Verhältnis von Pflichtteilsstrafklauseln und Schlusserbeneinsetzung

An einer ernsthaften Geltendmachung des Pflichtteils fehlt es, wenn der Berechtigte den Pflichtteil nicht durch anwaltliches Schreiben anmahnt, sondern alsbald erklärt, die Ansprüche zurückzuziehen, nachdem ihm eine Kopie des die Pflichtteilsstrafklauseln enthaltenen Testament übersandt worden war.

OLG Hamm v. 29.3.2022 – 10 W 91/20
ErbStB 2023, 14
Auslegung des Begriffs "Bargeld" als Vermächtnisanordnung i.R. einer letztwilligen Verfügung

1. Wendet der Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode vorhandene Bargeld zu, ist eine Auslegung wonach dieses Bargeld auch leicht verfügbares Bankguthaben erfasst möglich aber nicht zwingend.

2. Es gibt keine Regel, nach dem unter dem Begriff Bargeld zwangsläufig auf den Bankkonten verbliebende Geld umfasst wird.

OLG München v. 5.4.2022 – 33 U 1473/21
ErbStB 2023, 36
Testamentsauslegung: Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung

Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.

BGH v. 13.9.2022 – IV ZB 34/21
ErbStB 2023, 76
Ausschluss der Teilungsversteigerung aufgrund eines letztwillig verfügten Teilungsverbots

1. Sofern der Erblasser die Auseinandersetzung von Nachlassgrundstücken im Wege der Teilungsversteigerung in Bezug auf den Nachlass oder den einzelnen Nachlassgegenständen eine Verfügung von Todes wegen für immer oder auf Zeit ausgeschlossen hat, kann diese nur verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

2. Im Rahmen der Testamentsauslegung ist festzustellen, ob es sich bei der Anordnung des Erblassers nur um einen rechtlich unverbindlichen Wunsch oder ein Teilungsverbot handelt.

3. Eine testamentarische Regelung nach der die Töchter und Enkel den Grundbesitz bei Einstimmigkeit jederzeit beleihen oder verkaufen können, lässt die Vorstellung des Erblassers erkennen, dass Grundbesitz, der nicht verkauft wird, über die Generationen der Enkel hinaus in der Familie verbleiben soll.

OLG Karlsruhe v. 9.2.2022 – 11 U 7/21
ErbStB 2023, 109
Änderungsvorbehalt bei Ehegattentestament

Bestimmen die Eheleute in einem gemeinsamen Testament, "dass der letztversterbende berechtigt ist, dass das Testament noch einseitig abzuändern, jedoch nur in dem die Verteilung dessen Nachlasses unter den Kindern anders geregelt wird" kann diese Abänderungsbefugnis dahingehend ausgelegt werden, dass eines der Kinder das gesamte Erbe enthält. Denn dabei handelt es sich strenggenommen auch um einen "andere Verteilung" des Nachlasses.

OLG Hamm v. 5.5.2022 – 10 W 40/21
ErbStB 2023, 146
Hemmung der Abschmelzungsfrist bei vorbehaltenem Wohnungsrecht

1. Das dem Erblasser eingeräumte Wohnungsrecht hemmt im vorliegenden Einzelfall den Beginn der Abschmelzungsfrist gem. § 2325 Abs. 3 BGB, weil es an allen relevanten Räumen des verschenkten Hauses besteht, so dass der Erwerber insoweit keine eigene Nutzungsmöglichkeit hatte (Anschluss an BGH v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15).

2. In einem solchen Fall sind die Unterschiede zwischen einem vorbehaltenen Nießbrauch und dem tatsächlich vereinbarten Wohnungsrecht so gering, dass die Interessen des Pflichtteilsberechtigten es rechtfertigen, den Lauf der Frist gem. § 2325 Abs. 3 BGB als gehemmt anzusehen (Anschluss an BGH v. 19.7.2017 – X ZR 140/10).

OLG München v. 8.7.2022 – 33 U 5525/21
ErbStB 2023, 210
Streit nach Erwerb kraft Bezugsrechts auf den Todesfall

Steht einer dritten Person das Bezugsrecht auf die Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung zu, erwirbt sie den Anspruch auf die Versicherungsleistung originär mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Dessen Erben können dies nicht verhindern, aber ggf. dafür sorgen, dass ein Schenkungsvertrag nicht zustande kommt. Dann hat der/die Begünstigte den Anspruch auf die bzw. die ihm bereits ausgezahlte Versicherungssumme zivilrechtlich ohne Rechtsgrund erworben.

LG Frankenthal v. 27.9.2022 – 8 O 165/22
ErbStB 2023, 266

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