der INFOB Prof. Dr. Bäuml PartGmbB Steuerberatungsgesellschaft in Ingelheim am Rhein.

I. Einleitung

Wer einen Anteil i.S.d. § 17 EStG hält und inter alia seinen inländischen Wohnsitz aufgibt, der sieht sich mit dem Tatbestand der Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG konfrontiert. Die Rechtsfolge der Wegzugsbesteuerung ist die Besteuerung eines Dry Incomes – sprich: die Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt des Wegzugs.

Dabei erfasst der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung auch solche Wegzüge, bei denen eine Verlagerung des Besteuerungsrechtes[1] gerade nicht im Vordergrund steht. Hierbei sei etwa an

  • beruflich veranlasste Wegzüge oder
  • die zeitweise Versetzung ins Ausland gedacht.

In diesem Regelungszusammenhang hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 3 AStG eine Ausnahme für solche Fälle vorgesehen, in denen die Abwesenheit nur vorübergehender Natur ist.

Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit der Frage,

  • wann dem Grunde nach der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung erfüllt ist und
  • wie sich die Anomalie der vorübergehenden Abwesenheit – auch im Kontext der jüngeren Rechtsprechung[2] – in dieses Rechtskonstrukt einfügt.
[1] S. dazu auch BT-Drucks. VI/2883, 18.
[2] BFH v. 21.12.2022 – I R 55/19, DB 2023, 1005 = GmbH-StB 2023, 163 (Schimmele) (in dieser Ausgabe).

II. Tatbestand und Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung

1. Einführende Überlegungen

Der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung erfordert nach Neufassung durch das ATADUmsG[3] zunächst eine unbeschränkte Steuerpflicht. Diese ergibt sich aus der Definition in § 6 Abs. 2 AStG und verlangt dem Grunde nach

  • eine unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG – d.h. einen inländischen Wohnsitz nach § 8 AO bzw. einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO
  • innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug
  • für mindestens sieben Jahre.
  • Daneben ist erforderlich, dass der Wegziehende einen Anteil nach § 17 EStG hält, sprich eine im Privatvermögen gehaltene mindestens 1%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.

Schließlich muss die unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG) enden.

Alternativ erfasst § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG die unentgeltliche Übertragung der vorgenannten Beteiligung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person.

Subsidiär[4] ist die Wegzugsbesteuerung in solchen Fällen relevant, in denen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus einer späteren Anteilsveräußerung ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG ).

[3] BGBl. I 2021, 2035.
[4] Müller, EStB 2022, 353.

2. Rechtsfolge

Fiktion der Veräußerung zum gemeinen Wert: Als Rechtsfolge fingiert § 6 Abs. 1 S. 1 AStG die Veräußerung der Beteiligung zum gemeinen Wert, um als ultima ratio das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zu sichern.[5]

Vermeidungsstrategien im Wegzugszeitpunkt: In einigen Fällen lassen sich Vermeidungsstrategien im Wegzugszeitpunkt definieren, die das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland auch nach Wegzug sichern sollen.[6] Beachten Sie: Soweit solche Strategien – etwa aufgrund der jeweiligen individuellen Verhältnisse oder unter Berücksichtigung der konkreten Prämissen – nicht zielführend erscheinen, so kann auf Antrag eine Stundung der Wegzugssteuer herbeigeführt werden.

Stundung auf Antrag: Seit dem ATADUmsG ist infolge der sog. One-Fits-All-Regelung[7] eine einheitliche Stundung für sieben Jahre gem. § 6 Abs. 4 S. 1 AStG denkbar – unabhängig davon, ob ein Wegzug innerhalb der Europäischen Union respektive des Europäischen Wirtschaftsraums[8] oder in Drittstaaten erfolgt.[9] Beachten Sie: Diese Stundung

Beraterhinweis Neben der Stundung des § 6 Abs. 4 AStG kann in besonderen Situationen auch eine Argumentation über eine nur vorübergehende Abwesenheit nach § 6 Abs. 3 AStG relevant werden.

[5] Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2023, Kapitel 6 Rz. 406.
[6] S. dazu auch Müller, IWB 2021, 930; ausführlich zur alten Rechtslage: Häck in Flick/Wassermeyer/B...

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