1. Kein Suspensiveffekt

§ 361 Abs. 1 AO stellt klar, dass durch die Einlegung des Einspruchs die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht gehemmt und insb. die Erhebung einer Abgabe nicht suspendiert wird. Unter den Voraussetzungen des Abs. 2 ist jedoch die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde möglich.

2. Zuständige Behörde

Zuständig ist das FA, das den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Ein zwischenzeitlich eingetretener Zuständigkeitswechsel betrifft grundsätzlich auch das Aussetzungsverfahren (§ 367 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 26 S. 2 AO; AEAO zu § 361, Nr. 3.3).

3. Aussetzung von Amts wegen/auf Antrag

Die zuständige Finanzbehörde kann gem. § 361 Abs. 2 S. 1 AO die Vollziehung auch ohne Antrag aussetzen. Diese Entscheidung liegt in ihrem Ermessen. Von dieser Möglichkeit hat sie insb. dann Gebrauch zu machen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich begründet ist, der Abhilfebescheid aber voraussichtlich nicht mehr vor dem Fälligkeitszeitpunkt der festgesetzten Steuer ergehen kann (AEAO zu § 361, Nr. 2.1).

Die weit überwiegende Zahl der Fälle ist allerdings in § 361 Abs. 2 S. 2 AO geregelt. Hiernach soll die Finanzbehörde die Vollziehung auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Beraterhinweis Wenn der Steuerpflichtige die Aussetzung beantragt und die in § 361 Abs. 2 S. 2 AO genannten Aussetzungsgründe vorliegen, reduziert sich das Ermessen der Finanzbehörde im Regelfall zu einer Aussetzungspflicht (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 361 AO Rz. 4).

4. Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO

a) Vollziehbarer Verwaltungsakt

Die Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung ergeben sich aus § 361 Abs. 2 AO. Zunächst muss ein vollziehbarer Verwaltungsakt vorliegen, also ein belastender Bescheid, durch welchen eine Verpflichtung festgesetzt oder ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt wird.

Vollziehbar sind insb. (vgl. auch AEAO zu § 361, Nr. 2.3.1):

  • Steuerbescheide, die eine (positive) Steuer festsetzen,
  • Steuerbescheide über 0 EUR, die einen vorhergehenden Steuerbescheid über einen negativen Betrag ändern,
  • Steueranmeldungen (Steueranmeldungen stehen gem. § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich),
  • Grundlagenbescheide,
  • Haftungsbescheide (vgl. hierzu Balmes/Ambroziak, AO-StB 2009, 244),
  • Vorauszahlungsbescheide bis zum Erlass des Jahressteuerbescheides,
  • Bescheide, mit denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird,
  • Außenprüfungsanordnungen,
  • Rückforderungsbescheide,
  • Umsatzsteuerbescheide,
  • der Widerruf einer Stundung

Gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt kann dagegen, wie bereits erwähnt, vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung gem. § 114 FGO gewährt werden.

Nicht vollziehbar sind insb.:

  • erstmalige Steuerbescheide über 0 EUR (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.3.2),

Verwaltungsakte, durch welche der Erlass oder die Korrektur eines Verwaltungsaktes abgelehnt werden, z.B. die Ablehnung eines Änderungsbescheides, die Ablehnung der Herabsetzung bestandskräftig festgesetzter Vorauszahlungen, die Ablehnung einer Stundung oder eines Erlasses, die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme i.S.d. § 163 AO.

Beraterhinweis Auch die Vollziehung von Grundlagenbescheiden (u.a. auch Feststellungs- und Steuermessbescheiden) kann unter den allgemeinen Voraussetzungen ausgesetzt werden. Dies gilt auch für negative Grundlagenbescheide, beispielsweise für die Ablehnung der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte oder für die Ablehnung eines Verlustfeststellungsbescheides (AEAO zu § 361, Nr. 5.1 ff.).

Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung, § 361 Abs. 2 S. 3 AO (s.u. unter 8.).

b) Angefochtener Verwaltungsakt

Die Aussetzung der Vollziehung setzt ferner voraus, dass der Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll, angefochten und das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Eine Ausnahme bilden lediglich die Folgebescheide i.S.d. § 361 Abs. 3 S. 1 AO, welche bei Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides ebenfalls von der Vollziehung auszusetzen sind.

Beraterhinweis Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung muss allerdings nicht zeitgleich mit dem Einspruch gestellt werden, sondern ist auch dann noch statthaft, wenn sich die Hauptsache bereits im finanzgerichtlichen Stadium befindet (Mack, AO-StB 2001, 85; Groß, StuB 2006, 459).

Wird der Rechtsbehelf gegen den zugrunde liegenden Verwaltungsakt zurückgenommen oder erledigt er sich auf andere Weise (insb. durch eine unanfechtbare Rechtsbehelfsentscheidung), endet die Aussetzung der Vollziehung, ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedarf. Dementsprechend setzt die Aussetzung der Vollziehung nicht nur die Einlegung eines Rechtsbehelfs, sondern auch seine Anhängigkeit voraus (Rätke in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 361 Rz. 67).

Die Aussetzung der Vollziehung kann jedoch auch früher enden und befristet werden, beispielsweise bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens.

Nach...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge