Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen zulässiger Rückwirkung bei der Änderung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Grenzen zulässiger Rückwirkung bei der Änderung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften (§ 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG; Art. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen).

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14, 20; AStG § 2 Abs. 1, 5 S. 2, § 20 Abs. 1 Buchst. a; EStG § 1 Abs. 2; DBA CHE Art. 1 S. 1, Art. 4 Nr. 6 Buchst. a, Art. 30 Abs. 1, Art. 32 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 03.11.1982; Aktenzeichen I R 3/79)

 

Tenor

1. a) § 20 Absatz 1 Buchst. a des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 1713) ist insoweit mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar und daher nichtig, als die Bestimmung die Anwendung des § 2 Absatz 1 und Absatz 5 Satz 2 Außensteuergesetz auf die vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen anordnet, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage entweder in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Absatz 2 Einkommensteuergesetz 1971 bestanden hat und diese Pflicht vor dem 22. Juni 1972 jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hat oder in dieser Zeit überhaupt eine Einkommensteuerpflicht nicht bestanden hat und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre.

b) Weiterhin ist die auf § 2 Absatz 1 und Absatz 5 Satz 2 Außensteuergesetz bezogene Anordnung des § 20 Absatz 1 Buchst. a Außensteuergesetz insoweit mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar und daher nichtig, als sie sich auf solche Einkünfte erstreckt, die dem Steuerpflichtigen vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossen sind und nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen waren.

c) Im übrigen sind § 2 Absatz 1 und Absatz 5 Satz 2 Außensteuergesetz sowie die auf diese Bestimmung bezogene Anordnung des § 20 Absatz 1 Buchst. a Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz vereinbar.

2. a) Artikel 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Bundesgesetzbl. 1972 II S. 1021) verstößt insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes), als er über die Billigung der Artikel 30 Absatz 1 und 32 Absatz 2 des Abkommens die innerstaatliche Anwendung des Artikels 4 Absatz 6 Buchst. a des Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland für die deutsche Einkommenbesteuerung der vom 1. Januar 1972 bis zum 13. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen anordnet, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, entweder in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Absatz 2 Einkommensteuergesetz 1971 bestanden hätte und diese Pflicht vor dem 14. Juni 1972 jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hätte oder in dieser Zeit eine deutsche Einkommensteuerpflicht nicht bestanden hätte und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre.

b) Ferner verstößt Artikel 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972 insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes), als er über die Billigung der Artikel 30 Absatz 1 und 32 Absatz 2 des Abkommens vom 11. August 1971 die innerstaatliche Anwendung des Artikels 4 Absatz 6 Buchst. a dieses Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland für die deutsche Einkommenbesteuerung solcher Einkünfte anordnet, die dem Steuerpflichtigen vom 1. Januar 1972 bis zum 13. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossen sind und nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen gewesen wären.

c) In dem zu a) und b) genannten Umfang ist Artikel 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972 nichtig; die innerstaatliche Anwendung der Artikel 30 Absatz 1 und 32 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 6 Buchst. a des Abkommens vom 11. August 1971 durch die Bundesrepublik Deutschland ist insoweit von Verfassungs wegen gehindert.

d) Im übrigen ist Artikel 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972, soweit er für die deutsche Einkommenbesteuerung die innerstaatliche Anwendung des Artikels 4 Absatz 6 Buchst. a und – hierauf bezogen – der Artikel 30 Absatz 1 und 32 Absatz 2 des Abkommens vom 11. August 1971 anordnet, mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Tatbestand

A.

Die Vorlage betrifft die Änderung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften mit Wirkung für einen bereits laufenden Veranlagungszeitraum (hier Kalenderjahr 1972).

I.

1. Bereits wenige Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes begann eine wachsende Zahl von im Inland Steuerpflichtigen, das internationale Steuergefälle zur Verminderung ihrer Steuerlast zu nutzen. Dies geschah unter anderem dadurch, daß steuerpflichtige Deutsche im Sinne des Art. 116 GG ihren Wohnsitz in niedrigbesteuernde Gebiete wie insbesondere die Schweiz verlegten, wobei sie ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten im Bundesgebiet oftmals im wesentlichen ungeschmälert aufrechterhielten.

a) Hinsichtlich der Einkommensteuerpflicht, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildet, kam diesem Personenkreis der Umstand zugute, daß nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der hier maßgeblichen Neufassung vom 1. Dezember 1971 (BGBl I S. 1881) – EStG 1971 – der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, welche sich auf sämtliche in- und ausländischen Einkünfte (sogenanntes Welteinkommen) erstreckt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG 1971), nur solche natürlichen Personen unterliegen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sind beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 2 EStG 1971); diese Einkommensteuerpflicht erstreckt sich lediglich auf bestimmte, in § 49 EStG 1971 näher bezeichnete inländische Einkünfte. Auch wird der Steuersatz der beschränkt Einkommensteuerpflichtigen nur aus den der beschränkten Steuerpflicht unterworfenen Einkünften selbst, also – anders als bei den unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen – ohne Berücksichtigung der übrigen in- oder ausländischen Einkünfte des Steuerpflichtigen ermittelt. Das kann im Bereich der Progressionszone zu erheblich günstigeren Steuersätzen führen als bei Berücksichtigung des „Welteinkommens” (vgl. § 50 Abs. 3 i.V.m. § 32 a Abs. 1 EStG 1971).

In Verbindung hiermit bestimmt § 50 Abs. 2 EStG 1971 allerdings, daß für beschränkt Einkommensteuerpflichtige – anders als für unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige (vgl. dazu § 2 Abs. 2 EStG 1971) – „bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, und bei Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 … ein Ausgleich (§ 2 Abs. 2) mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten nicht zulässig” ist. Dieser Ausschluß eines die Einkunftsarten übergreifenden Verlustausgleichs ist für die betreffenden Steuerpflichtigen grundsätzlich von Nachteil; auch persönliche Verhältnisse werden nur in beschränktem Umfang berücksichtigt (§ 50 Abs. 1 Satz 5 EStG 1971).

Andererseits gilt nach der Regelung des § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971 „die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn oder vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50 a unterliegen,… bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten, wenn die Einkünfte nicht Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind”. Diese allein für den beschränkt Steuerpflichtigen getroffene Regelung über die sogenannte Abgeltungswirkung wirkt sich um so günstiger aus, je mehr der – unter Berücksichtigung aller beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte zu ermittelnde – Steuersatz über demjenigen Steuersatz liegt, wie er bei den unter § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971 fallenden Einkünften vorweg abgezogen worden ist: Die aus dem Unterschied rechnerisch sich ergebende restliche Steuer aus den Einkünften, die dem Steuerabzug unterworfen sind, muß der Steuerpflichtige aufgrund der Abgeltungswirkung nicht nachzahlen.

b) Soweit die früher im Inland ansässigen Deutschen sich in der Schweiz angesiedelt hatten, wurden sie zudem durch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931 (RGBl 1934 II S. 38) in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (BGBl II S. 1253) – DBA 1931/59 – begünstigt. Nach Art. 6 Abs. 1 dieses Abkommens wurden Einkünfte aus beweglichem Kapitalvermögen (Wertpapiere, Darlehen usw.) nur in dem Staate besteuert, in dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hatte, gleichgültig, ob die Erträge aus dem anderen Vertragsstaat bezogen wurden. Ein in der Schweiz ansässiger Deutscher unterlag mithin für seine aus Deutschland bezogenen Zinsen, Dividenden usw. nicht der deutschen, sondern der schweizerischen Einkommensteuer. Dies führte bei dem betreffenden Personenkreis zu einer weiteren Verminderung der zu versteuernden Einkünfte um die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971 bezeichneten Einkünfte aus Kapitalvermögen, auch wenn diese Einkünfte im Inland erzielt worden waren.

2. Die Problematik der „Steuerflucht” ins Ausland im allgemeinen und derjenigen in die Schweiz im besonderen wurde von der Bundesregierung bereits im Jahre 1964 in ihrem sogenannten „Steueroasenbericht” (BT-Drucks. IV/2412) kritisch angesprochen. In der Folgezeit nahm die Bundesrepublik Deutschland Verhandlungen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf, um diese Problematik durch eine Neufassung des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens zu entschärfen.

Zusätzlich begann die Bundesregierung im Jahre 1970 mit den Vorarbeiten für eine innerstaatliche Einschränkung der als unzuträglich empfundenen steuerrechtlichen Folgen der „Steuerflucht”. Im Zusammenhang hiermit verabschiedete sie unter dem 17. Dezember 1970 „Leitsätze für ein Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen” (vgl. den Text in DB 1971, S. 16 ff.). Zur Minderung der Einkommensteuerlast durch Wohnsitzverlegung ins Ausland hieß es in den Leitsätzen:

„Eine natürliche Person, die als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und

  1. in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen steuerbefreit ist, eine Vorzugsbesteuerung genießt oder nur einer geringen Besteuerung unterliegt und
  2. wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat,

ist mit allen Einkünften, die nach den Abgrenzungen des deutschen Rechts keine ausländischen Einkünfte sind, beschränkt steuerpflichtig.

Die danach steuerpflichtigen Einkünfte sind mit dem Steuersatz zu versteuern, der sich nach sämtlichen Einkünften des Steuerpflichtigen richtet. Eine Abgeltung der Steuer durch Abzugsteuern scheidet aus; die Steuer darf jedoch die Abzugsteuer nicht unterschreiten.

Hat der Steuerpflichtige nach seinem Wegzug in Deutschland fünf Jahre keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen mehr unterhalten, so bleibt er auch bei späterer Neubegründung solcher Interessen von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht freigestellt.

Kleinere Einkommen sind aus der Sonderregelung auszuklammern.

Die Regelung soll nur auf Personen angewendet werden, die nach dem Wiederbeginn des deutschen Wirtschaftsaufbaus ausgewandert sind.

Begründung:

Verlegen Steuerpflichtige ihren Wohnsitz ins Ausland, so scheiden sie aus der ihr „Welteinkommen” umfassenden unbeschränkten Steuerpflicht aus. Sie kommen in die beschränkte Steuerpflicht. Diese läßt Auslandseinkommen ausgeklammert; steuerpflichtig sind von dem aus Deutschland bezogenen Einkommen nur bestimmte Einkünfte (z.B. nicht Darlehenszinsen), wobei für verschiedene Einkünfte (z.B. Dividenden, Lizenzgebühren) die deutsche Steuer durch den Steuerabzug abgegolten wird.

Als störend werden Fälle empfunden, in denen Deutsche, die in Deutschland längere Zeit ansässig waren, in steuergünstige Gebiete verziehen. In diesem Zusammenhang ist vorgeschlagen worden, für solche Personen die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht noch für einige Zeit aufrechtzuerhalten. Diese Lösung würde einen tiefen Eingriff in das deutsche Steuersystem mit sich bringen, das – wie alle europäischen Steuerordnungen – die Ansässigkeit zum entscheidenden Anknüpfungspunkt macht. Auch die Steuerreformkommission (Tz. 6 ihres Berichts) hat sich gegen eine solche Lösung ausgesprochen.

Der Gesichtspunkt der „Steuerflucht” in Auswandererfällen hat seinen Ansatzpunkt darin, daß der Auswanderer seine deutschen Wirtschaftsinteressen beibehält, dabei aber durch seinen Wegzug in ein steuergünstiges Gebiet eine erhebliche Minderung seiner Steuerlast erreicht. Ziel ist deshalb, unter den genannten Voraussetzungen für deutsches Einkommen – sowohl im Steuergegenstand als auch in der Steuerhöhe – eine Besteuerung festzulegen, die anteilig die Steuerlast bestehen läßt, wie sie von konkurrierenden inländischen Unternehmen und Investoren zu tragen ist.”

3. a) Am 11. August 1971 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Schweizerische Eidgenossenschaft ein neues Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl 1972 II S. 1022) – DBA 1971, das sich nicht mehr auf den Bereich der direkten Steuern beschränkt –. Das Abkommen gewährt dem von ihm näher umschriebenen Personenkreis Schutz vor Doppelbesteuerung, indem es Einkünfte der Besteuerungshoheit des einen oder des anderen Staates zuweist. Das neue Abkommen gilt nach seinem Art. 1 „für Personen, die in einem Vertragstaat oder in beiden Vertragstaaten ansässig sind”. Im Sinne des Abkommens bedeutet nach der Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 der Ausdruck „eine in einem Vertragstaat ansässige Person” eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Nicht als „in einem Vertragstaat ansässig” gilt nach Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 indessen „eine natürliche Person, die in dem Vertragstaat, in dem sie nach den vorstehenden Bestimmungen ansässig wäre, nicht mit allen nach dem Steuerrecht dieses Staates allgemein steuerpflichtigen Einkünften aus dem anderen Vertragstaat den allgemein erhobenen Steuern unterliegt”. Einer solchen Person kommt der Schutz des Doppelbesteuerungsabkommens 1971 vor Doppelbesteuerung nicht zugute, so daß sie – entsprechend den Gesetzen beider Vertragsstaaten – mit ihren Einkünften in beiden Staaten steuerpflichtig sein kann. Ob und inwieweit in einem solchen Fall die Steuerpflicht mit Rücksicht auf diejenige in dem anderen Vertragsstaat entfällt oder jedenfalls die dort entrichtete Steuer auf die inländische Steuer angerechnet wird, beurteilt sich allein nach den Gesetzen des besteuernden Staates.

Art. 30 Abs. 1 DBA 1971 bestimmt:

„Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens tritt das Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 außer Kraft, soweit es sich nach seinem Abschnitt I auf die direkten Steuern bezieht. Seine diesbezüglichen Bestimmungen finden nicht mehr Anwendung auf Steuern, auf die dieses Abkommen nach seinem Art. 32 anzuwenden ist.”

Hinsichtlich des Eintritts der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Abkommens und seines zeitlichen Anwendungsbereichs trifft Art. 32 DBA 1971 die folgende Regelung:

„(1) Dieses Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Bern ausgetauscht werden.

(2) Dieses Abkommen tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und ist anzuwenden:

  1. auf die im Abzugswege (an der Quelle) erhobenen Steuern von den nach dem 31. Dezember 1971 zugeflossenen Einkünften;
  2. auf die sonstigen für das Jahr 1972 und die folgenden Jahre erhobenen Steuern.

(3) Jeder der beiden Vertragstaaten erläßt die für die Durchführung des Absatzes 2 notwendigen Vorschriften”.

b) Mit BT-Drucks. VI/3233 vom 6. März 1972 legte die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 vor. In ihrer Denkschrift zu dem Abkommen wies die Bundesregierung zunächst darauf hin, daß die Schweiz bei „steuerflüchtigen” Zuwanderern die schweizerischen Steuern bislang häufig nicht zum normalen Betrag, sondern „nur zu einem ungewöhnlich niedrigen Pauschbetrag” erhoben habe (a.a.O., S. 15). Ziel des Abkommens sei es, „unter Berücksichtigung der neueren internationalen Vertragspraxis” die deutsche Besteuerung nur noch in solchen Fällen zurücktreten zu lassen, „in denen eine Vertiefung der Gefällewirkung nicht zu befürchten ist und eine Entlastung von der deutschen Steuer sachlich vertreten werden kann” (a.a.O., S. 16). Diesem Ziel diene in bezug auf die „Auswanderer” Art. 4 Abs. 6 Buchst. a des Abkommens. Soweit der genannte Personenkreis in der Schweiz eine Vorzugsbesteuerung genieße, werde künftig die Anwendung des Abkommens zeitlich unbeschränkt ausgeschlossen (a.a.O., S. 16 und 19). Zum zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Abkommens bemerkte die Denkschrift: „Das Abkommen soll erstmalig für das Jahr 1972 angewendet werden. Eine frühere Anwendung war der Schweiz aus verfassungsrechtlichen und steuertechnischen Gründen nicht möglich” (a.a.O., S. 24).

4. Bereits einige Monate zuvor, am 2. Dezember 1971, hatte die Bundesregierung beim Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen eingebracht (BT-Drucks. VI/2883). In seinem Artikel 1 enthielt der Gesetzentwurf den Text eines Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz – AStG). Das Außensteuergesetz sollte – vorbehaltlich besonderer Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen – die allgemeine innerstaatliche Rechtsgrundlage zur Eindämmung von Steuerflucht bilden. Wo bisherige Doppelbesteuerungsabkommen dieser gesetzlichen Regelung entgegenstünden, bedürften sie der Anpassung im Wege von Neuverhandlungen.

Soweit hier von Interesse, war im Zweiten Teil des Gesetzentwurfs folgende Regelung vorgesehen:

Zweiter Teil

Wohnsitzwechsel in niedrigbesteuernde Gebiete

§ 2

Einkommensteuer

Zum Anwendungsbereich des Außensteuergesetzes sollte bestimmt werden:

§ 20

Erstmalige Anwendung

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sind wie folgt anzuwenden:

  1. für die Einkommensteuer und für die Körperschaftsteuer erstmals für den Veranlagungszeitraum 1971,
  2. für die Gewerbesteuer erstmals für den Erhebungszeitraum 1971,
  3. für die Vermögensteuer erstmals bei Neuveranlagungen oder Nachveranlagungen auf den 1. Januar 1971,
  4. für die Erbschaftsteuer auf Erwerbe, bei denen die Steuerschuld nach dem 31. Dezember 1971 entstanden ist.

(2) Die Anwendung der §§ 2 bis 5 wird nicht dadurch berührt, daß die unbeschränkte Steuerpflicht der natürlichen Person bereits vor dem 1. Januar 1971 geendet hat.

Als Tag des Inkrafttretens des Gesetzes war in § 22 des Entwurfs der Tag nach der Verkündung vorgesehen.

Zweck des Außensteuergesetzes sollte es nach der Entwurfsbegründung sein, „zur Verwirklichung des sozialen Rechtsstaats auf dem Gebiet der Besteuerung beizutragen” (Tz. 14 der Begründung, BT-Drucks. VI/2883, S. 16). Als einer der „Schwerpunktbereiche des Außensteuergesetzes” (a.a.O., S. 16) wurde die erweiterte Besteuerung inländischer Einkünfte nach Wegzug in niedrigbesteuernde Gebiete hervorgehoben. Zum Anwendungsbereich der Neuregelung (§ 20 des Entwurfs) führte die Bundesregierung aus:

Absatz 1 bestimmt, daß das Außensteuergesetz allgemein ab 1. Januar 1971 anzuwenden ist, also mit Beginn des Jahres, in dem das Inkrafttreten des Gesetzes zu erwarten ist. Die hierin liegende Rückwirkung der Gesetzesregelung ist aus Gründen des Gemeinwohls geboten. Die aus dem Verfassungsrecht abzuleitenden Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der steuerlichen Wettbewerbsgleichheit verlangen eine Anwendung der Regelungen in möglichst naher Anknüpfung an die Verabschiedung der Leitsätze am 17. Dezember 1970, da sonst der Gesetzesregelung praktisch die finanzwirtschaftlich angestrebte Wirkung genommen würde. Lediglich die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften sind ab 1. Januar 1972 anzuwenden.

Absatz 2 stellt klar, daß die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht nach den §§ 1 bis 5 ab 1. Januar 1971 auch bei solchen Personen zur Geltung kommt, die bereits vor diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in ein niedrigbesteuerndes Gebiet verlegt haben.

(Tz. 129 und 130 der Begründung, BT-Drucks. VI/2883, S. 31).

5. a) Der Finanzausschuß des Bundestages beschloß nach kurzer Beratung einstimmig, die Annahme des Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 zu empfehlen (BT-Drucks. VI/3503, S. 2).

b) Zur Beratung des Entwurfs des Außensteuergesetzes setzte der Finanzausschuß einen Unterausschuß ein. Diesem Unterausschuß legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen einige Neuformulierungsvorschläge vom 8. Juni 1972 vor. § 2 Abs. 1 AStG sollte danach die später Gesetz gewordene Fassung erhalten (Deutscher Bundestag, 6. WP., Finanzausschuß – Unterausschuß „Außensteuergesetz”, Anlage 1 zum Protokoll Nr. 1, S. 3), ebenso § 20 Abs. 1 und 2 AStG. Zur Begründung dieser Änderungsvorschläge führte der Vertreter des Bundesministeriums vor dem Unterausschuß aus, die eine Änderung bedeute eine Einschränkung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht; Zeiten einer vor mehr als zehn Jahren zurückliegenden unbeschränkten Steuerpflicht sollten nicht mehr mitgerechnet werden, um Fälle auszuschalten, bei denen eine Nachwirkung weit zurückliegender Bindungen zum Besteuerungsgebiet nicht mehr gerechtfertigt erscheine. Durch die andere Änderung sollten vagabundierende Personen erfaßt werden, sei es, daß sie kurzfristig von Land zu Land zögen, sei es, daß sie sich auf hoher See aufhielten (a.a.O., S. 6). Der Unterausschuß erhob gegen diese Änderungsvorschläge, keine Bedenken und beschloß die entsprechende Neufassung der §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 2 des Außensteuergesetzes (Deutscher Bundestag, 6. WP., Finanzausschuß – Unterausschuß „Außensteuergesetz”, Protokoll Nr. 2, S. 5 und 9). Der Finanzausschuß übernahm die Neufassung (Deutscher Bundestag, 6. WP., Finanzausschuß, Protokoll Nr. 63, S. 8, 15 und 17).

6. a) Der Bundestag nahm das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 in seiner Sitzung vom 14. Juni 1972 in zweiter und letzter Lesung einstimmig an (Deutscher Bundestag, 6. WP., 191. Sitzung, Sten.Ber., S. 11 141 [11 145]).

Dem Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage und damit dem Außensteuergesetz stimmte der Bundestag in seiner Sitzung vom 22. Juni 1972 in zweiter und dritter Lesung einstimmig zu (Deutscher Bundestag, 6. WP., 195. Sitzung, Sten.Ber., S. 11 474 [11 475, 11 480]).

b) Der Bundesrat stimmte beiden Gesetzen am 7. Juli 1972 zu (Bundesrat, 383. Sitzung, Plenar-Protokoll, S. 617, 618 und 639).

7. a) Das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz wurde im Bundesgesetzblatt vom 9. September 1972 verkündet (BGBl II S. 1021). Das Abkommen wurde mit Austausch der Ratifikationsurkunden am 29. Dezember 1972 völkerrechtlich verbindlich (vgl. Art. 32 Abs. 2 DBA); dies wurde durch Bekanntmachung vom 19. Januar 1973, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 9. Februar 1973 (BGBl II S. 74), bekanntgegeben.

b) Das Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage wurde im Bundesgesetzblatt vom 12. September 1972 verkündet (BGBl I S. 1713). Das Außensteuergesetz trat am Tage nach der Verkündung in Kraft (§ 22 AStG); seine §§ 2, 20 lauten:

§ 2

Einkommensteuer

(1) Eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und

  1. in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig ist und
  2. wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat,

ist bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, über § 1 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig mit allen Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind. Satz 1 findet nur Anwendung für Veranlagungszeiträume, in denen die hiernach insgesamt beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte mehr als 32.000 Deutsche Mark betragen.

(2) Eine niedrige Besteuerung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 liegt vor, wenn

  1. die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer – nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen – bei einer in diesem Gebiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 150.000 Deutsche Mark bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen natürlichen Person durch die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen, es sei denn die Person weist nach, daß die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu entrichten hätte, oder
  2. die Belastung der Person durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer auf Grund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann, es sei denn, die Person weist nach, daß die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes zu entrichten hätte.

(3) Eine Person hat im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, wenn

  1. sie zu Beginn des Veranlagungszeitraums Unternehmer oder Mitunternehmer eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes belegenen Gewerbebetriebs ist oder, sofern sie Kommanditist ist, mehr als 25 vom Hundert der Einkünfte im Sinne des § 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes aus der Gesellschaft auf sie entfallen oder ihr eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes an einer inländischen Kapitalgesellschaft gehört oder
  2. ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind, im Veranlagungszeitraum mehr als 30 vom Hundert ihrer sämtlichen Einkünfte betragen oder 120.000 Deutsche Mark übersteigen oder
  3. zu Beginn des Veranlagungszeitraums ihr Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wären, mehr als 30 vom Hundert ihres Gesamtvermögens beträgt oder 300.000 Deutsche Mark übersteigt.

(4) Bei der Anwendung des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 3 sind bei einer Person Gewerbebetriebe, Beteiligungen, Einkünfte und Vermögen einer ausländischen Gesellschaft im Sinne des § 5, an der die Person unter den dort genannten Voraussetzungen beteiligt ist, entsprechend ihrer Beteiligung zu berücksichtigen.

(5) Ist Absatz 1 anzuwenden, so kommt der Steuersatz zur Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte der Person ergibt. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50 a des Einkommensteuergesetzes unterliegen, ist § 50 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden. § 50 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes gilt mit der Maßgabe, daß die Einkommensteuer die Steuerabzugsbeträge nicht unterschreiten darf.

(6) Weist die Person nach, daß die auf Grund der Absätze 1 und 5 zusätzlich zu entrichtende Steuer insgesamt zu einer höheren inländischen Steuer führt, als sie sie bei unbeschränkter Steuerpflicht und Wohnsitz ausschließlich im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entrichten hätte, so wird der übersteigende Betrag insoweit nicht erhoben, als er die Steuer überschreitet, die sich ohne Anwendung der Absätze 1 und 5 ergäbe.

§ 20

Erstmalige Anwendung

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes sind wie folgt anzuwenden:

  1. für die Einkommensteuer und für die Körperschaftsteuer erstmals für den Veranlagungszeitraum 1972,
  2. für die Gewerbesteuer erstmals für den Erhebungszeitraum 1972,
  3. für die Vermögensteuer erstmals bei Neuveranlagungen oder Nachveranlagungen auf den 1. Januar 1973,
  4. für die Erbschaftsteuer auf Erwerbe, bei denen die Steuerschuld nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden ist.

(2) Die Anwendung der §§ 2 bis 5 wird nicht dadurch berührt, daß die unbeschränkte Steuerpflicht der natürlichen Person bereits vor dem 1. Januar 1972 geendet hat.

(3)…

§ 2 AStG normiert die sogenannte erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht für natürliche Personen, die im Inland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sind, die aber in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren, in einem ausländischen Gebiet ansässig sind, in dem sie nur einer niedrigen Besteuerung unterliegen, oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig sind und wesentliche wirtschaftliche Interessen im räumlichen Anwendungsbereich des Außensteuergesetzes unterhalten. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht ist eine Form der beschränkten Steuerpflicht (vgl. Hellwig, in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 2 AStG Rdnr. 1 ff., sowie das dort vor Rdnr. 1 angeführte Schrifttum). Für den von ihr erfaßten Personenkreis hat die erweiterte beschränkte Steuerpflicht im wesentlichen zwei Wirkungen:

Sie erweitert zum einen die Besteuerungsgrundlagen über den in § 49 EStG (für die „normale” beschränkte Steuerpflicht) gezogenen Rahmen hinaus auf weitere Einkünfte, insbesondere aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 EStG, ferner die nicht schon nach § 49 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 EStG steuerpflichtigen Einkünfte im Sinne des § 22 EStG sowie auf Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG und auf Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, wenn jeweils der zur Leistung Verpflichtete Wohnsitz oder Sitz oder Geschäftsleitung im Inland innehat.

Zum anderen findet – abweichend von der „normalen” beschränkten Steuerpflicht – der Steuersatz Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte der Person ergibt. Das bedeutet erstmals im deutschen Steuerrecht die Anwendung der sogenannten Vollprogression auf eine Form der beschränkten Steuerpflicht (und nicht mehr nur, wie bislang, bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland). Das heißt, daß für die Bestimmung des Steuersatzes sämtliche Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG, mithin auch ausländische Einkünfte im Sinne der §§ 34 c Abs. 1 EStG, 68 b EStDV, die als Besteuerungsgrundlage ausscheiden, (fiktiv) herangezogen werden. Der aus dem „Welteinkommen” errechnete Steuersatz wird auf das der deutschen Steuerpflicht unterworfene Einkommen (ohne ausländische Einkünfte im Sinne des § 34 c EStG) angewendet (vgl. Hellwig, Ausgewählte Fragen zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht, DStZ/A 1974, S. 4 ff.).

II.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist die Einkommensteuerpflicht des Klägers für den Veranlagungszeitraum 1972.

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist deutscher Staatsangehöriger. Er verlegte seinen Wohnsitz am 15. Dezember 1965 in die Schweiz. Dort wird er lediglich einer Pauschalbesteuerung auf das Einkommen unterworfen. Aus diesem Grunde gilt er als „nicht in einem Vertragstaat ansässige” Person im Sinne des Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971.

Das zuständige deutsche Finanzamt zog den Kläger für das Jahr 1972 mit seinen Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1971 (Darlehenszinsen) und aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG 1971 zur erweiterten beschränkten Steuerpflicht, im übrigen zur allgemeinen beschränkten Einkommensteuerpflicht heran. Bei den der allgemeinen beschränkten Einkommensteuerpflicht (§§ 1 Abs. 2, 49 EStG 1971) unterworfenen Einkünften des Klägers handelte es sich um

  1. Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne der §§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1971 (Hypothekenzinsen);
  2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1971)

    1. eines inländischen Grundstücks,
    2. von Belieferungsrechten,
    3. von Abdruckrechten, wobei hier die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs gemäß § 50 a EStG 1971 einbehalten worden war.

Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung betreffend die Belieferungsrechte waren negativ; ihr – negativer – Betrag überstieg die Summe der übrigen – positiven – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und derjenigen aus Gewerbebetrieb. Das Finanzamt glich die Verluste aus Vermietung und Verpachtung von Belieferungsrechten mit den übrigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie denjenigen aus Gewerbebetrieb aus. Einen Ausgleich des danach noch immer verbleibenden Verlustes aus Vermietung und Verpachtung mit den – betragsmäßig weitaus höheren – positiven Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen lehnte das Finanzamt dagegen unter Hinweis auf § 50 Abs. 2 EStG 1971 auch in seiner Einspruchsentscheidung ab.

2. Die gegen den Steuerbescheid gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab[1]

3. Mit seiner Revision rügte der Kläger neben der seiner Ansicht nach fehlerhaften Anwendung des § 50 Abs. 2 EStG 1971 auf die erweiterte beschränkte Steuerpflicht vor allem die Verfassungswidrigkeit seiner Heranziehung zu dieser erweiterten beschränkten Steuerpflicht überhaupt. …

4. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 3. November 1982[2]das Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob

  1. § 20 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbezrehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (BGBl I S. 1713) insoweit mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist, als er die Anwendung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 des Außensteuergesetzes für den Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis zum 22. Juni 1972 anordnet, und
  2. Art. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 5. September 1972 zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl 1972 II S. 1021) insoweit mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar ist, als er sich auf Art. 30 Abs. 1 und 32 Abs. 2 des Abkommens bezieht und dadurch den von Art. 4 Abs. 6 Buchst. a des Abkommens erfaßten Personen für den Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis zum 14. Juni 1972 den Schutz des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (RGBl 1934 II S. 38; BGBl 1959 II S. 1253) entzieht.

Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, die angeordnete erstmalige Anwendung des § 2 AStG sowie des neuen Doppelbesteuerungsabkommens auf den Veranlagungszeitraum 1972 sei insoweit verfassungswidrig, als die entsprechenden Erwerbsvorgänge bereits vor der Verabschiedung der jeweiligen Gesetze durch den Bundestag – also vor dem 14. und dem 22. Juni 1972 – verwirklicht worden seien. Insoweit liege eine unzulässige Rückwirkung der Neuregelungen vor.

a) § 2 AStG sei auf den Kläger des Ausgangsverfahrens grundsätzlich anwendbar. Die vom Finanzamt der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterworfenen Einkünfte des Klägers seien nicht schon aufgrund der allgemeinen beschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG einkommensteuerpflichtig. Denn es fehlten hier die besonderen sachlichen Voraussetzungen dieser Steuerpflicht. Weiter genieße der Kläger in der Schweiz eine Vorzugsbesteuerung, weshalb er den Schutz des Doppelbesteuerungsabkommens Schweiz 1971 nicht in Anspruch nehmen könne (Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971). Allerdings habe das Finanzgericht zu Unrecht § 50 Abs. 2 EStG 1971 auch auf die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG angewendet. Der in § 50 Abs. 2 normierte Ausschluß des die Einkunftsarten übergreifenden Verlustausgleichs bei den dort genannten Einkünften beruhe nach allgemeiner Ansicht auf dem Abgeltungsprinzip des § 50 Abs. 4 EStG. Indem § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG dieses – für sich steuerbegünstigend wirkende – Prinzip für den Bereich der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht außer Kraft setze, falle auch der Grund für die Anwendbarkeit des Ausgleichsverbots des § 50 Abs. 2 EStG weg. Für den Kläger ergebe sich aus der Summe dieser positiven und negativen Wirkungen, die von § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG ausgingen, eine Erhöhung seiner Steuerschuld gegenüber derjenigen Rechtslage, die ohne die genannte Vorschrift des Außensteuergesetzes gälte. Mithin komme es auch auf die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG an.

b) Auch hinsichtlich der übrigen vorgelegten Bestimmungen sei die Rechtmäßigkeit ihrer Rückwirkung auf die Zeit vor ihrer endgültigen Annahme durch den Bundestag für die Entscheidung im Ausgangsverfahren erheblich: Sei diese Rückwirkung verfassungsrechtlich unbedenklich, so sei die Revision im wesentlichen unbegründet. Das Finanzamt habe dann zu Recht die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sowie aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterworfen. Sei dagegen die Rückwirkungsvorschrift des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG verfassungswidrig und deshalb nichtig, so fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Besteuerung der dem Kläger zwischen dem 1. Januar und dem 22. Juni 1972 zugeflossenen Darlehenszinsen und Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit. Falle die Rückwirkung des Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 auf die Zeit vor dem 14. Juni 1972 fort, so gelte für diese Zeit noch das (alte) Doppelbesteuerungsabkommen 1931/59. Folglich könnten dann – unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Rückwirkung des Außensteuergesetzes auf die Zeit vor dem 22. Juni 1972 – die bis zum 14. Juni 1972 vom Kläger bezogenen inländischen Einkünfte nicht zur deutschen Einkommensteuer herangezogen werden, soweit das Doppelbesteuerungsabkommen 1931/59 für sie das Besteuerungsrecht der Schweiz zuweise. Dies habe gegebenenfalls Auswirkungen auch über den Kreis der vom Außensteuergesetz erfaßten Einkünfte des Klägers hinaus. Denn die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 erstreckten sich auch auf solche Einkünfte, die bereits nach der Vorschrift des § 49 EStG der „gewöhnlichen” beschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht unterworfen seien. Im Ausgangsverfahren treffe dies insbesondere für die vom Kläger bezogenen Hypothekenzinsen zu, für die nach Art. 6 DBA 1931/59 das Besteuerungsrecht der Schweiz zustehe.

In allen diesen Fällen der Ungültigkeit der einen oder der anderen Rückwirkungsregelung müsse der Bundesfinanzhof die Entscheidung der Vorinstanz aufheben und die Sache zurückverweisen, da bislang für keine der Einkünfte des Klägers Feststellungen getroffen worden seien, inwieweit sie dem Kläger vor dem 14. und 22. Juni 1972 zugeflossen seien.

c) Die vorgelegten Bestimmungen seien insoweit verfassungswidrig, als sie für solche Einkünfte die erweiterte beschränkte Steuerpflicht begründeten oder den Schutz des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 beseitigten, welche der Kläger im Jahre 1972 bereits vor der endgültigen Annahme der Gesetze durch den Bundestag erzielt habe. Denn sie ließen die steuerlichen Belastungen bereits mit Wirkung ab einem vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt entstehen. Damit griffen die Bestimmungen nachträglich in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein und änderten die an diese Tatbestände geknüpften Rechtsfolgen zum Nachteil des Bürgers. Zulässig sei diese Regelung auch nicht deshalb, weil die Einkommensteuer gemäß § 2 Abs. 1 EStG eine Jahressteuer sei, die entsprechend § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c Steueranpassungsgesetz/§ 36 Abs. 1 EStG 1975 erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehe. Denn insoweit handle es sich lediglich um die steuertechnische Seite. Erst nach Ablauf des das gesamte Kalenderjahr umfassenden Veranlagungszeitraums lasse sich der genaue Betrag der geschuldeten Steuer errechnen. Vor diesem Zeitpunkt könne folglich die Festsetzung und Erhebung der Steuern nicht erfolgen; auch der Lauf der Verjährung sei nur bei Anknüpfung an den Ablauf des Jahres in allen Fällen eindeutig zu bestimmen. Dem Grunde nach werde die Steuerpflicht demgegenüber bereits während des Jahreslaufs in dem Zeitpunkt ausgelöst, in dem die einzelnen Einkünfte dem Steuerpflichtigen jeweils zuflössen. Besonders deutlich zeige sich dies in den Fällen, in denen die Steuerpflicht durch bestimmte Handlungen des Steuerpflichtigen – wie etwa durch Veräußerung eines Geschäftsanteils (§ 17 EStG) – ausgelöst werde. Bereits im Zeitpunkt der Vornahme dieser Handlung sei die Steuerpflicht dem Grunde nach endgültig entstanden. Daß die Höhe der aus der Handlung o.ä. geschuldeten Steuer noch nicht feststehe, da diese von den im vollständigen Veranlagungszeitraum erzielten Gesamteinkünften des Steuerpflichtigen abhänge, könne hieran nichts ändern. Nur bei dieser Betrachtungsweise werde dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes Genüge getan. Denn der Bürger müsse bei seinen Dispositionen davon ausgehen können, daß das ordnungsgemäß gesetzte Recht in seinem zeitlichen Geltungsbereich die normierten Rechtsfolgen auslöse. Bei Steuertatbeständen, die an Handlungen anknüpften, müsse deshalb die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein. Für Steuertatbestände, die nicht an Handlungen, sondern an andere Vorgänge anknüpften, könne – bezogen auf den Zeitpunkt der Vollendung dieser Vorgänge – grundsätzlich nichts anderes gelten. Bei der „veranlagten” (also nicht durch Steuerabzug erhobenen) Einkommensteuer entstehe die Steuerschuld in einem fortlaufenden Prozeß während des Veranlagungszeitraums.

Eine verfassungsrechtliche Möglichkeit zur belastenden Änderung von Steuergesetzen während des laufenden Veranlagungsjahres mit Wirkung für dessen gesamte Dauer würde überdies denjenigen Steuerpflichtigen ohne sachlichen Grund besserstellen, dessen Steuer – wie etwa auf den Kapitalertrag gemäß § 43 EStG 1971 – bereits im Augenblick der Zuleitung der betreffenden Einkünfte abgezogen worden sei. Für einen solchen Steuerpflichtigen sei die Angelegenheit mit dem Steuerabzug auch dem Betrag nach abgeschlossen. Demgegenüber müßte derjenige, dessen gleichgelagerte, aber nicht im Abzugswege zu entrichtende Steuer erst nach Abschluß des Veranlagungszeitraums ihrer Höhe nach festgestellt werden könne, in einem solchen Fall noch bis zum Ablauf dieses Zeitraums mit einer höheren Steuerbelastung rechnen, als sie zur Zeit des Zufließens der Einkünfte gesetzlich normiert war.

Für die im Ausgangsverfahren zu beurteilenden Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen (Darlehenszinsen) und aus Gewerbebetrieb sei der Steuertatbestand (§ 20 Abs. 1 Nr. 4; §§ 15 i.V.m. 4 Abs. 3 EStG) mit dem Zufluß der Zinsen und Provisionsbeträge verwirklicht gewesen. Entsprechendes gelte auch für die Einkünfte des Klägers im Sinne des § 50 a Abs. 4 Buchst. b EStG, soweit diese Einkünfte vor der Verkündung der Neuregelungen zugeflossen seien. Diese Einkünfte seien zur Zeit des Zuflusses allein dem gemäß § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG mit Abgeltungswirkung ausgestatteten Steuerabzug unterworfen gewesen. Mit der Einbehaltung und Abführung dieser Steuer an das Finanzamt sei insoweit die Einkommensteuerpflicht erloschen gewesen. Da die Steuer nach § 50 Abs. 4 EStG nur 25 vom Hundert der Einnahmen betrage, der Steuersatz im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aber regelmäßig – wie auch beim Kläger des Ausgangsverfahrens – höher liege, wirke sich die nachträgliche Beseitigung der Abgeltungswirkung und Einbeziehung der Einkünfte in die Ermittlung der veranlagten Einkommensteuer regelmäßig zum Nachteil des betroffenen Steuerpflichtigen aus.

Gleichermaßen stelle es einen Eingriff dar, daß der Schutz des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 durch Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 und dessen Rückanwendung auf den gesamten Veranlagungszeitraum 1972 beseitigt worden sei. Im Ergebnis werde der Kläger des Ausgangsverfahrens auch hierdurch einer bislang für ihn nicht geltenden Besteuerung unterworfen. Betroffen seien die dem Kläger vor dem Inkrafttreten des Abkommens, also vor dem 29. Dezember 1972, zugeflossenen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Für die Frage, ob eine verfassungswidrige Rückwirkung vorliege, müsse hinsichtlich der Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der Vertrag völkerrechtlich verbindlich geworden sei, hier also gemäß Art. 32 Abs. 2 DBA 1971 auf den Zeitpunkt des Austauschs der Ratifikationsurkunden.

Verfassungsrechtlich unbedenklich sei die Rückwirkung der vorgelegten Bestimmungen nur für den Zeitraum nach der endgültigen Beschlußfassung des Bundestages. Insoweit verdiene ein denkbares Vertrauen des Steuerpflichtigen keinen Schutz mehr, da dieser von dem sicheren Kommen der Neuregelung und deren Rückanwendung gewußt habe oder in zumutbarer Weise habe Kenntnis nehmen können. Dagegen sei die über diesen Zeitpunkt – den 14. und den 22. Juni 1972 – zurückreichende Wirkung der Gesetze vor der Verfassung nicht zu rechtfertigen. In diesem Zeitraum habe der Steuerpflichtige nicht damit rechnen müssen, daß der Gesetzgeber bereits zugeflossene Einkünfte nachträglich der bislang für sie nicht geltenden beschränkten Einkommenbesteuerung (durch Neuregelung des Doppelbesteuerungsabkommens) oder einer erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht (durch Schaffung des Außensteuergesetzes) unterwerfen werde. Die von der Bundesregierung unter dem 17. Dezember 1970 beschlossenen und sodann veröffentlichten „Leitsätze …” änderten hieran nichts. Zwar sei darin schon vorgesehen gewesen, die beschränkte Einkommensteuerpflicht zu erweitern; ihre Ausgestaltung habe im wesentlichen mit dem Inhalt des späteren § 2 AStG übereingestimmt. Einen Verlust des Vertrauensschutzes habe dieser Vorgang aber ebensowenig zu bewirken vermocht wie das Einbringen der Gesetzentwürfe durch die Bundesregierung im Dezember 1971 (AStG) und im März 1972 (DBA 1971). Bundesgesetze würden gemäß Art. 77 Abs. 1 GG vom Bundestag beschlossen. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung habe hieraus hergeleitet, daß das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts erst ab dem Zeitpunkt nicht mehr schutzwürdig sei, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen habe; dies gelte auch für Gesetze, durch die einem völkerrechtlichen Vertrag zugestimmt werde.

Die rückwirkende belastende Änderung der Steuerrechtslage sei auch nicht durch zwingende Gründe des gemeinen Wohls, welche dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet seien, gerechtfertigt. Die hierzu von der Bundesregierung in Textziffer 129 der Entwurfsbegründung zum Außensteuergesetz (BT-Drucks. VI/2883, S. 31) angestellten Erwägungen könnten jedenfalls hinsichtlich des § 2 AStG nicht überzeugen. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit das ausschließliche Ziel der Neuregelung, „zur Verwirklichung des sozialen Rechtsstaats auf dem Gebiet der Besteuerung beizutragen” (Textziffer 14 der Begründung, a.a.O., S. 16), verfehlt würde, wenn auf die hier beanstandete rückwirkende Anwendung des § 2 AStG verzichtet würde. Hierdurch entstünde zwar ein geringfügiger Steuerausfall; angesichts der Ausgestaltung des Steuertatbestandes nach § 2 AStG hätten die Steuerpflichtigen aber keine Möglichkeit gehabt, für die Zeit nach dem Beschluß des Bundestages über das Außensteuergesetz der dort vorgesehenen Besteuerung zu entgehen, es sei denn durch die – ihnen aber auch noch nach Inkrafttreten des Außensteuergesetzes uneingeschränkt mögliche – Veräußerung ihrer inländischen Einkunftsquellen. Die gesetzgeberischen Absichten seien daher auch bei einem Verzicht auf eine Rückwirkung über den Bundestagsbeschluß hinaus im wesentlichen ungebrochen zu verwirklichen gewesen. Der bloße Wunsch nach möglichst baldiger Wiederherstellung der nach Ansicht des Gesetzgebers gestörten Gleichmäßigkeit der Besteuerung berechtigte nicht zu einem Eingriff in abgeschlossene Tatbestände. Der Grundsatz der Rechtssicherheit habe keinen geringeren Rang als derjenige der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Anderes könnte nur dann gelten, wenn die Ungleichbehandlung der nunmehr gemäß § 2 AStG erweitert beschränkt Steuerpflichtigen und der unbeschränkt Steuerpflichtigen durch das alte Recht willkürlich und damit verfassungswidrig gewesen wäre. Davon könne jedoch keine Rede sein. Vielmehr ließen sich durchaus sachliche Gründe dafür finden, daß beschränkt steuerpflichtige Personen – auch wenn sie wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hätten and längere Zeit als Deutsche unbeschränkt steuerpflichtig gewesen seien – anders behandelt würden als unbeschränkt Steuerpflichtige.

d) Eine verfassungskonforme, die unzulässige Rückwirkung vermeidende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften scheitere bereits an deren eindeutigem Wortlaut. Ihr stehe auch der aus der Entstehungsgeschichte zu erschließende Wille des Gesetzgebers entgegen.

III.

Zu der Vorlage haben der Bundesminister der Finanzen namens der Bundesregierung sowie der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.

1 a) Der Bundesminister der Finanzen hält die Vorlage für zulässig. Allerdings müsse als Gegenstand des Verfahrens die Anwendung der Vorschriften auf die Einkommensteuerpflicht des Klägers des Ausgangsverfahrens für das gesamte Jahr 1972 angesehen werden. Denn entgegen der Ansicht des Bundesfinanzhofs biete das Einkommensteuerrecht keine Rechtsgrundlage, um die vor dem vom Bundesfinanzhof jeweils als maßgeblich angesehenen Stichtag zugeflossenen Einkünfte gesondert von den später zugeflossenen Einkünften und gegebenenfalls von den im Veranlagungszeitraum abgeflossenen Ausgaben zu behandeln.

b) Die vorgelegten Regelungen verstießen nicht gegen das Grundgesetz.

Es liege kein Fall sogenannter echter Rückwirkung vor. Ein uneingeschränkt schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage habe sich für den Kläger des Ausgangsverfahrens nicht aus der zur Zeit der Verkündung des Außensteuergesetzes geltenden Rechtslage ergeben. Das Einkommensteuergesetz 1971, das die nunmehr unter § 2 AStG fallenden Einkünfte des Klägers des Ausgangsverfahrens von der Einkommenbesteuerung freigestellt habe, sei seinem Inhalt nach nicht geeignet gewesen, bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 1972 beim Einzelnen ein uneingeschränkt schutzwürdiges Vertrauen auf seinen Fortbestand herbeizuführen. Denn der Gesetzgeber habe klar zu erkennen gegeben, daß das Einkommensteuerrecht im einzelnen bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums erst vorläufig geordnet gewesen sei und insoweit noch unter dem Vorbehalt von Rechtsänderungen mit Wirkung für diesen Veranlagungszeitraum gestanden habe. Dieser Änderungsvorbehalt folge aus der Natur der Einkommensteuer als Jahressteuer und damit Abschnittsbesteuerung, die ihrerseits zwingende sachliche Erfordernisse verwirkliche und auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspreche. Nur das in einer bestimmten Zeit bezogene Einkommen lasse die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen erkennen, welche die Einkommensteuer zu erfassen habe. Die abschnittsweise Erhebung der Einkommensteuer sei auch deshalb geboten, weil die Steuergläubiger auf den abschnittsweise Eingang der Steuereinnahmen angewiesen seien und die Veranlagung in periodischen Abständen erfolgen müsse. Daß die Einkommensteuer hinsichtlich der von ihr erfaßten sieben Einkunftsarten auf den wirtschaftlichen Erfolg des Jahres abstelle, decke sich überdies mit der Gewinnermittlung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung oder weise doch jedenfalls Parallelen zu dieser Buchführung auf. Unter den genannten Umständen sei es nur folgerichtig, daß die Einkommensteuer nach der gesetzlichen Regelung (§ 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c Steueranpassungsgesetz/§ 36 Abs. 1 Einkommensteuergesetz n.F.) in ihrer endgültigen Höhe erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehe. Erst zu diesem Zeitpunkt stehe unverrückbar fest, auf der Grundlage welcher Normen und aus welchem vom Steuerpflichtigen verwirklichten Sachverhalt sich welche Einkommensteuer ergebe. Vorher sei eine konkrete, endgültige rechtliche Bindung im Sinne einer bestimmten Steuerrechtsfolge nicht gegeben. Die Steuertatbestände seien in dieser Zeit noch offen für die Ausfüllung mit steuerbegründenden, steuererhöhenden oder steuervermindernden Tatsachen durch den Steuerpflichtigen, dem die Schaffung dieser Tatsachen bis zum Ende des Veranlagungszeitraums gestattet sei. Solange der Veranlagungszeitraum noch andauere, sei die Steuerrechtslage nur unter Vorbehalt normiert; den tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen stünden gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Steuerrechtsfolgen gegenüber. Ein uneingeschränkt geschütztes Vertrauen auf den Bestand des Steuerrechts könne daher erst nach dem Ende des Veranlagungszeitraums anerkannt werden, wenn die Steuerrechtsfolgen endgültig feststünden.

Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzhofs sei es nicht möglich, Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG (= § 2 Abs. 1 EStG n.F.) oder deren einzelne Berechnungsfaktoren einem bestimmten Teilabschnitt innerhalb des Veranlagungszeitraums zuzuordnen. Auch ließen sich vor Ablauf des Veranlagungszeitraums Einkommen und Einkünfte nur vorausschätzen, nicht aber endgültig feststellen. Zumal die für die Einkommenbesteuerung maßgeblichen Begriffe „Einkünfte” und „Gewinn” (§ 2 Abs. 1, 4 EStG/§ 2 Abs. 2, 7 EStG n.F.) knüpften an die jeweiligen Wirtschaftsergebnisse im gesamten Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr an. Diese Wirtschaftsergebnisse seien Teilabschnitten des betreffenden Zeitraums nicht zuzuordnen; im Verlauf des Veranlagungszeitraums bildeten sie bloße Berechnungsfaktoren für die nach Jahresschluß festzustellende Einkommensteuer. In Kenntnis dessen träfen zahlreiche Steuerpflichtige Dispositionen, die für das wirtschaftliche Gesamtergebnis des Veranlagungszeitraums wesentlich – im Sinne einer Minderung der Steuerlast – seien, erst unmittelbar vor Jahresschluß.

Soweit der Bundesfinanzhof zur Begründung seiner abweichenden Ansicht auf bestimmte Einkunftsfälle wie die Veräußerung eines Betriebes oder von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§§ 14, 16, 17 EStG) Bezug genommen habe, handle es sich hierbei um Sonderfälle, in denen typischerweise ein einmaliger Vorgang zu Einkünften führe. Die Auffassung des Bundesfinanzhofs habe zudem die unvertretbare, aber unvermeidliche Folge, daß die steuerrechtlichen Regelungen ab dem Zeitpunkt der Begründung einer Einkunftsquelle – etwa durch Aufnahme einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit – aus Gründen des Vertrauensschutzes auf Dauer festgeschrieben bleiben müßten. Entsprechend liege es, sobald Investitionen oder sonstige Dispositionen innerhalb einer bereits begründeten Einkunftsquelle zu einer Änderung der Einkunftsverhältnisse führten. Fehl gehe auch der Hinweis des Bundesfinanzhofs auf § 43 EStG; bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, sei – den allgemeinen Grundsätzen entsprechend – ein uneingeschränkter Vertrauensschutz erst vom Zeitpunkt des Entstehens der veranlagten Einkommensteuer an gegeben. Mit der Rechtsansicht der Bundesregierung stimme es überein, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Steuerpflichtiger in Fällen, in denen der steuerlich erhebliche Erfolg erst mit zeitlichem Abstand zu den grundlegenden Dispositionen eintrete, nicht auf den unveränderten Fortbestand der Steuerrechtslage bis zur Verwirklichung des Steuertatbestandes vertrauen dürfe. Werde die Steuerrechtslage zwischenzeitlich geändert, so entfalteten die neuen Vorschriften daher nur „unechte” Rückwirkung, was für das Gewicht des möglicherweise enttäuschten Vertrauens des Steuerpflichtigen von wesentlicher Bedeutung sei. Nicht anders liege es auch hier.

c) Das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 entfalte auch nicht deshalb „echte” Rückwirkung, weil die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Vertrages erst am 9. Februar 1973 und damit zu einer Zeit erfolgt sei, als der Besteuerungszeitraum 1972 bereits abgeschlossen gewesen sei. Denn bereits mit der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes durch den Bundestag am 14. Juni 1972 sei jedes schutzwürdige Vertrauen entfallen gewesen. Mithin handle es sich auch insoweit lediglich um eine „unecht” rückwirkende Neuregelung.

d) Eine nachträgliche Entwertung der Rechtsposition des Klägers des Ausgangsverfahrens im Ganzen, wie sie auch im Falle der „unechten” Rückwirkung zur Verfassungswidrigkeit der Neuregelung führen könne, sei weder durch das Außensteuergesetz noch durch das Doppelbesteuerungsabkommen 1971 erfolgt. Die finanzgerichtlichen Entscheidungen ließen nicht erkennen, daß für den Kläger die Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Beziehungen zum Inland ab dem Beginn des Jahres 1972 infolge der neuen Besteuerung wertlos geworden sei. Die danach allein gebotene Abwägung der Interessen der Steuerpflichtigen mit den für die Neuregelung streitenden öffentlichen Interessen ergebe ein Übergewicht der letzteren. Die Bundesregierung habe seit 1964 gesetzliche Maßnahmen vorbereitet, um die immer größer werdenden steuerlichen Vorteile der Wohnsitzverlegung in das niedrigbesteuernde Ausland zu beseitigen. Im Anschluß an die „Leitsätze” vom Dezember 1970 sei ursprünglich beabsichtigt gewesen, das Außensteuergesetz rückwirkend auf den 1. Januar 1971 in Kraft treten zu lassen. Lediglich wegen des Ablaufs des Veranlagungszeitraums 1971 bis zum Gesetzesbeschluß sei die erstmalige Anwendung dann auf den Veranlagungszeitraum 1972 verschoben worden.

Gegenüber dem mit der gesetzlichen Neuregelung solchermaßen verfolgten Anliegen der Allgemeinheit, einen als unhaltbar empfundenen Rechtszustand zu beenden, müsse das gegenteilige Interesse der betroffenen Steuerpflichtigen zurücktreten. Es gebe auch für die Zeit bis zum endgültigen Gesetzesbeschluß kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, als Deutscher oder früherer Deutscher wirtschaftliche Interessen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beibehalten und nutzen zu dürfen, ohne die inländischen Lasten mittragen zu müssen. Zudem sei der Umfang der Erhöhung der Steuerlast für den vom Bundesfinanzhof genannten Zeitraum begrenzt. Bei der Würdigung des Interesses, von dieser Steuerlast verschont zu bleiben, dürfe nicht außer Betracht bleiben, daß die Neuregelung bereits weit vor dem Jahresbeginn 1972 durch die „Leitsätze” und den Gesetzentwurf zum Außensteuergesetz vorhersehbar gewesen sei. Dies gelte gleichermaßen für die Einführung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht überhaupt wie für die – vom Bundesfinanzhof hinsichtlich ihrer Rückanwendung ebenfalls beanstandete – Beseitigung der (steuerlich begünstigenden) Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG durch § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG. Der Steuerabzug, dem bei der allgemeinen beschränkten Einkommensteuerpflicht die Abgeltungswirkung beigelegt sei, betreffe nur die Erhebungsform der Einkommensteuer, nicht dagegen die materielle Steuerrechtsregelung. Auch insoweit liege daher nur eine „unechte” Rückwirkung vor. Sie sei ebenso wie diejenige des gesamten Außensteuergesetzes gerechtfertigt gewesen, um unangemessene Steuervorteile abzubauen.

2. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hält seine Unterwerfung unter die erweiterte beschränkte Steuerpflicht schlechthin, jedenfalls aber unter diejenige für den gesamten Veranlagungszeitraum 1972 für verfassungswidrig.

a) Er sieht in § 20 Abs. 2 AStG eine unzulässige „echte” Rückwirkung. Die Vorschrift knüpfe die Steuerpflicht an Umstände, die bis zu 20 Jahre vor Inkrafttreten der Regelung verwirklicht worden seien. Dies folge aus dem Erfordernis einer „Auswanderung” spätestens zehn Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes sowie dem weiteren Tatbestandsmerkmal, daß in den letzten zehn Jahren vor der Auswanderung eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre bestanden habe. Es handle sich zwar nicht um eine offen zutage liegende „echte” Rückwirkung, weil durch § 20 Abs. 2 AStG nicht die Steuer eines vor dem Inkrafttreten des Außensteuergesetzes abgelaufenen Jahres nachträglich erhöht worden sei. Andererseits liege aber auch kein Fall der nur „unechten” Rückwirkung vor. Denn die Tatbestandsmerkmale, an die § 20 Abs. 2 i.V.m. § 2 AStG anknüpfe, seien keine „gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte”. Vielmehr werde hier ein abgeschlossenes, nicht mehr korrigierbares Verhalten zur Grundlage einer späteren erhöhten Besteuerung gemacht. Dieser Vorgang, der am besten als „verdeckte echte Rückwirkung” zu bezeichnen sei, müsse sich an den verfassungsrechtlichen Anforderungen messen lassen, die das Bundesverfassungsgericht für eine offene „echte” Rückwirkung aufgestellt habe. Nach diesen Kriterien sei die Regelung des § 20 Abs. 2 AStG verfassungswidrig. Denn durch sie werde das Vertrauen in die geltende Rechtslage enttäuscht, wie es zur Zeit des Verhaltens, an das nunmehr das Gesetz anknüpfe, bestanden habe. Gründe, die dies ausnahmsweise zuließen, lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe mit einer Besteuerung der nun eingeführten Art zur Zeit seines Wegzuges aus dem Bundesgebiet nicht im geringsten rechnen müssen. Verfassungsrechtlich sei es allenfalls erlaubt, solche „Auswanderer” mit einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht – oder einer entsprechenden Erweiterung des Kreises der nach § 49 EStG der allgemeinen beschränkten Steuerpflicht unterworfenen Einkünfte – zu überziehen, die seit 1972 ihren Wohnsitz in das steuergünstige Ausland verlegt hätten. Steuerpflichtige, die schon vorher ihren Wohnsitz im Bundesgebiet aufgegeben hätten, dürften demgegenüber aus Gründen des Vertrauensschutzes von einer solchen Neuregelung nicht erfaßt werden.

b) § 2 AStG sei – über die Bedenken des Bundesfinanzhofs hinaus – auch deshalb verfassungswidrig, weil er unter Verstoß gegen Art. 3 GG nicht für alle beschränkt Einkommensteuerpflichtigen, sondern nur für „Auswanderer deutscher Nationalität” die Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht enthalte. Von ausländischer Seite sei dies zutreffend als eine „Mißhandlung der eigenen deutschen Staatsangehörigen” bezeichnet worden.

c) In jedem Fall liege in der erstmaligen Anwendung des Außensteuergesetzes und dem erstmaligen Wegfall des Schutzes des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 jeweils für das Veranlagungsjahr 1972 in bezug auf dieses gesamte Steuerjahr eine verfassungswidrige Rückwirkung. Wie der Bundesfinanzhof in der Sache zutreffend ausgeführt habe, sei bei einer Änderung des Steuerrechts dann eine „echte” Rückwirkung gegeben, wenn hiervon wirtschaftliche Dispositionen erfaßt würden, die der Steuerpflichtige bereits zuvor getroffen habe. Es gehe indessen nicht an, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und mit dem Bundesfinanzhof das Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage bereits ab dem Zeitpunkt als nicht mehr schutzwürdig anzusehen, in dem der Bundestag das betreffende Gesetz endgültig angenommen habe. Diese Sicht der Dinge verkenne die Eigenheiten des sich an den Gesetzesbeschluß noch anschließenden weiteren Gesetzgebungsverfahrens. Ebenso trage sie den besonderen Verhältnissen bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen nicht hinreichend Rechnung.

aa) Das Bundesverfassungsgericht begründe seine Ansicht, daß ein schutzwürdiges Vertrauen bereits im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages ende, mit dem Hinweis, daß der Bürger ab diesem Zeitpunkt mit der Neuregelung rechnen müsse. Dies sei aber nur dann richtig, wenn man eine Einigkeit zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorganen unterstelle, so daß von der Zustimmung des Bundesrates oder Nichteinleitung des Vermittlungs- oder Einspruchsverfahrens ausgegangen werden könne, und wenn man weiterhin annehme, daß auch der Bundespräsident das Gesetz ausfertigen werde. Eine rechtliche Gewißheit, daß beides geschehen werde, bestehe indessen nicht. Dies gelte in besonderem Maße für die Haltung des Bundesrates, auch wenn zur gegebenen Zeit zwischen seiner Mehrheit und derjenigen des Bundestages parteipolitisch keine Unterschiede bestünden. Begnüge man sich im Einzelfall mit der rein tatsächlichen Wahrscheinlichkeit, daß die Regelung Gesetz werde, so werde der Betroffene in rechtsstaatswidriger Weise auf bloße Spekulationen verwiesen, anstatt Gewißheit über die künftige Rechtslage zu erhalten. Hinzu komme, daß der Außenstehende in der Regel auch nicht in zumutbarer Weise mit der erforderlichen Sicherheit von dem Gesetzesbeschluß und dessen genauem Inhalt Kenntnis erlangen könne. Presse, Rundfunk und Fernsehen berichteten hierüber keineswegs in allen Fällen und schon gar nicht mit den zur Beurteilung für den Betroffenen wesentlichen Einzelheiten. Die Debatten des Bundestages zu verfolgen, sei dem Bürger praktisch weder möglich noch zuzumuten. Die aus rechtsstaatlichen Gründen erforderliche sichere Kenntnis der Tatsache und des genauen Inhalts der Neuregelung gewinne der Bürger erst mit der Verkündung des Gesetzes.

Von einem Abstellen bereits auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages seien auch gefährliche Rückwirkungen auf die Entschließungsfreiheit der nachfolgend am Gesetzgebungsverfahren noch beteiligten Verfassungsorgane zu befürchten. Denn eine Änderung des Gesetzesvorhabens nach dem Bundestagsbeschluß dürfe auch und gerade auf der Grundlage dieser Ansicht erst ab Verkündung wirken, da eine solche Änderung eben noch nicht vom Gesetzesbeschluß des Bundestages umfaßt gewesen sei. Zugleich werde aber durch eine solche Änderung die nach dieser Ansicht zulässigerweise angestrebte Rückwirkung der ursprünglichen Gesetzesfassung auf den Zeitpunkt des Bundestagsbeschlusses beseitigt. Mithin gehe dem Gesetzgeber, ändere er in diesem späten Stadium die beabsichtigte Neuregelung noch ab, unwiderruflich die Möglichkeit verloren, überhaupt eine Regelung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses zu treffen. Dies könne Hemmungen auslösen, wenn solche Änderungen vom Bundesrat aus politischen Erwägungen oder vom Bundespräsidenten aus verfassungsrechtlichen Gründen für erforderlich gehalten würden. Derartige Hemmungen ließen sich mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Entscheidungsfreiheit der genannten Verfassungsorgane, wie sie sich aus Art. 77, 78, 82 Abs. 1 GG ergebe, nicht vereinbaren. Wenn der Gesetzgeber eine schnelle Reaktion auf angenommene Mißstände für erforderlich halte, stehe es ihm frei, im Zusammenwirken aller beteiligten Verfassungsorgane das Gesetzgebungsverfahren so weit wie möglich zu beschleunigen. Gelinge dies im Einzelfall nicht in hinreichendem Maße, so bleibe es bei einer „echten” Rückwirkung der auf die Zeit vor der Verkündung rückbezogenen Regelung. Diese Rückwirkung könne dann allenfalls aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Daß solche Gründe hier nicht vorlägen, habe der Bundesfinanzhof überzeugend ausgeführt.

bb) Das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 habe auch noch für eine gewisse Zeit nach seiner Verkündung keine Rückwirkung entfalten dürfen. Denn das Gesetz habe Bedeutung erst erlangt, als das Abkommen am 29. Dezember 1972 durch den in seinem Art. 32 Abs. 2 vorgesehenen Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten sei. Daß das Abkommen völkerrechtlich verbindlich werden würde, sei zuvor weder rechtlich gesichert noch tatsächlich unzweifelhaft gewesen. So würden bestimmte völkerrechtliche Verträge, gerade auch Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten, trotz Billigung durch den Bundesgesetzgeber oft gar nicht oder erst nach jahrelangem Schwebezustand ratifiziert. Diesen Gegebenheiten habe das Zustimmungsgesetz selbst Rechnung getragen, indem es in seinem Art. 3 Abs. 2 die – von Art. 59 GG nicht geforderte – Anordnung getroffen habe, daß der Tag des Inkrafttretens des Abkommens im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben ist. Diese Anordnung habe den Betroffenen ein schutzwürdiges Vertrauen darauf gesichert, daß sie sich vor der Bekanntmachung des Inkrafttretens nicht auf die Neuregelung einstellen mußten. Der Austausch der Ratifikationsurkunden habe dieses Vertrauen nicht zu beseitigen vermocht, da sich dieser Vorgang ohne Unterrichtung der Betroffenen vollzogen habe. Die somit entscheidende Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Abkommens sei erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 1972 veröffentlicht worden. Erst im Jahre 1973 hätten die Betroffenen demzufolge sichere Kenntnis vom Gelten der Neuregelung erlangt. Daher sei es verfassungswidrig, daß Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 ihm – dem Kläger des Ausgangsverfahrens – den Schutz des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 noch nachträglich für den Veranlagungszeitraum 1972 entzogen habe.

d) Soweit dennoch möglicherweise als Grenze zulässiger Rückwirkung ein Stichtag innerhalb des Kalenderjahres 1972 anzusehen sei, könne der dann erforderlichen Unterscheidung der vor und der nach diesem Stichtag erzielten Einkünfte nicht entgegengehalten werden, daß das Einkommensteuerrecht eine solche Unterscheidung nicht kenne. Die insoweit vom Bundesminister der Finanzen gegen die Ansicht des Bundesfinanzhofs geltend gemachten Einwände griffen nicht durch. Die Aufteilung eines Kalenderjahres in mehrere Veranlagungszeiträume sei rechtlich möglich und bei anderen Sachverhalten, etwa beim Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, üblich. Zumal für die vor dem Stichtag bezogenen und dem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfenen Einkünfte habe dies zur Folge, daß ihre Einbeziehung in die Neuregelung eine unzulässige Rückwirkung darstelle.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Vorlage ist zulässig.

1. a) Für die Entscheidung im Ausgangsverfahren kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit sowohl des Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 als auch der vom Bundesfinanzhof vorgelegten Bestimmungen des Außensteuergesetzes an. Dies gilt auch, soweit bestimmte Einkünfte des Klägers des Ausgangsverfahrens zugleich von beiden Regelungen betroffen sind. Die Heranziehung des Klägers zu der entsprechenden Einkommensteuer ist nur dann rechtmäßig, wenn beide genannten Gesetze – soweit hier entscheidungserheblich – verfassungsgemäß sind.

b) Allerdings würde die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit von Bestimmungen des Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 entgegen der Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts nicht zu einem „Fortgelten” der sachlich einschlägigen Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens 1931/59 führen. Das Doppelbesteuerungsabkommen 1971 hat im Umfang seines sachlichen Anwendungsbereichs vom Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs an, d.h. im vorliegenden Zusammenhang ab dem 1. Januar 1972 (vgl. Art. 30 Abs. 1, 32 Abs. 2 DBA 1971), das Doppelbesteuerungsabkommen 1931/59 völkerrechtlich außer Kraft gesetzt. Gegen die völkerrechtliche Zulässigkeit der Wahl dieses Zeitpunktes, welcher früher als derjenige des Austausches der Ratifikationsurkunden lag, sind Bedenken nicht ersichtlich. Ab dem genannten Zeitpunkt sind daher die zu dem früheren Abkommen ergangenen deutschen Zustimmungen fortan gegenstandslos geworden. An dieser Veränderung der völkerrechtlichen Vertragslage würde auch die Nichtigerklärung von Regelungen des neuen Zustimmungsgesetzes nichts ändern. Denn eine derartige Entscheidung würde die völkerrechtliche Verbindlichkeit des neuen Abkommens, dem durch das Zustimmungsgesetz innerstaatlich zugestimmt worden ist, nicht entfallen lassen und nicht zu einem „Wiederaufleben” der völkerrechtlich wirksam außer Kraft gesetzten Bestimmungen des alten Doppelbesteuerungsabkommens führen. Der deutsche Gesetzgeber hat auch keine entsprechende innerstaatliche Anordnung getroffen, welche innerstaatlichen Anwendungsvorrang vor der völkerrechtlichen Lage haben könnte.

Dieser Befund spricht indessen nicht gegen die Zulässigkeit des auf das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 bezogenen Teils der Vorlage. Denn soweit die Rechtsbedenken des vorlegenden Gerichts zutreffen sollten und das Zustimmungsgesetz für nichtig zu erklären wäre, dürften die Betroffenen – und damit auch der Kläger des Ausgangsverfahrens – von Verfassungs wegen jedenfalls keiner schärferen Besteuerung unterworfen werden, als sie nach dem alten Doppelbesteuerungsabkommen 1931/59 sachlich zulässig war. Der Bundesfinanzhof hat daher im Ausgangsverfahren bei Gültigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 eine andere Entscheidung (im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG) zu treffen als bei Ungültigkeit der im Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Bestimmungen dieses Gesetzes.

2. Die gegenständliche Umgrenzung des Vorlagebeschlusses begegnet keinen Bedenken. Indessen erscheint es im Hinblick auf die möglichen Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Überprüfung geboten, die Vorlage hinsichtlich der zeitlichen Anwendung beider Gesetze auf den gesamten regelmäßigen Einkommensteuer-Veranlagungszeitraum 1972, also auf das ganze Kalenderjahr 1972, zu erstrecken (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 1971).

C.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts greifen nur zum Teil durch. Die vorgelegten Normen sind insoweit mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar und daher nichtig, als sie sich Geltung auch für die im Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis zum Tage vor dem Gesetzesbeschluß des Bundestages (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen beimessen, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Abs. 2 EStG 1971 bestanden hat und diese Pflicht vor dem endgültigen Gesetzesbeschluß jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hat oder – wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen – bestanden und ersatzlos geendet hätte. Entsprechendes gilt für die vor dem endgültigen Gesetzesbeschluß des Bundestages zugeflossenen Einkünfte solcher Personen, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage in dieser Zeit überhaupt keine Einkommensteuerpflicht bestand und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre oder – wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen – nicht bestanden hätte und auch nicht noch entstanden wäre. Ferner sind die vorgelegten Bestimmungen insoweit rechtsstaatswidrig und nichtig, als sie sich Geltung für solche in dem genannten Zeitraum zugeflossenen Einkünfte beimessen, die nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen waren oder – wäre ihre deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen – unterworfen gewesen wären. Im übrigen sind die zur Prüfung gestellten Normen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden:

I.

Gegen die Besteuerungsregelung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist die Auferlegung der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht auch gegenüber solchen ehemals als Deutsche unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen mit dem Grundgesetz vereinbar, die – wie der Kläger des Ausgangsverfahrens – ihren Wohnsitz unter Beibehaltung wesentlicher wirtschaftlicher Interessen im Inland bereits vor dem Beginn des Kalenderjahres 1972 in das niedrigbesteuernde Ausland verlegt haben. Hierin liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.

1. a) Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum deutsch-österreichischen Rechtshilfevertrag (BVerfGE 63, 343 [353]) entfaltet eine Rechtsnorm dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist. Rechtlich existent wird eine Norm nach deutschem Staatsrecht mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung, d.h. regelmäßig im Zeitpunkt der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes. Demgegenüber ist es in der genannten Entscheidung nicht als eine Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs der Norm und damit nicht als eine Frage der Rückwirkung angesehen worden, ob der erwähnte Rechtshilfevertrag auch auf solche Beitreibungsverfahren anzuwenden sei, denen als Vollstreckungstitel Abgabenbescheide zugrunde liegen, welche vor dem Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs des Vertrages bestandskräftig geworden waren. Diese Frage ist vielmehr als eine solche des sachlichen Anwendungsbereichs der Norm bezeichnet worden (BVerfG a.a.O., S. 356).

b) Der Sache nach handelt es sich bei dieser Unterscheidung von sachlichem und zeitlichem Anwendungsbereich einer Norm um die Unterscheidung ihres tatbestandlichen Anknüpfungsbereichs von dem zeitlichen Bereich ihrer Rechtsfolgenanordnung:

Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm, so wie er in BVerfGE 63, 343 (353) gekennzeichnet worden ist, betrifft allein die zeitliche Zuordnung der normativ angeordneten Rechtsfolgen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Verkündung der Norm. Gefragt wird danach, ob diese Rechtsfolgen für einen bestimmten, vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten sollen (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) oder ob dies für einen nach (oder mit) der Verkündung beginnenden Zeitraum geschehen soll.

Alle anderen, in einer Norm enthaltenen Merkmale betreffen demgegenüber den sachlichen Anwendungsbereich der Norm, gehören also zu ihren Tatbestandsmerkmalen. Eine tatbestandliche Rückanknüpfung ist einer Norm insoweit eigen, als sie den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht.

c) Dieser Unterscheidung entsprechend sind die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zu präzisieren:

aa) Die Rückwirkung von Rechtsfolgen wirft generell die Frage nach dem Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage auf, welche nunmehr nachträglich geändert wird. Eine solche Rückbewirkung von Rechtsfolgen muß sich damit vorrangig an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit messen lassen (vgl. BVerfGE 45, 142 [167 f.]). In Verbindung mit diesen Grundsätzen sind allerdings auch diejenigen Grundrechte zu berücksichtigen, deren Schutzbereich von der nachträglich geänderten Rechtsfolge in belastender Weise betroffen ist.

bb) Demgegenüber können tatbestandliche Rückanknüpfungen vorrangig Grundrechte berühren, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Norm „ins Werk gesetzt” worden sind (vgl. BVerfGE 31, 275 [292 ff.]). In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen freilich die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit (hier beschränkt auf den Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung) in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht.

cc) Angesichts der Differenzierung in den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die tatbestandliche Rückanknüpfung von Rechtsnormen einerseits und die rückwirkende normative Herbeiführung von Rechtsfolgen andererseits ist es nicht sinnvoll, beide Bereiche unter einen einheitlichen Oberbegriff bringen zu wollen. Dieser Oberbegriff, die „Rückwirkung im weitesten Sinne”, vermöchte keinerlei verfassungsrechtliche Maßstäbe aufzuzeigen.

2. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG wirft keine Fragen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf. Die Norm bestimmt lediglich generell, in welchen Fällen die im einzelnen näher beschriebene erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht eintreten soll; der zeitliche Eintritt dieser Steuerpflicht findet sich in § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG geregelt (dazu unten II.).

3. Wohl aber enthält § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG eine tatbestandliche Rückanknüpfung insoweit, als – in Verbindung mit den anderen dort genannten Tatbestandsmerkmalen – die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht als Deutscher, also die näherhin bezeichnete Wohnsitzverlegung ins Ausland, zum Anknüpfungspunkt der verschärften Einkommensteuerpflicht auch in solchen Fällen genommen wird, in denen diese Wohnsitzverlegung bereits vor der Verkündung der Norm erfolgt war. Das wird auch durch die Klarstellung des § 20 Abs. 2 AStG belegt. Danach wird die Anwendung der §§ 2 bis 5 AStG nicht dadurch berührt, daß die unbeschränkte Steuerpflicht der natürlichen Person bereits vor dem 1. Januar 1972 geendet hat.

Wie sich aus der Begrenzung der angeordneten Rechtsfolge auf die ersten zehn Veranlagungsjahre nach der Wohnsitzverlegung ergibt, werden damit für das Veranlagungsjahr 1972 auch alle diejenigen von der neuen Einkommensteuerpflicht erfaßt, die ihren Wohnsitz in den Jahren 1962 bis 1971 ins Ausland verlegt haben, sofern bei ihnen die übrigen Tatbestandsmerkmale gegeben sind; zu diesem Personenkreis gehört der 1965 in die Schweiz gezogene Kläger des Ausgangsverfahrens; Entsprechendes gilt für die späteren Veranlagungsjahre. Er wird daher – unter im übrigen unveränderten Umständen – erst für das Einkommensteuer-Veranlagungsjahr 1976 von dieser Steuerpflicht frei. Die Rückanknüpfung selbst entfällt erst im Veranlagungsjahr 1982.

Rückanknüpfend ist in allen diesen Fällen auch das normative Merkmal, demzufolge in den letzten zehn Jahren vor der Wohnsitzverlegung ins Ausland während mindestens fünf Jahren eine unbeschränkte Einkommensteuerpflichtigkeit als Deutscher bestanden haben muß (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AStG). Diese Rückanknüpfung entfällt erst im Einkommensteuer-Veranlagungsjahr 1987.

Demgegenüber müssen die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG ab dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm in Gegenwart und Zukunft erfüllt sein, wenn die erweiterte Einkommensteuerpflicht eintreten soll. Wie es mit diesen Merkmalen in der Zeit vor der Verkündung der Norm bestellt war, ist für den Eintritt der steuerlichen Rechtsfolge unerheblich.

4. Diese tatbestandliche Rückanknüpfung der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht durch § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG ist ebenso wie der gesamte Regelungsgehalt der Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Grundrechte der Betroffenen werden hierdurch auch nicht in Verbindung mit allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen verletzt.

a) Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Norm ist der Sinn bedeutsam, der dem Tatbestandsmerkmal der Wohnsitzverlegung in Verbindung mit dem Umstand zukommt, daß in den letzten zehn Jahren zuvor während mindestens fünf Jahren eine unbeschränkte Einkommensteuerpflichtigkeit als Deutscher bestanden haben muß. Diese Tatbestandsmerkmale besitzen zentrale Bedeutung; das Gesetz will gerade auf die bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung wesentlicher wirtschaftlicher Inlandsinteressen erfolgende „Steuerflucht” Deutscher einwirken, während etwa die im Falle der Tatbestandsverwirklichung eintretende Steuerpflicht mit der Folge der zusätzlichen Erzielung steuerlicher Einnahmen durch das Gemeinwesen nachrangige Bedeutung besitzt (vgl. Salditt, StuW 1972, S. 12 [18, 22]; Lipps, RIW/AWD 1972, S. 105 [107 f.]). Es handelt sich mithin um den typischen Fall einer verhaltenslenkenden Besteuerung.

b) Prüfungsmaßstab dieser tatbestandlichen Anknüpfung sind vorrangig die mit der Tatbestandsverwirklichung, hier mit der Wohnsitzverlegung in das Ausland, ins Werk gesetzten Grundrechte. Diese Wohnsitzverlegung eines Deutschen ins Ausland steht – ebenso wie die nur befristete Ausreise dorthin – verfassungsrechtlich nicht unter dem Schutz des Art. 11 GG; die Ausreisefreiheit ist durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt und damit der dort normierten Schrankentrias unterworfen (vgl. BVerfGE 6, 32 [34 ff.]). Die in § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG normierte Steuerpflicht hält sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Denn sie steht formell und materiell mit dem Verfassungsrecht in Einklang (vgl. BVerfGE 6, 32 [41]).

aa) Dies gilt zum einen für die Fälle, in denen der Wohnsitz erst so spät nach der Verkündung der Norm verlegt wird, daß die beiden hier zu erörternden Tatbestandsmerkmale – für das betreffende Veranlagungsjahr – bereits vollständig in der Zeit nach der Verkündung der Norm erfüllt worden sind.

Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes über die – auch erweiterte beschränkte – Einkommenbesteuerung ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG (BVerfGE 36, 66 [70 f.]). Auf den Entschluß, den Wohnsitz zu verlegen, dadurch einzuwirken, daß eine fortwirkende inländische Steuerpflicht nach der Wohnsitzverlegung eintritt, ist jedenfalls dann kein unverhältnismäßiges Mittel zur staatlichen Steuerung des Verhaltens Einzelner, wenn diese Wohnsitzverlegung – wie hier nach den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 2 Abs. 1 AStG sichergestellt ist – auch nicht annähernd dem Handeln des typischen Auswanderers gleichkommt. Dieses Handeln ist dadurch gekennzeichnet, daß auch alle wesentlichen wirtschaftlichen Bindungen zu dem bisherigen Wohnsitzstaat beendet werden; diese Auswanderer nimmt § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG von der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht gerade aus. Je mehr sich demgegenüber der Betreffende noch am inländischen wirtschaftlichen Leben beteiligt, zugleich aber sich steuerliche Vorteile aus der Verlegung seines Wohnsitzes zu verschaffen sucht, um so weniger geht es ihm darum, die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Ausreisefreiheit zu verwirklichen. Dies gilt auch dann, wenn der Betreffende – wie es § 2 Abs. 1 AStG umschreibt – zugleich mit der Wohnsitzverlegung oder weniger als fünf Jahre zuvor die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hat. Ein solcher – ehemaliger – Deutscher will bei der im Steuerrecht zulässigen typisierenden Betrachtung die Vorteile beider Rechtsordnungen genießen, ohne sich den Lasten jedenfalls einer von ihnen voll zu stellen: Er will im Ausland leben und dort spürbar weniger Steuern zahlen als bei Wohnsitz im Inland hier anfallen würden. Andererseits will er aber zugleich auch im Inland in erheblicher Weise wirtschaftlich tätig bleiben, anstatt auch diese Tätigkeiten ins Ausland zu verlegen (und damit möglicherweise seiner dort besonders günstigen steuerlichen Lage verlustig zu gehen). Ein solches Verhalten eigener oder ehemals eigener Staatsangehöriger muß kein Staat tatenlos hinnehmen. Vielmehr ist es zulässig, ja konnte dem Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung gerechter Besteuerungsverhältnisse im Inland nachgerade als geboten erscheinen, den Anreiz für ein solches „Doppelspiel” zu vermindern, indem dessen inländische steuerliche Vorteile auf das unvermeidliche Mindestmaß zurückgeführt werden. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG halten sich der Sche nach in diesem Rahmen des rechtsstaatlich Zulässigen und verstoßen daher insoweit auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Ebenso läßt der von der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht ausgehende – und beabsichtigte – steuerliche Druck dem Betreffenden noch genügend Spielraum, sich für oder gegen die Wohnsitzverlegung zu entscheiden. Auch wenn er bei seinem Entschluß zur Wohnsitzverlegung bleibt, wird durch die neue Steuerpflicht nicht der gesamte, bei der Riege der wirtschaftlichen Inlandsinteressen erzielte Ertrag zugunsten des deutschen Staates abgabepflichtig, geschweige denn die Substanz der hierfür verwendeten Wirtschaftsgüter entzogen.

bb) Verfassungsrechtlich nichts anderes gilt, wenn – wie etwa beim Kläger des Ausgangsverfahrens – die Wohnsitzverlegung (und damit auch die vorherige mindestens fünfjährige unbeschränkte Einkommensteuerpflicht als Deutscher) in den Zeitraum vor der Verkündung des Außensteuergesetzes fällt. Zwar war in solchen Fällen der Wohnsitz bereits verlegt, als die Norm verkündet wurde. Das bedeutet indessen nicht, daß die mit der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht verbundene Lenkungsabsicht hier überhaupt nicht mehr oder nur noch in völlig atypischen Fällen verwirklicht werden könnte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Betroffener die nunmehr eintretende Steuerpflicht zum Anlaß nimmt, die Frage, ob er seinen ausländischen Wohnsitz beibehält, mit dem Ergebnis zu überprüfen, daß er den Wohnsitz in das Inland zurückverlegt. Hiergegen spricht nicht, daß dies keineswegs in allen Fällen geschehen wird. Immerhin liegt ein solches Verhalten im Bereich des Möglichen und ist damit der staatlichen Verhaltenssteuerung zugänglich. Die verfassungsrechtliche Berechtigung zu diesem Steuerungsimpuls ist dabei nicht zu bezweifeln. Die „Halbherzigkeit” der Lösung vom Inland, an welche § 2 Abs. 1 und Abs. 5 AStG anknüpft, entfällt nicht mit der Verlegung des Wohnsitzes, sondern erst mit der Aufgabe der inländischen wirtschaftlichen Interessen beachtlichen Gewichts oder mit der Rückkehr ins Inland.

Ebensowenig läßt sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier in Rede stehenden tatbestandlichen Rückanknüpfung einwenden, daß diese selbst sich die eingangs erwähnte zeitliche Grenze gesetzt hat, mithin von der erweiterten Einkommensteuerpflicht bereits im ersten Veranlagungsjahr (1972) derjenige nicht betroffen ist, der im Jahre 1961 oder früher den Wohnsitz im Bundesgebiet aufgegeben hat. Es ist weder willkürlich noch sonstwie unvertretbar anzunehmen, daß ab einer gewissen Dauer des allein noch ausländischen Wohnsitzes auch derjenige (ehemalige) Deutsche, der weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland pflegt, sich in seinem neuen Aufenthaltsstaat so sehr eingelebt hat, daß er die Rückkehr von dort ins Inland jedenfalls nicht angesichts des Eintritts steuerlicher Belastungen von der Art des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG noch ernstlich in Betracht zieht. Die zeitliche Begrenzung der tatbestandlichen Rückanknüpfung stellt sich mithin als eine mögliche Konkretisierung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar; sie stellt denjenigen von der neuen steuerlichen Rechtsfolge frei, bei dem diese – durchaus spürbare – Rechtsfolge weitaus gewichtiger wäre als die hier nicht mehr realistische staatliche Hoffnung auf seine Rückkehr ins Bundesgebiet. Zwar mag es dabei angesichts der Notwendigkeit, einen Stichtag zu setzen, bis zu dem der Wohnsitz spätestens verlegt worden sein muß, zu gewissen Härten in Einzelfällen kommen, in denen die Ausreise nur kurze Zeit nach dem Stichtag erfolgt ist. Jedoch ist dies wie bei allen Stichtagsregelungen als unvermeidliche Nebenfolge zulässiger gesetzlicher Typisierungen hinzunehmen. In einer hinreichenden Zahl von Fällen kann die von solchen Härten begleitete steuerrechtliche Regelung hier ihren Lenkungszweck durchaus erfüllen. Auch wiegen diese Härten um so weniger schwer, als in derartigen Fällen die neue Steuerpflicht nur noch für kurze Zeit besteht, nämlich nur noch für so viele Jahre, wie der Betreffende erst nach dem Stichtag seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat.

c) Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht ist auch nicht wegen „erdrosselnder Wirkung” auf die von ihr betroffenen Arten der Einkunftserzielung (dazu BVerfGE 63, 343 [368], m.w.N.) oder aus anderen Gründen mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar. Insbesondere geht die neue Steuerpflicht ihrer Höhe nach – wie durch § 2 Abs. 6 AStG sichergestellt wird – regelmäßig nicht über diejenige der entsprechenden unbeschränkten Einkommensteuerpflicht eines im Inland Ansässigen hinaus.

d) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, daß derjenige, der die in § 2 Abs. 1 AStG beschriebene wirtschaftliche Tätigkeit im Inland ausübt, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen oder in der dort beschriebenen Weise besessen zu haben, nicht der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterworfen ist. Es ist als sachgerechte und darum den Willkürvorwurf ausschließende Erwägung anzusehen, Ausländer nicht von der Rückwanderung in ihre Heimat abzuhalten und auch keinen Druck zur (Wieder-)Einwanderung auf solche Ausländer (nicht auch: Doppelstaater) auszuüben, die bereits vor der Verkündung des Außensteuergesetzes in das Ausland zurückgekehrt sind oder die ihren Wohnsitz zu keiner Zeit im Bundesgebiet hatten.

II.

Nicht in jeder Hinsicht frei von verfassungsrechtlichen Verstößen ist hingegen § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG, soweit er – was hier allein zu prüfen ist – sich auf § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bezieht.

§ 20 Abs. 1 Buchst. a AStG ordnet an, daß die Vorschriften dieses Gesetzes für die Einkommensteuer erstmals für den Veranlagungszeitraum 1972 anzuwenden sind, welcher sich vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 1972 erstreckte (§ 25 Abs. 1 EStG 1971). Damit trifft er eine zeitbezogene Regelung sowohl auf der tatbestandlichen Ebene wie auch hinsichtlich der Rechtsfolgen der materiellen Steuernorm.

1. Steuerpflichtig sind danach schon solche Einkünfte, die zwischen dem 1. Januar 1972 und dem Tag vor der Verkündung des Außensteuergesetzes, also dem 11. September 1972 (einschließlich) zugeflossen sind. Insoweit knüpft § 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG eine Steuerpflicht an einen vor Verkündung des Gesetzes eingetretenen Sachverhalt.

Zugleich erfolgt – in Teilbereichen – eine bis auf den 1. Januar 1972 rückwirkende Änderung der bisherigen steuerrechtlichen Lage zum Nachteil der Betroffenen.

a) Soweit die veranlagte Einkommensteuer solcher Steuerpflichtiger geregelt ist, für die der Veranlagungszeitraum 1972 gemäß § 25 Abs. 1 EStG 1971 das volle Kalenderjahr 1972 umfaßte, sind die Rechtsfolgen – die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht bezüglich dieser Einkünfte – allerdings erst mit dem Ende des Jahres 1972 und damit erst nach der Verkündung des Außensteuergesetzes eingetreten (unten 2. a). Die damit insoweit allein gegebene tatbestandliche Rückanknüpfung bereits an die im Jahre 1972 in der Zeit vor der Verkündung des Gesetzes erzielten Einkünfte ist, wie oben I. 1. c) bb) aufgezeigt, vorrangig an den mit der Einkunftserzielung ins Werk gesetzten Grundrechten zu messen. Sie ist danach ebensowenig wie die materielle steuerrechtliche Regelung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG verfassungsrechtlich zu beanstanden (unten 2. b).

b) Dagegen trifft für diejenigen ursprünglich im Jahre 1972 nur beschränkt einkommensteuerpflichtigen, deren beschränkte Steuerpflicht vor dem 12. September 1972 jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hatte, mit der tatbestandlichen Rückanknüpfung zugleich eine (nachteilige) Änderung der ursprünglichen Rechtsfolgenlage zusammen. Durch das Außensteuergesetz wird der Kreis ihrer steuerpflichtigen Einkünfte nachträglich erweitert und die entsprechende Neuberechnung ihrer Steuerschuld angeordnet. Für diese Steuerpflichtigen war, wie sich aus § 25 Abs. 2 Satz 2 EStG 1971 ergibt, der Veranlagungszeitraum zur beschränkten Einkommensteuer (§ 1 Abs. 2 EStG 1971) spätestens mit dem 11. September 1972 beendet. Ihre Steuerpflicht war zu dieser Zeit – nur in dem durch die ursprüngliche Rechtslage angeordneten Umfang – bereits entstanden (unten 3. a). Verfassungsrechtlicher Maßstab ist hier – wegen des Schwergewichts der Gesamtregelung auf der Seite der nachträglichen Änderung der Rechtsfolgen – vorrangig das Rechtsstaatsprinzip (oben I. 1. c) aa). Gegen diesen Verfassungsgrundsatz verstößt die auf § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bezogene Anordnung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG hinsichtlich der erwähnten Gruppe von Steuerpflichtigen insoweit, als deren beschränkte Einkommensteuerpflicht vor dem 22. Juni 1972 ersatzlos geendet hat. Nur für die Einkünfte der noch nach dem 21. Juni 1972 nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage beschränkt einkommensteuerpflichtig gewesenen Personen ist die in Rede stehende Anordnung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG verfassungsrechtlich unbedenklich. Die verfassungsrechtliche Beanstandung erstreckt sich auch auf die vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage in dieser Zeit überhaupt keine Einkommensteuerpflicht bestand und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre (unten 3. b).

c) Tatbestandliche Rückanknüpfung und zugleich rückwirkende Änderung von Rechtsfolgen sind auch hinsichtlich derjenigen Einkünfte ursprünglich nur beschränkt Steuerpflichtiger gegeben, die vom 1. Januar 1972 bis zum Tage vor der Verkündung des Außensteuergesetzes, also bis zum 11. September 1972 (einschließlich), erzielt worden sind und in dieser Zeit einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen worden waren. Die nachträgliche (nachteilige) Änderung der ursprünglichen steuerlichen Rechtsfolge liegt darin, daß die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971 durch § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG rückwirkend beseitigt wird mit der Folge, daß diese Einkünfte in die – tarifmäßig nach dem „Welteinkommen” vorzunehmende – Berechnung der gesamten Jahres-Einkommensteuerschuld einbezogen sind (unten 4. a). Nur für die frühestens am Tage des Gesetzesbeschlusses des Bundestages über das Außensteuergesetz zugeflossenen Einkünfte ist die hierfür ursächliche Regelung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG verfassungsrechtlich unbedenklich; dagegen ist sie für die in der Zeit zuvor zugeflossenen derartigen Einkünfte rechtsstaatswidrig und nichtig (unten 4. b).

2. a) Nach § 2 Abs. 1 EStG 1971 (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG 1985, BGBl 1985 I S. 977) bemißt sich die Einkommensteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Gemäß § 25 Abs. 1 EStG 1971/1985 wird die Einkommensteuer, soweit eine Veranlagung erfolgt, für den Regelfall nach Ablauf des Veranlagungszeitraums nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Zeitraum bezogen hat. „Einkommen” bedeutet dabei, wie sich aus der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG 1971 (§ 2 Abs. 3 und 4 EStG 1985) ergibt, die Summe der Einkünfte aus den im Einkommensteuergesetz näher bezeichneten Einkunftsarten nach Abzug (insbesondere) der im Einkommensteuergesetz geregelten Sonderausgaben. Auch innerhalb der einzelnen Einkunftsarten erfolgt zunächst jeweils eine auf den gesamten Veranlagungszeitraum bezogene Saldierung von positiven und negativen Einkünften, ehe der – positive oder negative – Gesamtbetrag der Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsart in der beschriebenen Weise in die Rechnung zur Ermittlung des Einkommens des Steuerpflichtigen eingestellt wird; dies zeigen etwa die Begriffsbestimmungen „Gewinn” und „Überschuß” in § 2 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 EStG 1971 (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG 1985).

Dieser Grundsatz der Jahresbezogenheit der Einkunfts- und Einkommensermittlung durchzieht – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Durchbrechungen wie etwa in § 25 Abs. 2 EStG 1971/1985 (dazu unten 3. a) – das gesamte Einkommensteuerrecht. Weiterhin ordnete zur Zeit der Verkündung des Außensteuergesetzes die Vorschrift des § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c Steueranpassungsgesetz – StAnpG – (vgl. jetzt § 36 Abs. 1 EStG 1985) an, daß die Einkommensteuerschuld aus der veranlagten Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.

Mithin treten die Rechtsfolgen einkommensteuerlicher Bestimmungen, die die Steuerpflichtigkeit bestimmter Einkünfte regeln, in bezug auf die veranlagte Einkommensteuer stets erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, im Regelfall des § 25 Abs. 1 EStG 1971/1985 also mit Ablauf des Kalenderjahres der Einkunftserzielung, ein. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Steuerpflichtigkeit als auch – gegebenenfalls – für die Steuerfreiheit von Einkünften. Erst wenn eine nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verkündete Norm mit Wirkung für diesen Zeitraum eine ursprünglich geltende steuerliche Rechtsfolgenlage nachträglich ändert, handelt es sich um die Rückbewirkung einer Rechtsfolge. In allen anderen Fällen, in denen die Änderung noch während des Laufs des Veranlagungszeitraums verkündet wird, liegt lediglich eine Neubestimmung einer bislang noch nicht eingetretenen Rechtsfolge vor.

Nach diesen Kriterien entfaltet die Anordnung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG, daß die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG auch schon „für den Veranlagungszeitraum 1972” eintreten sollen, in den in § 25 Abs. 1 EStG 1971 umschriebenen Regelfällen der veranlagten Einkommensteuer keine Rückwirkung. Auch soweit mit dieser Anordnung an Einkunftstatbestände angeknüpft wird, welche bereits vor der Verkündung der Norm verwirklicht worden sind, tritt die Rechtsfolge, nämlich die (neugeregelte) Einkommensteuerpflichtigkeit dieser Einkünfte, für den Regelfall des § 25 Abs. 1 EStG 1971 erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres 1972 und damit nach der am 11. September 1972 erfolgten Verkündung des Außensteuergesetzes ein.

b) Den Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Anordnung künftiger Rechtsfolgen, die (auch) an der Vergangenheit zugehörige Tatbestandsmerkmale anknüpft, bilden, wie oben I. 1. c) bb) aufgezeigt, vorrangig die mit der Verwirklichung des Steuertatbestands ins Werk gesetzten Grundrechte. Je nach Art der betroffenen Einkünfte und der Wege, auf denen sie erzielt wurden, kommen dabei namentlich Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht.

In Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (oben I. 1. c) bb) ist allen diesen Grundrechten im Hinblick auf steuerlich belastende Neuregelungen der vorliegenden Art gemeinsam, daß sie den (nunmehr) Steuerpflichtigen vor der Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens bewahren. Der Steuerpflichtige muß im Rechtsstaat grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer steuerlichen Neuregelung darauf vertrauen können, daß Einkünfte, die ihm bis dahin zugeflossen sind, nicht nachträglich einer schärferen steuerlichen Belastung unterworfen werden, als sie bis dahin galt. Der Gesetzgeber andererseits ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, für die Zukunft die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens zu verschärfen.

Dem Gesetzgeber muß es grundsätzlich möglich sein, auch im Wege tatbestandlicher Rückanknüpfungen unter Änderung künftiger Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerks zu reagieren oder durch eine solche Änderung erst bestimmte soziale Gegebenheiten in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder das Handeln des Gesetzgebers schlechterdings ohne sachlichen Grund erfolgt und darum im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich ist oder wenn die Neuregelung, wiewohl sie von sachlichen Gründen getragen ist, ausnahmsweise hinter ein überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen zurücktreten muß, welches auf die Bewahrung der nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage bevorstehenden (günstigeren) Rechtsfolge ihres vergangenen Handelns gerichtet ist.

Ein solches schutzwürdiges Vertrauen liegt hier nicht in der – sodann enttäuschten – Hoffnung der Betroffenen, daß ihre Erwerbsvorgänge, welche sie vor der Verkündung des Außensteuergesetzes vorgenommen oder eingeleitet hatten, nach dem Ablauf des Veranlagungsjahres 1972 keine ungünstigere steuerliche Rechtsfolge auslösen würden, als nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtslage abzusehen war. Wie, der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, handelte es sich bei dieser ursprünglichen Rechtsfolgenanordnung – wenngleich entgegen seiner Ansicht im wesentlichen nur für den Regelfall des § 25 Abs. 1 EStG 1971 – von vornherein nur um eine vorläufige, unter dem Vorbehalt rechtzeitiger – auch verschlechternder – Abänderung stehende normative Regelung. Diese Vorläufigkeit des Einkommensteuerrechts vor Ablauf des Veranlagungszeitraums ist den am Steuerrechtsverkehr Beteiligten, gerade wenn sie zu dem nunmehr von § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG erfaßten Personenkreis gehören, seit jeher bekannt. Sie richten sich in ihrem wirtschaftlichen Verhalten nicht selten ganz bewußt darauf ein, so etwa wenn sie gewisse einkommensteuerlich erhebliche Vorgänge erst gegen Ende des Kalenderjahres vornehmen, weil dann die Wahrscheinlichkeit einer noch rechtzeitig eintretenden verschlechternden Neuregelung der steuerlichen Rechtsfolgen dieser Vorgänge bereits aus zeitlichen Gründen nur noch sehr gering ist.

Unter diesen Umständen war der Gesetzgeber nicht durch die Grundrechte der Betroffenen in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gehindert, die erwähnte Teilregelung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG i.V.m. § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG zu treffen.

3. a) Anders dagegen liegt es, soweit § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG die Anwendung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG auch auf die vom 1. Januar 1972 bis zum Tag vor der Verkündung des Gesetzes, also bis zum 11. September 1972 (einschließlich), zugeflossenen Einkünfte solcher Steuerpflichtiger anordnet, bei denen nach der ursprünglichen maßgeblichen Rechtslage in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Abs. 2 EStG 1971 bestanden hat und diese Steuerpflicht vor dem 12. September 1972 jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hat, also insbesondere nicht durch einen sofortigen oder späteren, aber noch im Kalenderjahr 1972 erfolgten Eintritt der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder Neueintritt der (gewöhnlichen) beschränkten Einkommensteuerpflicht ersetzt worden ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom 1. Januar 1972 bis zum 11. September 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte derjenigen Personen, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage in diesem Zeitraum überhaupt keine Einkommensteuerpflicht beständen hat und eine solche Pflicht auch im restlichen Kalenderjahr 1972 nicht mehr – in der Form der beschränkten oder der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht – entstanden wäre.

In der zuerst genannten Gruppe von Fällen war gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 EStG 1971 die Veranlagung der Betroffenen zur Einkommensteuer sofort nach dem ersatzlosen Wegfall der beschränkten Einkommensteuerpflicht, also noch vor der Verkündung des Außensteuergesetzes, zulässig. Ungeachtet der Umschreibung des Veranlagungszeitraums als des (vollen) Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG 1971/1985) setzte die Zulässigkeit dieser Veranlagung – unabhängig davon, wann sie vorgenommen wurde – voraus, daß auch die Steuerschuld spätestens zum Zeitpunkt der Zulässigkeit der Veranlagung entstanden war. Die Einkommensteuerschuld der Personen, die im Jahre 1972 spätestens am Tag vor der Verkündung des Außensteuergesetzes ersatzlos aus der beschränkten Einkommensteuerpflicht ausgeschieden waren, war bereits vor der Verkündung dieses Gesetzes entstanden. Damit strukturell übereinstimmend stand in der zweiten Fallgruppe die Einkommensteuerfreiheit der vom 1. Januar 1972 bis zum 11. September 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte bereits vor der Verkündung des Außensteuergesetzes endgültig fest.

Indem § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG die Anwendung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG auch auf die in dem genannten Zeitraum zugeflossenen Einkünfte dieser beiden Gruppen von Betroffenen anordnet, knüpft er nicht nur (wie in den übrigen Fällen) an Tatbestandsmerkmale an, die der Vergangenheit angehören, sondern ändert rückwirkend (und typischerweise nachteilig) auch die steuerlichen Rechtsfolgen des vergangenen tatbestandlichen Handelns.

b) Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Zulässigkeit einer Rechtsänderung, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpft und zugleich Rechtsfolgen in die Vergangenheit erstreckt, ist – wegen des Schwergewichts der Gesamtregelung auf der Rechtsfolgenseite – vorrangig das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. den von der Rechtsfolgenanordnung berührten Grundrechten (oben I. 1. c) aa). Vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes bedarf es stets besonderer Rechtfertigung, soll eine nachträgliche belastende Änderung der bereits eingetretenen Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens ausnahmsweise zulässig sein. Bei der Prüfung möglicher Gründe einer solchen Rechtfertigung ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß sich die Regelung zugleich an den Grundrechten messen lassen muß, welche die Betroffenen damit ins Werk gesetzt haben (oben I. 1. c) aa).

Eine derartige Änderung der Rechtsfolgenlage ist hier nur für die Zeit ab dem endgültigen Gesetzesbeschluß des Bundestages, dem 22. Juni 1972, zu rechtfertigen. Daran fehlt es für den vor diesem Beschluß liegenden Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich).

aa) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes zieht der Befugnis des Gesetzgebers, den Eintritt nachteiliger Rechtsfolgen auf einen Zeitraum vor der Verkündung des Gesetzes zu erstrecken, enge Grenzen. Aus Art. 103 Abs. 2 GG, der ein Rückwirkungsverbot für materielle Strafrechtsnormen aufstellt, darf nicht gefolgert werden, daß Rückwirkung im übrigen verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Die Verläßlichkeit der Rechtsordnung ist eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im nachhinein stärker belastende Rechtsfolgen knüpfen, als sie zur Zeit des Ablaufs dieses Verhaltens oder des Eintritts dieser Umstände von dem damals geltenden Recht angeordnet waren. Dies gilt zumal dort, wo die angeordnete Rückwirkung – wie hier – mit einer tatbestandlichen Anknüpfung im wesentlichen an Umstände der Vergangenheit einhergeht (vgl. BVerfGE 30, 272 [285]; st. Rspr.).

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Rechtfertigungsgründe falltypisch entwickelt worden. Diese Falltypen sind nicht erschöpfend. Sie sind Ausprägungen des Grundgedankens, daß allein zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht – oder nicht mehr – vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern können: Lediglich der bislang vom Bundesverfassungsgericht zusätzlich anerkannte sogenannte Bagatellvorbehalt (BVerfGE 30, 367 [389]) läßt sich nicht auf diesen Grundgedanken zurückführen; auf seine Berechtigung ist indessen im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen.

Liegt in diesem Sinne ein Grund vor, der es von Verfassungs wegen rechtfertigt, das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot zu durchbrechen, so darf diese Durchbrechung gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz der Lebenssachverhalte verletzen, welche von dem Eingriff – sei es durch die nachträgliche Änderung, der Rechtsfolgen, sei es durch die rückanknüpfenden Tatbestandsmerkmale – betroffen sind. Am Beispiel der eigentumskräftig gewährleisteten Rechtspositionen bedeutet dies, daß die Grenzen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 3 GG für die zulässige Sozialbindung oder Enteignung solcher Rechtspositionen nicht durch die Anordnung von Rückwirkung unterlaufen werden dürfen (BVerfGE 13, 261 [272]; 30, 367 [387 ff.]; st. Rspr.).

bb) (1) Von den möglichen Rechtfertigungsgründen für die in Rede stehende Änderung der steuerlichen Rechtsfolgen kommt hier der sogenannte Bagatellvorbehalt nicht in Betracht. Wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 AStG ergibt, tritt die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht nur für solche Veranlagungszeiträume ein, in denen die hiernach insgesamt beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte des einzelnen Steuerpflichtigen mehr als 32.000 DM betragen. Hat die gegenständliche Erweiterung der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wie sie § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG vornimmt, zur Besteuerung von Einkünften in dieser Größenordnung geführt, so folgt aus ihr typischerweise eine erheblich höhere Steuerlast für den Zeitraum der Steuerpflicht, als sie nach der bis zur Verkündung des Außensteuergesetzes geltenden Rechtslage gegeben war. Dies gilt zumal im Hinblick auf die Beseitigung der Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971 durch § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG, soweit Einkünfte im Sinne dieser einkommensteuergesetzlichen Regelung im steuerlich maßgeblichen Zeitraum erzielt wurden. Erst recht ist die Höhe der steuerlichen Mehrbelastung in den Fällen erheblich, in denen erst die vom Außensteuergesetz bewirkte Rechtsänderung zu einer Einkommensteuerpflicht und Einkommensteuerschuld für die vom 1. Januar 1972 bis zum 11. September 1972 (einschließlich) erzielten Einkünfte eines Steuerpflichtigen geführt hat.

(2) Vor der Verkündung des Außensteuergesetzes war im fraglichen Sachbereich auch keine unklare oder verworrene Rechtslage gegeben, deren Ersetzung durch eine eindeutige, allerdings fallweise stärker belastende Regelung hätte gerechtfertigt sein können (dazu BVerfGE 13, 261 [272]; 30, 367 [388 f.]). Aus §§ 1 Abs. 2, 49 EStG 1971 ergab sich seinerzeit klar und eindeutig, daß diejenigen Einkünfte anderer als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger, die dort nicht der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterworfen wurden, nach deutschem Einkommensteuerrecht steuerfrei waren. Entsprechendes gilt für die Anordnung der Abgeltungswirkung in § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971.

(3) Ebensowenig läßt sich behaupten, durch § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG sei mit Wirkung vom 1. Januar 1972 eine verfassungswidrige Lücke im bisherigen System der inländischen Einkommenbesteuerung geschlossen worden, auf deren Fortbestand zu keiner Zeit habe vertraut werden dürfen (vgl. dazu BVerfGE 13, 261 [272]). Das insoweit angesprochene, aus Art. 3 Abs. 1 GG – gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren betroffenen Grundrechten – fließende Gebot der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (vgl. – gerade für das Einkommensteuerrecht – jüngst BVerfGE 68, 143 [152 f.]; 61, 319 [343 f.]) hinderte die nach der früheren Rechtslage gegebene einkommensteuerliche Freistellung derjenigen Einkünfte des nunmehr betroffenen Personenkreises nicht, die in typischer Weise weniger enge Verbindungen zum Inland aufweisen, als sie bei anderen Einkünften derselben Person oder bei gleichen Einkünften von Gebietsinländern bestehen. Weiterhin hatte die Anordnung der Abgeltungswirkung in § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971 auch für den vom Außensteuergesetz erfaßten Personenkreis vor dem Verfassungsrecht Bestand.

(4) Die Entstehungsgeschichte des Außensteuergesetzes belegt schließlich nicht, daß die hier in Rede stehende Änderung des Steuerrechts aus „zwingenden Gründen des gemeinen Wohls” (dazu BVerfGE 13, 261 [272]; 30, 367 [390 f.]) geboten gewesen wäre. Daß solche Gründe nicht vorlagen, hat der Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluß überzeugend dargetan.

(5) Allerdings entfiel für die von der Neuregelung Betroffenen vom Tag des Gesetzesbeschlusses des Bundestages über das Außensteuergesetz an das bis dahin gegebene schutzwürdige Vertrauen in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage. Ab diesem Tage mußten die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen. Es war ihnen daher zuzumuten, ihr Verhalten seither auf deren Inhalt einzurichten. Unter diesen Umständen durfte der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich der in Rede stehenden Regelung auch auf den Zeitraum vom Gesetzesbeschluß bis zur Verkündung – nicht jedoch für die Zeit vor dem Gesetzesbeschluß – erstrecken.

Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Wegfall des schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der bisherigen Rechtsfolgenlage in der Regel auf den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die normative Neuregelung festgelegt (vgl. etwa BVerfGE 30, 272 [287]). Zugleich hat das Gericht aber stets hervorgehoben, daß das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage noch nicht entfallen lassen (BVerfGE a.a.O.). An dieser Rechtsprechung ist auch unter Würdigung der hiergegen insbesondere vom Kläger des Ausgangsverfahrens vorgebrachten Einwände festzuhalten.

Jede Festlegung eines für das Ende des schutzwürdigen Vertrauens in die bisherige Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkts stellt notwendig einen Ausgleich zwischen gegenläufigen Interessen dar. Bei diesen handelt es sich zum einen um das – rechtsstaatliche, aber auch aus dem Inbegriff der Grundrechte und letztlich aus dem Freiheitsverständnis entspringende – Interesse des Einzelnen, daß er sich eine Neuregelung erst entgegenhalten lassen muß, wenn sie endgültig verbindlich geworden ist und er sich über ihren vollständigen Inhalt genau unterrichten konnte. Bestmögliche Lösung aus dieser Sicht wäre das Fortbestehen des Vertrauensschutzes, bis die neue Regelung verkündet worden ist. Diesem Interesse steht gegenüber das staatliche Interesse, daß eine vom Gesetzgeber für geboten erachtete Neuregelung alsbald „greift” und so die zeitlichen Möglichkeiten weitgehend eingeschränkt werden, sie zu umgehen und damit den angestrebten politischen Erfolg zu mindern. Diesem Zweck diente es am besten, den Vertrauensschutz spätestens mit der Einbringung des Gesetzentwurfs der Neuregelung entfallen zu lassen.

In diesem Spannungsfeld ist es der verhältnismäßig beste Ausgleich, auf den Zeitpunkt des – vorbehaltlich neuerlicher Beschlußfassung gemäß Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG – endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages abzustellen. Er setzt keines der beiden gegenläufigen Interessen über Gebühr hintan und läuft nicht ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Verankerungen zuwider.

Auch in den Fällen, in denen – wie bei den hier in Rede stehenden Regelungen des Außensteuergesetzes – die politische Lage den Erlaß der gesetzlichen Neuregelung bereits von vornherein als mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar erscheinen ließ, stellt der endgültige Gesetzesbeschluß des Bundestages einen wesentlichen Markstein auf dem Weg der Gesetzwerdung dar. Mit diesem Beschluß ist der wesentliche – wenn auch nicht der einzige und nicht der letzte – Unsicherheitsfaktor beseitigt, was das „Ob” und „Wie” der Neuregelung angeht. Das rechtfertigt und gebietet es, auch in derartigen Fällen den Vertrauensschutz nicht vor dem Gesetzesbeschluß enden zu lassen. Zugleich liegt von diesem Zeitpunkt an das Zwischenergebnis des Gesetzgebungsverfahrens offen zutage und kann von jedem zur Kenntnis genommen werden. Steht damit – schon wegen der Mitwirkungsbefugnisse des Bundesrates – auch weder der Inhalt des künftigen Gesetzes fest, noch daß es überhaupt endgültig zustande kommen wird, so läuft es gleichwohl dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten nicht zuwider, wenn von diesem Einschnitt an der Einzelne auf das künftige Fortbestehen der bisherigen Rechtslage jedenfalls nicht mehr vertrauen darf.

Im vorliegenden Fall spricht zumal die Besonderheit des Kreises der von der Rechtsänderung Betroffenen und deren lebhafte Anteilnahme am Entstehen der Neuregelung, auch vermittels publizistischer Beiträge von Angehörigen der steuerberatenden Berufe, für die Richtigkeit dieser Erwägungen.

Wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig und nichtig ist die auf § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bezogene Anordnung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG in den hier in Rede stehenden sachlichen Teilbereichen (oben aa) daher nur, soweit sich ihr zeitlicher Anwendungsbereich auf die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich) erstreckt.

4. a) Tatbestandliche Rückanknüpfung und rückwirkende Änderung von Rechtsfolgen treffen auch insoweit zusammen, als die auf § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bezogene Anordnung des § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG auf solche Einkünfte erstreckt wird, die dem Steuerpflichtigen vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 zugeflossen sind und nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen waren. Die tatbestandliche Rückanknüpfung der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht auch an solche Einkünfte ergibt sich unmittelbar aus den genannten Vorschriften. Die rückwirkende Änderung der steuerlichen Rechtsfolgen liegt jedenfalls darin begründet, daß § 2 Abs. 5 Satz 2 AStG die für diese Einkünfte nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, dem § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1971, eingetretene Abgeltungswirkung der im Wege des Steuerabzugs entrichteten Einkommensteuer (aus der gewöhnlichen beschränkten Einkommensteuerpflicht des § 1 Abs. 2 EStG 1971) nachträglich beseitigt hat. Hierdurch werden diese Einkünfte in die tarifmäßig nach dem „Welteinkommen” zu bemessende Einkommenbesteuerung nach Maßgabe der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AStG) einbezogen. Soweit der Steuersatz der Abzugssteuer, wie in der Regel, wesentlich niedriger war als der Steuersatz, der sich bei Zugrundelegung des „Welteinkommens” nach der erweiterten beschränkten Einkommensteuer ergibt, folgt hieraus für die betroffenen Einkünfte eine nachträgliche Erhöhung der auf sie entfallenden Steuerschuld.

Wesentlich für die Feststellung einer rückwirkenden Änderung der steuerlichen Rechtsfolgenlage ist hier der Umstand, daß die Besteuerung der in Rede stehenden Einkünfte mit dem Abfluß der im Abzugswege erhobenen Einkommensteuer nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung „abgegolten”, also in jeder Hinsicht beendet war. Durch diesen Steuerabzug war die – mithin bereits zuvor entstandene – Einkommensteuerschuld auf diese Einkünfte (vgl. dazu auch § 3 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a Steueranpassungsgesetz) beglichen worden und erloschen. Die Rechtslage ist insoweit eine grundlegend andere als bei den der veranlagten – beschränkten oder unbeschränkten – Einkommensteuer unterworfenen Einkünften, für die die Einkommensteuerschuld erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums (oben 2. a) oder gegebenenfalls erst mit dem vor Jahresende erfolgten ersatzlosen Wegfall der Einkommensteuerpflicht (oben 3. a) entsteht.

b) Aus den vorstehend zu 3. b) genannten Gründen kann auch diese rückwirkende Änderung der steuerlichen Rechtsfolgen vergangenheitszugehöriger Lebenssachverhalte verfassungsrechtlich nur insoweit hingenommen werden, als sich ihr zeitlicher Anwendungsbereich auf die Zeit zwischen dem endgültigen Gesetzesbeschluß des Bundestages und der Verkündung des Außensteuergesetzes erstreckt. Dagegen ist sie für die vom 1. Januar 1972 bis zum 21. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossenen und dem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen gewesenen Einkünfte rechtsstaatlich nicht hinnehmbar; § 20 Abs. 1 Buchst. a AStG, soweit er sich auf § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG bezieht, ist in diesem Umfange verfassungswidrig und nichtig.

III.

Für die Fallgruppen, die den beim Außensteuergesetz beanstandeten Fallgruppen gleichkommen (oben II. 3. und 4.), ist auch die rückwirkende Änderung der innerstaatlichen deutschen Rechtsfolgenlage durch das Zustimmungsgesetz zu dem neuen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 11. August 1971 verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Insoweit ist Art. 1 Abs. 1 des deutschen Zustimmungsgesetzes zu diesem Abkommen wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig und nichtig; die innerstaatliche Anwendung der Art. 30 Abs. 1 und 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 6 Buchst. a dieses Doppelbesteuerungsabkommens durch die Bundesrepublik Deutschland ist insoweit von Verfassungs wegen gehindert. Dagegen hat die auf Art. 4 Abs. 6 Buchst. a und – hierauf bezogen – auf Art. 30 Abs. 1 und 32 Abs. 2 DBA 1971 gerichtete innerstaatliche Geltungsanordnung des Art. 1 Abs. 1 des genannten Zustimmungsgesetzes im übrigen vor dem Grundgesetz Bestand.

1. Das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Doppelbesteuerungsabkommen 1971 ist insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich, als es sich unmittelbar auf Art. 4 Abs. 6 Buchst. a des Abkommens bezieht. Diese Vertragsbestimmung enthält für sich genommen keine Aussage darüber, in welcher Weise sie mit ihrer – grundsätzlich nunmehr stärker belastenden – Rechtsfolgenanordnung erstmals Anwendung finden soll, ob sie also tatbestandlich rückanknüpft oder rückwirkend Rechtsfolgen ändert. Ihr Inhalt erschöpft sich in der Anordnung, daß nicht als „in einem Vertragstaat ansässig” im Sinne des Abkommens eine natürliche Person gilt, „die in dem Vertragstaat, in dem sie nach den vorstehenden Bestimmungen ansässig wäre, nicht mit allen nach dem Steuerrecht dieses Staates allgemein steuerpflichtigen Einkünften aus dem anderen Vertragstaat den allgemein erhobenen Steuern unterliegt”. Eine Person, die danach im Aufenthaltsstaat eine Vorzugsbesteuerung genießt, unterfällt mithin nicht dem Schutz des neuen Doppelbesteuerungsabkommens vor gleichzeitiger Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Denn das Abkommen gewährt diesen Schutz gemäß seinem Art. 1 von vornherein nur solchen Personen, „die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind”.

Dieser Wegfall des bislang geltenden Doppelbesteuerungsschutzes – im Fall des Klägers des Ausgangsverfahrens: aus Art. 6 Abs. 1 DBA 1931/59 – für den genannten Personenkreis ist im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich hierbei – angesichts des Bestehens (§ 1 Abs. 2 EStG 1971) oder der alsbaldigen Neubegründung einer Steuerpflicht – um eine nachteilige Rechtsfolgenanordnung wie bei der Begründung einer bislang so nicht bestehenden innerstaatlichen Steuerpflicht (vgl. BVerfGE 30, 272 [285 f.]). Sie rechtfertigt sich aber vor der Verfassung aus denselben Gründen wie die inhaltliche Regelung des § 2 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 AStG (dazu oben I. 4.); dies gilt auch, wo der Betroffene – wie hier der Kläger des Ausgangsverfahrens – den Aufenthalt in dem anderen Vertragsstaat bereits vor dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung von Rückanknüpfung und Rückwirkung (dazu unten 2.) genommen hat. Wer in dem einen Staat, in dem er keinen Wohnsitz hat, einkommensteuerpflichtige Einkünfte bezieht, aber im anderen Staat nicht mit allen seinen nach dem Recht dieses Staates allgemein steuerpflichtigen Einkünften aus dem erstgenannten Staat zu den allgemein erhobenen Steuern herangezogen wird, bekennt sich nach seinem Verhalten ebensowenig wie der in § 2 Abs. 1 AStG umschriebene – und weithin personengleiche – Kreis von Steuerpflichtigen in so eindeutiger Weise mindestens zu einem der beiden Vertragsstaaten und seiner Staats-, Rechts- und Steuerordnung, daß sein Schutz vor gleichzeitiger Besteuerung der in Rede stehenden Einkünfte in beiden Staaten möglicherweise vom deutschen Verfassungsrecht geboten sein könnte.

