BFH-Rechtsprechung: Mit Urteil vom 16.3.2021 hielt der BFH ausdrücklich fest, dass aktive Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden sind. Denn weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lasse sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen.[12] Diese Entscheidung war auch auf passive RAP zu übertragen.

Steuerliche Wesentlichkeitsgrenze: Mit § 5 Abs. 5 S. 2 EStG wird für Wirtschaftsjahre (WJ), die nach dem 31.12.2021 enden, nunmehr die Rechtsgrundlage für eine Wesentlichkeitsgrenze geschaffen. Hiernach kann der Ansatz eines RAP unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 S. 1 EStG von derzeit 800 EUR nicht übersteigt.

Beachten Sie: Das Wahlrecht zum Verzicht auf eine RAP-Bildung kann nur einheitlich für alle Abgrenzungsfälle und damit für alle dem Wahlrecht unterliegenden Einnahmen und Ausgaben ausgeübt werden.

Handelsrechtliche Wesentlichkeitsgrenze: Handelsrechtlich gibt es keine festen Größen zur Quantifizierung einer Wesentlichkeitsgrenze. Vorrangig auf die qualitativen Aspekte ist insbesondere dann abzustellen, wenn eine Abweichung von den Regeln dazu führt oder bewusst ausgenutzt wird,

  • um einen Verlust in einen Gewinn umzukehren,
  • um die Änderung eines Trends zu verschleiern,
  • um Analysten- oder Bankvorgaben einzuhalten sowie
  • um Zielvorgaben zur Gewährung eines Bonus für das Management zu erreichen.[13]

In diesen Fällen kann der Verzicht auf den Ansatz von (zahlreichen) geringwertigen RAP geboten sein.

Beraterhinweis § 5 Abs. 5 S. 2 EStG ist ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht. Es kann unabhängig von der handelsrechtlichen Bilanzierung ausgeübt werden. Führt die Ausübung des Wahlrechts zu einem vom maßgeblichen handelsrechtlichen Wert abweichenden Ausweis in der steuerlichen Gewinnermittlung, so ist dies für eine wirksame Wahlrechtsausübung in einem besonderen, laufend zu führenden Verzeichnis nach § 5 Abs. 1 S. 2, 3 EStG zu dokumentieren.

[12] BFH v. 16.3.2021 – X R 34/19, BStBl. II 2021, 844 = EStB 2021, 453 (Glanemann). Kritisch hierzu Prinz, FR 2021, 961.
[13] Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 252 Rz. 236–238.

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