Entscheidungsstichwort (Thema)

Inkompatibilität von freiberuflicher Steuerberaterpraxis und nichtselbständiger Anstellung als Leiter einer Konzernsteuerabteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Die in BVerfGE 21, 173 für die Steuerbevollmächtigten ausgesprochenen Grundsätze gelten auch für Steuerberater.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die gesetzliche Inkompatibilität zwischen dem Steuerbevollmächtigtenberuf und Angestelltentätigkeiten verstößt nicht gegen das Grundgesetz, soweit sie Berufsbewerbern für die Zukunft verbietet, beide Berufe gleichzeitig auszuüben (BVerfGE 21, 173). Das gleiche gilt für den Steuerberaterberuf.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14; StBerG §§ 10, 22 Abs. 4 Nr. 2, § 109 Abs. 2

 

Gründe

1. Der Beschwerdeführer ist seit dem 1. Oktober 1956 Angestellter einer großen Aktiengesellschaft; er leitet die Konzernsteuerabteilung und ist Prokurist mit dem Titel eines Direktors. Auf Grund seines Anstellungsvertrages ist er nach seinen Angaben berechtigt und auch in der Lage, eine freie Steuerberatungspraxis neben seiner Diensttätigkeit auszuüben. Er wurde durch Urkunde vom 29. Januar 1959 von der Oberfinanzdirektion Düsseldorf „jederzeit mit sofortiger Wirkung widerruflich” als Steuerberater zugelassen. Aus seiner Steuerberatungspraxis erzielt er angeblich jährliche Einnahmen in Höhe von ca. 3000 bis 4000 DM.

Der Beschwerdeführer fühlt sich durch verschiedene Bestimmungen des Steuerberatungsgesetzes vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1301) – StBerG –, insbesondere durch die §§ 22, 109 und 10 Abs. 2, unmittelbar in seinen Grundrechten aus Art. 2, 3, 12 und 14 GG verletzt, weil ihm diese Bestimmungen in ihrem Zusammenhang verbieten, neben dem Beruf als freier Steuerberater zugleich als Arbeitnehmer tätig zu sein. Die Inkompatibilitätsbestimmungen des § 22 Abs. 4 StBerG regelten nicht nur die Berufsausübung, sondern griffen in die Berufswahl ein. Die Freiheit der Berufswahl umfasse auch das Recht, zwei oder mehrere Berufe zu wählen und gleichzeitig auszuüben. Der Zwang, einen der beiden Berufe aufzugeben, sei nur erlaubt, wenn er zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sei. Die vom Gesetz verfolgten Ziele ließen sich jedoch auch durch Berufsausübungsregelungen erreichen. Der Vergleich mit Ärzten und insbesondere Anwälten zeige ferner, daß der Gleichheitssatz verletzt sei, weil nur für die steuerberatenden Berufe eine solche Inkompatibilität festgesetzt worden sei, sonst für keinen anderen freien Beruf. Einen Verstoß gegen Art. 14 GG erblickt der Beschwerdeführer darin, daß ihm das Gesetz eine einmal gewährte Rechtsposition, die Vermögenswert habe, nehme. Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, daß auch Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt sei. Die Rechtssicherheit verbiete die Aufhebung titulierter Ansprüche und verlange die Respektierung des Vertrauens in die Stabilität der Rechtsordnung.

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Die gesetzliche Inkompatibilität zwischen dem Steuerbevollmächtigtenberuf und Angestelltentätigkeiten verstößt nicht gegen das Grundgesetz, soweit sie Berufsbewerbern für die Zukunft verbietet, beide Berufe gleichzeitig auszuüben (BVerfGE 21, 173). Das gleiche gilt für den Steuerberaterberuf. Soweit diese Regelung Angehörige der steuerberatenden Berufe betrifft, die bisher unangefochten beide nunmehr unvereinbaren Tätigkeiten ausgeübt haben, können unzumutbare Härten entstehen, die von Verfassungs wegen angemessene Übergangsregelungen erfordern (a.a.O. S. 183).

Ein solcher Härtefall liegt beim Beschwerdeführer nicht vor. Er übt die Tätigkeit als Steuerberater erst seit 1959 aus, und zwar als Nebentätigkeit, die nicht der unmittelbaren wirtschaftlichen Existenzsicherung dient. Deshalb ist für ihn das Verbot der gleichzeitigen Tätigkeit als Angestellter und als freier Steuerberater zumutbar. Sein Interesse an einer Weiterführung seiner freien Steuerberatungspraxis neben seinem Hauptberuf als leitender Angestellter einer Aktiengesellschaft muß hinter dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an möglichst baldiger Verwirklichung des neuen Leitbildes der steuerberatenden Berufe zurücktreten.

Es kommt hinzu, daß der Beschwerdeführer als Steuerberater nur „jederzeit mit sofortiger Wirkung widerruflich” zugelassen war. Damit war ihm nur eine vorläufige Rechtsposition eingeräumt. Er mußte mit einem Widerruf der Zulassung rechnen und muß es deshalb auch hinnehmen, daß die neue gesetzliche Regelung, die wie ein Widerruf wirkt und für die der Gesetzgeber gute Gründe hatte, ihm seine nur vorläufige Rechtsposition nimmt. Aus den gleichen Gründen geht auch die Berufung des Beschwerdeführers auf den Vertrauensschutz und auf Art. 14 GG fehl.

Grundrechte des Beschwerdeführers sind demnach nicht verletzt.

 

Fundstellen

BVerfGE, 275

NJW 1967, 1747

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