2. Nach Art. 32 des Doppelbesteuerungsabkommens 1971 erlangte das Abkommen mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden völkerrechtliche Verbindlichkeit. Zugleich legt diese Vertragsbestimmung die (erstmalige) Anwendung des Abkommens sowohl auf die im Abzugswege (an der Quelle) erhobenen Steuern von den nach dem 31. Dezember 1971 zugeflossenen Einkünften als auch auf die sonstigen für das Jahr 1972 und die folgenden Jahre erhobenen Steuern fest. Gemäß Art. 30 Abs. 1 des neuen Abkommens tritt mit dessen Inkrafttreten das alte Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz von 1931/59 außer Kraft, soweit es sich nach seinem Abschnitt I auf die direkten Steuern bezieht; seine diesbezüglichen Bestimmungen finden personell, sachlich und zeitlich nicht mehr Anwendung für Steuern, für die das neue Abkommen nach seinem Art. 32 anzuwenden ist. In bezug auf die in Art. 32 Abs. 2 DBA 1971 umschriebenen Einkünfte erlischt damit für den nunmehr unter Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 fallenden Personenkreis der aus dem alten Doppelbesteuerungsabkommen fließende Doppelbesteuerungsschutz; dies gilt auch, soweit einschlägige Einkünfte im Jahre 1972 zugeflossen sind. Die deutsche Einkommenbesteuerung dieser Einkünfte, soweit sie nach dem maßgeblichen deutschen Einkommensteuerrecht – einschließlich des § 2 AStG, in seinem verfassungsgemäßen Umfang – erfolgt, ist daher nicht mehr von Vertrags wegen untersagt.

a) Zu der Frage, inwieweit die deutsche gesetzliche Zustimmung zu einer völkervertraglichen Regelung tatbestandliche Rückanknüpfung oder die rückwirkende Änderung von Rechtsfolgen umfaßt, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Beschluß zum deutsch-österreichischen Rechtshilfevertrag (BVerfGE 63, 343 [354 f.]) Stellung genommen. Danach ist zu unterscheiden zwischen der Rückwirkung auf der völkerrechtlichen Ebene und derjenigen auf der innerstaatlichen Ebene. Eine Rückwirkung des Vertrages auf der völkerrechtlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt vor dem Vertragsschluß festgelegt wird; eine Rückwirkung des Vertrages auf der innerstaatlichen Ebene ist gegeben, wenn der Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor der innerstaatlichen Verlautbarung, daß der Vertrag zustande gekommen ist, liegt (BVerfGE 63, 343 [355]). Auch im vorliegenden Zusammenhang ist zu beachten, daß es bei der Frage der Rückwirkung stets um zwei getrennte Problemkreise geht, zum einen um eine mögliche tatbestandliche Rückanknüpfung und zum anderen um die mögliche rückwirkende Herbeiführung ungünstigerer als der nach der ursprünglichen Rechtslage maßgeblichen Rechtsfolgen (dazu oben I. 1. b).

b) Danach ergibt sich für das deutsche Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971, soweit es hier zur Entscheidung steht:

aa) Das Abkommen ist gemäß seinem Art. 32 Abs. 1, 1. Halbsatz mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden völkerrechtlich zustande gekommen; dieser Austausch erfolgte am 29. Dezember 1972 und wurde durch Bekanntmachung vom 19. Januar 1973, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt vom 9. Februar 1973 (BGBl II S. 74), innerstaatlich bekanntgegeben. Indem das Abkommen seinen sachlichen Anwendungsbereich für das Einkommensteuerrecht zeitlich auch auf die im Jahre 1972 zugeflossenen Einkünfte erstreckt (Art. 32 Abs. 2, 2. Halbsatz DBA 1971), legt es sich Rückwirkung auf der völkerrechtlichen Ebene für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 28. Dezember 1972 (einschließlich) bei. Diese Rückerstreckung besteht zum einen in einer tatbestandlichen Rückanknüpfung, indem die innerstaatliche Besteuerbarkeit auch solcher Einkünfte geregelt wird, die bereits vor dem völkerrechtlichen Verbindlichwerden des Abkommens dem nach innerstaatlichem Einkommensteuerrecht Steuerpflichtigen zugeflossen waren. Zum anderen geht mit dieser tatbestandlichen Rückanknüpfung in Teilbereichen auch eine rückwirkende verschlechternde Änderung der Rechtsfolgenlage einher. Betroffen hiervon sind diejenigen Personen, deren innerstaatliche Steuerschuld – sieht man von dem erst durch das neue Doppelbesteuerungsabkommen behobenen völkerrechtlichen Besteuerungshindernis ab – bereits vor dem Tag, zu dem das neue Abkommen völkerrechtlich verbindlich wurde, entstanden gewesen wäre oder endgültig nicht entstanden gewesen wäre. Soweit diese Personen durch das alte Doppelbesteuerungsabkommen – beim Kläger des Ausgangsverfahrens: durch dessen Art. 6 Abs. 1 – vor deutscher Besteuerung geschützt waren und dieser Schutz nunmehr entfällt, handelt es sich – da die alte Vertragsnorm auch dem privaten Einzelnen eine subjektive Rechtsstellung verlieh, also Rechte und Pflichten nicht lediglich im völkerrechtlichen Verhältnis der Vertragsstaaten begründete – um eine nachteilige Änderung der Rechtsfolgen des unter tatbestandlicher Rückanknüpfung zum Regelungsgegenstand gemachten Verhaltens.

Dies betrifft die vom 1. Januar 1972 bis zum 28. Dezember 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, entweder in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Abs. 2 EStG 1971 bestanden hätte und diese Pflicht vor dem 29. Dezember 1972 jedenfalls für das Kalenderjahr 1972 ersatzlos geendet hätte (zum Begriff der Ersatzlosigkeit vgl. oben II. 3. a) oder in dieser Zeit überhaupt keine deutsche Einkommensteuerpflicht bestanden hätte und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre (vgl. dazu sinngemäß oben II. 3. a). Weiter sind diejenigen – von Art. 32 Abs. 2 Buchst. a DBA 1971 ausdrücklich erwähnten – Einkünfte betroffen, die dem Steuerpflichtigen vom 1. Januar 1972 bis zum 28. Dezember 1972 (einschließlich) zugeflossen sind und nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen gewesen wären (vgl. dazu sinngemäß oben II. 4. a).

Dagegen liegt für die zur veranlagten Einkommensteuer heranzuziehenden Einkünfte derjenigen Personen, bei denen die deutsche Einkommensteuerpflicht nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage – bei Annahme der Zulässigkeit der deutschen Einkommenbesteuerung – nicht vor dem 29. Dezember 1972 ersatzlos geendet hätte, aus den oben II. 2. genannten Gründen keine rückwirkende Änderung der Rechtsfolgenlage vor. Gleiches gilt für die seit dem 29. Dezember 1972 zugeflossenen Einkünfte solcher Personen, die erstmals durch das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 für das Jahr 1972 dem Zugriff der deutschen Einkommenbesteuerung unterworfen worden sind. Die tatbestandliche rückanknüpfende Belegung der erstgenannten Gruppe von Einkünften mit der erst künftig, nämlich nach dem völkerrechtlichen Verbindlichwerden des Vertrages eintretenden Rechtsfolge der Heranziehung zur veranlagten deutschen Einkommensteuer ist entsprechend dem oben (zu 1.) Gesagten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der zweitgenannten Gruppe fehlt es schon an einer tatbestandlichen Rückanknüpfung.

bb) Zur Frage der Rückwirkung auf der innerstaatlichen Ebene ist festzuhalten: Der Beginn des völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs ist tatbestandlich sowie – soweit einschlägig – hinsichtlich der Änderung der Rechtsfolgen auf den 1. Januar 1972 normativ festgelegt worden. Die innerstaatliche Verlautbarung, daß das neue Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft getreten sei, erfolgte seitens der Bundesrepublik Deutschland im Bundesgesetzblatt vom 9. Februar 1973 (BGBl II S. 74). Mithin liegt für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 8. Februar 1973 (einschließlich) eine Rückwirkung vor.

Betroffen von der Rückwirkung auf der innerstaatlichen Ebene sind neben den bereits von der völkerrechtlichen Rückwirkung Betroffenen auch alle übrigen, nunmehr unter Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 fallenden Personen, die nach dieser Bestimmung in Verbindung mit dem deutschen Einkommensteuerrecht für den Veranlagungszeitraum 1972 deutsche Einkommensteuer schulden sollen, welche sie nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe geschuldet hätten. Denn zwischen der am 29. Dezember 1972 erfolgten Ratifikation des Vertrages und der am 9. Februar 1973 erfolgten innerstaatlichen Bekanntgabe seines völkerrechtlichen Zustandekommens war das Kalenderjahr 1972 und damit der Veranlagungszeitraum 1972 auch nach der allgemeinen Bestimmung des § 25 Abs. 1 EStG 1971 abgelaufen. Eine aus diesem Kalenderjahr – sei es im Wege der Veranlagung, sei es im Abzugswege mit Abgeltungswirkung – herrührende Steuerpflicht und Steuerschuld war daher in allen Fällen – nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage – bereits vor der innerstaatlichen Bekanntgabe des völkerrechtlichen Zustandekommens des Vertrages endgültig nur in bestimmter Höhe entstanden oder aber endgültig nicht entstanden.

c) Verfassungsrechtlich ist dieser Befund rückreichender Rechtsänderung nicht anders zu würdigen als die tatbestandliche Rückanknüpfung und rückwirkende Änderung der Rechtsfolgenlage durch die hier geprüften Bestimmungen des Außensteuergesetzes (oben II. 3. b und II. 4. b). Denn maßgeblicher Zeitpunkt für den Wegfall des zuvor gegebenen schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der ursprünglichen Rechtslage ist auch bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen der endgültige Gesetzesbeschluß des Bundestages (vgl. schon BVerfGE 30, 272 [287]). So wenig es angeht, den Vertrauensschutz hier schon früher enden zu lassen, so wenig ist es andererseits gerechtfertigt und geboten, diesen Schutz für Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen noch über den Gesetzesbeschluß hinaus zu erstrecken. Soweit die hier in Rede stehenden steuerlichen Rechtsfolgen nach der alten Rechtslage – bei Annahme der Zulässigkeit der deutschen Einkommenbesteuerung – bis zum Tage des Gesetzesbeschlusses über das Zustimmungsgesetz, also bis 13. Juni 1972 (einschließlich), bereits eingetreten waren, ist die gesetzliche Billigung der die rückwirkende verschlechternde Änderung dieser Rechtsfolgen bewirkenden vertraglichen Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens 1971 daher mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar und nichtig; insoweit ist die innerstaatliche Anwendung der entsprechenden Vertragsbestimmungen durch die Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen gehindert. Im übrigen hat die gesetzliche Billigung des Doppelbesteuerungsabkommens 1971 – soweit sie hier zur Entscheidung steht – vor dem Grundgesetz Bestand.

aa) Anlaß zu einer früheren Beendigung des Schutzes des Vertrauens in die alte Rechtslage ist vorliegend nicht der – möglicherweise gegeben gewesene – Wunsch der Bundesregierung, trotz des bereits angelaufenen Kalenderjahres 1972 Art. 32 Abs. 2 Buchst. a DBA 1971 nicht erst noch im Zusammenwirken mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft anpassen zu müssen. Insbesondere stellte ein solcher Wunsch, würde er bestanden haben, keinen zwingenden Grund des gemeinen Wohls dar, der eine rückwirkende Änderung von Rechtsfolgen ausnahmsweise zulässig machen könnte (dazu BVerfGE 30, 367 [390 f.] sowie BVerfGE 13, 261 [272] und oben II. 3. b) aa) und bb) [4.]). Beim Aushandeln völkerrechtlicher Verträge jener Arten, die gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG der Zustimmung in der Form eines Bundesgesetzes bedürfen, muß die Bundesregierung von vornherein die übliche Dauer des – hier keineswegs zögerlich abgelaufenen – Gesetzgebungsverfahrens in Rechnung stellen und ihr Verhalten gegenüber den Vertragspartnern entsprechend einrichten. Fehlt es hieran, so kann sie, wo das Gesetzgebungsverfahren – im Hinblick auf einen Rückwirkungszeitraum – nicht mehr rechtzeitig abgeschlossen werden konnte, die Folgen hieraus nicht den Bürgern im Sinne eines Einbruchs in den ihnen zustehenden Vertrauensschutz aufbürden.

Ebensowenig läßt sich eine Vorverlegung des Endes des Vertrauensschutzes auf den an sich zutreffenden Gesichtspunkt stützen, daß die gesetzgebenden Körperschaften, also auch der Bundestag, ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag nur als Ganzes annehmen oder verwerfen, nicht jedoch textliche Änderungen jedenfalls am Vertragswerk selbst herbeiführen können (dazu BVerfGE 68, 1 [85 f.]). Denn dieser Umstand ändert nicht die bis zum endgültigen Gesetzesbeschluß fortbestehende rechtliche Ungewißheit, ob der Bundestag den Gesetzentwurf und damit den Vertrag billigen werde.

bb) Andererseits ist es auch bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht geboten, Vertrauensschutz noch für die Zeit nach dem endgültigen Gesetzesbeschluß des Bundestages zu gewähren. Denn auch bei derartigen Gesetzen fehlt es ab diesem Beschluß grundsätzlich an einem Vertrauen, welches noch Schutz verdienen könnte. An den hierfür maßgeblichen Gründen, wie sie oben II. 3. b) bb) (5) dargelegt worden sind, ändert auch der den Zustimmungsgesetzen eigene Umstand nichts, daß zur Zeit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt in aller Regel – abgesehen von Vorvertraglichen Wirkungen – noch nicht die völkerrechtliche Verbindlichkeit des von den gesetzgebenden Körperschaften gebilligten völkerrechtlichen Vertrages eingetreten ist (1), und daß der Eintritt dieser Verbindlichkeit seinerseits regelmäßig – wie auch im vorliegenden Fall – erst mit zeitlicher Verzögerung innerstaatlich bekanntgegeben wird (2).

(1) Eine bestehende Unsicherheit darüber, ob und wann ein völkerrechtlicher Vertrag verbindlich wird, betrifft nicht auch dessen Inhalt; dieser steht mit der Unterzeichnung desjenigen Textes des Vertragsentwurfs, dem der Bundestag sodann seine Zustimmung erteilt hat, grundsätzlich fest. Das rechtfertigt es, diese Unsicherheit verfassungsrechtlich hinzunehmen.

Die Zeitspanne, während welcher der Einzelne bereits vor dem völkerrechtlichen Verbindlichwerden des Vertrages einen Vertrauensschutz in das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage nicht mehr genießt, ist auch grundsätzlich hinreichend begrenzt. Inwieweit in einem Einzelfall aufgrund besonderer Umstände, etwa wegen einer erst Jahre nach dem Gesetzesbeschluß des Bundestages erfolgten Ratifikation des Vertrages, möglicherweise Abweichendes gelten muß, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Erörterung. Denn derartige Besonderheiten sind beim Doppelbesteuerungsabkommen 1971 und seinem deutschen Zustimmungsgesetz nicht gegeben. Die Zeitspanne zwischen dem Gesetzesbeschluß (14. Juni 1972) und der Ratifikation (29. Dezember 1972) war mit rund sechseinhalb Monaten nicht unangemessen lang.

(2) Daß seine innerstaatliche Bekanntgabe später liegt als der völkerrechtliche Vertragsschluß (hier 9. Februar 1973 gegenüber 29. Dezember 1972), folgt unvermeidlich aus der Natur des Abschlußverfahrens bei ratifikationsbedürftigen völkerrechtlichen Verträgen (vgl. schon BVerfGE 63, 343 [354]). Da diese Bekanntgabe im vorliegenden Fall binnen angemessener Frist erfolgte, bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu solchen Bedenken führt es insbesondere nicht, daß zwischenzeitlich das Einkommensteuer-Veranlagungsjahr 1972 abgelaufen war (vgl. § 25 Abs. 1 EStG 1971), wodurch auch die Einkommensteuerschuld der für das gesamte Jahr 1972 zur Einkommensteuer zu veranlagenden Personen mittlerweile – zum Ablauf des 31. Dezember 1972 – endgültig nur in bestimmter Höhe entstanden oder endgültig überhaupt nicht entstanden war. Zwar liegt in der nachträglichen belastenden Änderung der Steuerschuld aus den im Veranlagungszeitraum 1972 zugeflossenen Einkünften eine tatbestandlich rückanknüpfende Änderung der ursprünglichen Rechtsfolgenlage, wie sie sich aus dem alten Doppelbesteuerungsabkommen (für den Kläger des Ausgangsverfahrens: aus dessen Art. 6 Abs. 1) ergab. Denn die nunmehr von Art. 4 Abs. 6 Buchst. a DBA 1971 erfaßten Personen werden nachträglich für den Veranlagungszeitraum 1972 dem – für sie belastenden – Zugriff der deutschen Einkommenbesteuerung ausgesetzt, soweit dieser Zugriff nach den deutschen Steuergesetzen stattfindet. Jedoch ist diese rückwirkend-verschlechternde Änderung verfassungsrechtlich unbedenklich; das gleiche gilt für solche Personen, deren deutsche Einkommensteuerpflicht – bei Annahme der Zulässigkeit der deutschen Einkommenbesteuerung – nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage zwar gemäß § 25 Abs. 2 EStG 1971 bereits vor dem Ende des Kalenderjahres 1972 weggefallen wäre, denen aber (auch noch oder erstmals) zwischen dem Gesetzesbeschluß des Bundestages und dem Jahresende, also in der Zeit vom 14. Juni 1972 bis zum 31. Dezember 1972, einkommensteuerlich zu veranlagende Einkünfte zugeflossen sind; nichts anderes gilt schließlich für die seit dem Gesetzesbeschluß einem Steuerpflichtigen zugeflossenen Einkünfte, die nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage und bei Annahme der Zulässigkeit der deutschen Einkommenbesteuerung einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen gewesen wären. Denn in allen diesen Fällen fehlte es bereits seit dem Gesetzesbeschluß und damit auch schon im Zeitpunkt des endgültigen Entstehens (oder Nichtentstehens) der von der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage bestimmten Steuerschuld am Fortbestehen eines schutzwürdigen Vertrauens in die bisherige Rechtsfolgenlage.

Rechtsstaatlich unzulässig und darum verfassungswidrig und nichtig ist diese rückwirkende Änderung der Rechtsfolgenlage nur insoweit, als die aus der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage herrührenden Rechtsfolgen spätestens am Tag vor dem endgültigen Gesetzesbeschluß des Bundestages über das Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen 1971 eingetreten waren. Dies ist – entsprechend dem oben II. 3. b) und II. 4. b) zum Außensteuergesetz Ausgeführten – nur insoweit der Fall, als nunmehr die deutsche Einkommenbesteuerung der vom 1. Januar 1972 bis zum 13. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossenen Einkünfte solcher Personen ermöglicht wird, bei denen nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, entweder in dieser Zeit nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht des § 1 Abs. 2 EStG 1971 bestanden hätte und diese Pflicht vor dem 14. Juni 1972 ersatzlos geendet hätte oder in dieser Zeit eine deutsche Einkommensteuerpflicht nicht bestanden hätte und eine solche Pflicht auch nicht im restlichen Kalenderjahr 1972 noch entstanden wäre; ferner hinsichtlich derjenigen Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen vom 1. Januar 1972 bis zum 13. Juni 1972 (einschließlich) zugeflossen sind und nach der ursprünglich maßgeblichen Rechtslage, wäre insoweit die deutsche Einkommenbesteuerung zulässig gewesen, einem Steuerabzug mit Abgeltungswirkung unterworfen gewesen wären.

 

Fundstellen

BStBl II 1983, 259

BStBl II 1986, 628

BVerfGE, 200

NJW 1987, 1749

NJW 1987, 1757

[1] EFG 1979, 214
[2] BStBl 1983 II S. 259

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