Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Besonderheiten der Verlustübernahmeforderung beim Organgesellschaftsverlust soll am folgenden Fallbeispiel veranschaulicht werden:

 

Beispiel 1

A überträgt schenkweise seinen Kommanditanteil an der OT GmbH & Co. KG (Organträger) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge m.W. zum 1.2.2003. Im Wirtschaftsjahr 2022 ergab sich bei der OG-1 GmbH ein handels- und steuerbilanzieller Verlust i.H.v. 1 Mio. EUR vor Verlustübernahme. In 2021 erzielte die OG-1 GmbH aus Vereinfachungsgründen ein ausgeglichenes Betriebsergebnis ohne Gewinnauswirkungen des Ergebnisabführungsvertrags (EAV) und der eigene Handels- und Steuerbilanzgewinn betrug aus Vereinfachungsgründen 0 EUR. Der gemeine Wert des Kommanditanteils beträgt 10 Mio. EUR (= Substanzwert).

Der BFH hat im Urteil vom 2.11.2022 entschieden, dass die zutreffende Bilanzierung der Verlustübernahmeforderung der Organgesellschaft ggü. dem Organträger als Aktivposten und korrespondierenden Passivposten in den jeweiligen Jahresabschlüssen unabdingbare Voraussetzung für die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG ist (BFH v. 2.11.2022 – I R 37/19, BStBl. II 2023, 409 Rz. 16–17, 20 = GmbH-StB 2023, 96 [Schimmele]).

Aus erbschaft- und schenkungsteuerlichem Blickwinkel führen diese vorgreiflichen Grundsätze zur bilanziellen Erfassung des Verlustausgleichsanspruchs der Organgesellschaft entspr. § 302 Abs. 1 AktG konsequenterweise zu den Fragen,

  • ob dieser Bilanzansatz dem Grunde nach auf eine Einlage von Finanzmittelvermögen i.S.v. § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG zurückzuführen ist und
  • ggf. wann dieser Einlagetransfer in zeitlicher Hinsicht im Hinblick auf den Zwei-Jahres-Zeitraum für das Vorliegen junger Finanzmittel stattfindet sowie
  • welche Bedeutung der Verbundvermögensaufstellung nach § 13b Abs. 9 ErbStG diesbezüglich für die Beurteilung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen verbundenen Unternehmen zukommt.

Die Verlustübernahmeforderung der Organgesellschaft aus § 302 Abs. 1 AktG ist als Geldforderung zu qualifizieren (Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, Stand: 5/2023, § 14 KStG Rz. 446, Neumann in Gosch, 4. Aufl. 2020, § 14 KStG Rz. 321 m. Hinw. auf BGH v. 16.6.2015 – II ZR 384/13 Rz. 22, GmbH-StB 2015, 252 [Podewils]: "Der Anspruch auf Verlustausgleich ist eine Geldforderung") und erfüllt damit als Forderung ggü. verbundenen Unternehmen gem. § 266 Abs. 2 B. II. Nr. 2 HGB auf dieser Beteiligungsstufe die Finanzmitteleigenschaft gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG (R E 13b.23 Abs. 2 6. Spiegelstrich ErbStR 2019).

Die durch den Bilanzansatz für den Verlustübernahmeanspruch bei der Organgesellschaft verursachte Betriebsvermögenserhöhung ist m.E. auch durch eine Einlage veranlasst, weil es sich bei der gewinnwirksamen Einbuchung der Verlustübernahmeforderung als "Erträge aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages" gem. § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB um eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Vermögenszuführung des Organträgers an die Organgesellschaft als Folge des Gewinnabführungsvertrags handelt (so wohl auch: Korezkij in BeckOK/ErbStG, Stand: 1.1.2023, § 13b Rz. 288.6). Ohne eine organschaftliche Vertragsverpflichtung i.S.v. § 302 AktG bestünden nämlich keine Zweifel an einer Einlage des beherrschenden Gesellschafters durch eine Leistung an die Gesellschaft zur eigenkapitalerhöhenden Verlustkompensation.

Bei der Anteilsbewertung für die Beteiligung an der Organgesellschaft nach den Grundsätzen des vereinfachten Ertragswertverfahrens stützt die Verwaltung zudem die Kürzung des Betriebsergebnisses um den Ertrag aus Verlustübernahmen des Organträgers auf § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BewG (R B 11.4 Abs. 5 Satz 4 ErbStR 2019), so dass augenscheinlich eine Vermögenserhöhung mit gesellschaftsrechtlichen Bezug geschlussfolgert wird, die typischerweise verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen betrifft (R B 202 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 ErbStR 2019). Der gleichlautende Ländererlass vom 13.10.2022 bringen neuerdings die Verwaltungsauffassung einer erweiterten steuerartspezifischen Einlageinterpretation zum Ausdruck, indem als Einlagevorgang i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG allgemein alle Zuführungen von Finanzmitteln zum Unternehmensvermögen durch Gesellschafter zu verstehen sind und mithin von einer modifizierten Einlagedefinition auszugehen ist (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 13.10.2022 – S 3812b, BStBl. I 2022, 1517 Rz. 34–35). Der Einlagebegriff aus § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG erfasst auch konzerninterne Einlagen zwischen verbundenen Unternehmen für die Annahme junger Finanzmittel (R E 13b.29 Abs. 3 Satz 1–4 ErbStR 2019), weil die Identifizierung jungen Verwaltungsvermögens und junger Finanzmittel restriktiv einer betriebsbezogenen Betrachtungsweise folgt, ohne dass hierfür eine teleologische Reduktion der Besteuerungsfolge in Betracht kommt (BFH v. 22.1.2020 – II R 41/18, BStBl. II 2020, 577 Rz. 26–30 = EStB 2020, 386 [Günther]: keine teleologische Reduktion des Tatbe...

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