Die Rechtssache stellt im Kern auf die Frage ab, ob und wann eine rechtlich selbstständige Gesellschaft eine feste Niederlassung eines anderen, ausländischen Unternehmens im Steuergebiet begründen kann. Der Urteilssachverhalt betrifft konkret Leistungen, die eine rumänische Konzerngesellschaft ("Adient RO") an eine deutsche Konzerngesellschaft ("Adient DE") erbringt, und die in Rumänien wegen einer angenommenen festen Niederlassung nachträglich umsatzsteuerpflichtig werden sollen. Hierzu stellt das nationale Gericht dem EuGH zahlreiche sehr detaillierte Fragen.

Die GAin Kokott geht auf diese im Schlussantrag vom 1.2.2024 ausführlich ein und versucht zugleich eine Einordnung in den Kontext der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes. Im Folgenden sollen nur die fundamentalen Aussagen näher betrachtet werden.

Insbesondere kommt GAin Kokott zu dem Ergebnis, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat durch eine andere Konzerngesellschaft keinesfalls nur aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verflechtung begründet werden könne. Ebenso reiche ein "komplexer Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen" nicht für die Entstehung einer solchen Niederlassung aus. Dabei spiele es keine Rolle, was für Ausgangsumsätze erbracht würden, oder wo die Leistungen verbraucht würden.[3]

Feste Niederlassung nur, wenn diese das Stammhaus ersetzen kann: Vielmehr könne eine feste Niederlassung nach Art. 44 S. 2 MwStSystRL nur vorliegen, wenn diese das in einem anderen Mitgliedstaat belegene Stammhaus ersetze. Damit ein Vertrag mit einem Dienstleistungserbringer eine solche Niederlassung begründen könne, müsse er "auf die Überlassung des notwendigen Personals und/oder auf die Überlassung der nötigen Sachmittel gerichtet sein, damit der Leistungsempfänger ähnliche Dienstleistungen oder Lieferungen vor Ort (d.h. am Ort der festen Niederlassung) wie von einem Stammhaus aus erbringen"[4] könne. Dies entspricht grundsätzlich der bisherigen EuGH-Rechtsprechung[5] – wobei GAin Kokott deutlich macht, dass hierfür irrelevant sei, ob beide Gesellschaften Teil einer Unternehmensgruppe sind.[6]

GAin Kokott setzt sich näher mit der EuGH-Entscheidung in der Rs. "DFDS"[7] auseinander. In diesem Urteil kam der EuGH 1997 zu dem Ergebnis, dass eine abhängige Konzerngesellschaft in Großbritannien, die für eine andere, dänische Konzerngesellschaft Reiseleistungen an britische Verbraucher verkauft hatte, eine feste Niederlassung der dänischen Konzerngesellschaft begründete. Im Schlussantrag wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung das Sonderregime für Reiseleistungen betroffen habe, es nicht auf das Empfangen, sondern bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf das Erbringen von Leistungen angekommen sei, und der Gerichtshof später bereits entschieden habe, dass eine hundertprozentige Tochtergesellschaft eine selbstständige Steuerpflichtige sei.[8] Auch habe ein "Steuersparmodell" vorgelegen.[9]

Nach Auffassung der GAin seien die Ausführungen des EuGH in "Dong Yang"[10], es "könne nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Muttergesellschaft ... für die Zwecke der Ausübung einer solchen Tätigkeit gehaltene Tochtergesellschaft eine feste Niederlassung dieser Muttergesellschaft in einem Mitgliedstaat der Union im Sinne von Art. 44 ... darstellt", missverständlich und sie widersprächen dem Grundsatz der Rechtssicherheit.[11] Der Gerichtshof habe später klargestellt, dass es für das Bestehen einer festen Niederlassung auf die wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten ankomme, nicht aber auf eine eventuelle Tochtergesellschaft.[12]

"Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" als gut geeignetes Kriterium: Die GAin kommt unter Verweis auf die Schlussanträge in "Welmory"[13] zu der Schlussfolgerung, dass der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als Anknüpfungspunkt ein objektives, einfaches und praktisches Kriterium sei, das eine große Rechtssicherheit biete.[14] Dieser Ansatz steht im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung.[15]

Grundsätzlich sei das Prinzip der Verbrauchsbesteuerung zu beachten. In einer Umsatzkette mit mehreren vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen, wie vorliegend, entscheide allein der Leistungsort des letzten Umsatzes darüber, welcher Mitgliedstaat das Steueraufkommen erhalte.[16] Es sei irrelevant, ob bei einer Leistungskette das Ergebnis von einzelnen Dienstleistungen auch im jeweiligen Mitgliedstaat "verbraucht" werde.[17]

Einzig bei einem Rechtsmissbrauch seien abweichende Zuordnungen denkbar. Hierfür gebe es aber vorliegend keine Anhaltspunkte. Der komplexe Dienstleistungsvertrag sei nicht nur auf dem Papier geschlossen, sondern werde tatsächlich ausgeführt. Insbesondere liege, anders als in der Rechtssache "DFDS"[18], kein Steuersparmodell vor.[19] Selbst wenn rumänische Mehrwertsteuer an Adient DE zu berechnen wäre, sei diese voll als Vorsteuer abziehbar.[20]

Im Kern sei eine Besteuerung nach dem Ort der Niederlassung dann geboten, wenn diese im konkreten Fall an die Stelle des Stammhause...

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