Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des rechtlichen Gehörs. Akteneinsicht. Beweiserhebung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, wenn es der Bundesfinanzhof auf der Grundlage seiner Rechtsprechung zu FGO § 78 ablehnt, die Akten in das Büro des Prozeßbevollmächtigten zu übersenden, sondern diesem nach seiner Wahl anheimstellt, die Akten bei einem Finanzamt, einem Hauptzollamt oder beim Finanzgericht einzusehen.

2. Unter Anwendung der im Zivilprozeßrecht entwickelten Rechtsgedanken darf auch im finanzgerichtlichen Verfahren ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung unerheblich ist, das heißt wenn es auf die Beweistatsache nicht ankommt.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO §§ 78, 81

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 26.07.1983; Aktenzeichen VII K 6/77)

BFH (Urteil vom 29.04.1980; Aktenzeichen VII K 5/77)

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. richtet sich nach dem klaren Wortlaut der vorliegenden Schriftsätze ausschließlich gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. April 1980, das sich mit der Frage der Akteneinsicht nicht befaßt. Da die Befugnis des Beschwerdeführers zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen nur im Zusammenhang mit der Akteneinsicht gegeben sein könnte, hätte er den Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 6. Juli 1983 angreifen müssen; denn nach seinem Vortrag ist mit dieser Entscheidung sein Antrag auf Akteneinsicht in seiner Anwaltskanzlei abgelehnt worden.

Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 26. Juli 1983 eingelegt hat, weil mit diesem ihre Beweisanträge abgelehnt worden seien, ist sie aus den verschiedensten Gründen ebenfalls unzulässig. Zunächst existiert ein derartiger schriftlicher Beschluß des Bundesfinanzhofs nicht. Selbst wenn man aber in der mündlichen Ablehnung der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme im Verhandlungstermin vom 26. Juli 1983 eine mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Entscheidung sehen wollte, so wäre die Verfassungsbeschwerde, die am 25. Oktober 1983 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen ist, jedenfalls verspätet (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Auch hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 6.Juli 1983 bestehen Zulässigkeitsbedenken. Dieser Beschluß ist nicht zu den Akten des Bundesverfassungsgerichts gegeben worden, der Nachweis über die Einhaltung der Monatsfrist ist nicht erbracht. Hinzu kommt, daß der Antrag auf Akteneinsicht in den Büroräumen des Prozeßbevollmächtigten offensichtlich wiederholt worden ist. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Schreiben des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 1983 an den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin, mit dem die erbetene Form der Akteneinsicht versagt wurde. Es kann aber dahinstehen, inwieweit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde besteht, wenn ungeachtet einer ablehnenden Entscheidung über den Antrag eines Prozeßbeteiligten dieser den gleichen Antrag erneut gestellt und beschieden erhalten hat; denn der Beschwerdeführerin ist die Akteneinsicht nicht verwehrt worden. Es stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar, wenn es der Bundesfinanzhof auf der Grundlage seiner Rechtsprechung zu § 78 FGO (BFHE 133, 8) abgelehnt hat, die Akten in das Büro des Prozeßbevollmächtigten zu übersenden, sondern diesem nach seiner Wahl anheimgestellt hat, die Akten bei einem Finanzamt, einem Hauptzollamt oder beim Finanzgericht einzusehen.

Die Rüge der Beschwerdeführerin, der Bundesfinanzhof habe durch die unterlassene Erhebung der präsenten Beweismittel und durch die Ablehnung der Einholung einer Auskunft des zuständigen Referenten des niederländischen Finanzministeriums Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, kann keinen Erfolg haben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, daß das entscheidende Gericht die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muß (BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 60, 250 ≪252≫; st. Rspr.). Das hat der Bundesfinanzhof getan; denn in beiden angegriffenen Urteilen setzt er sich ausführlich mit den Beweisanträgen auseinander. Auch in der Ablehnung der Erhebung der Beweise liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG; denn diese findet im Prozeßrecht ihre Stütze (vgl. BVerfGE 50, 32 ≪36≫). Unter Anwendung der im Zivilprozeßrecht entwickelten Rechtsgedanken darf auch im finanzgerichtlichen Verfahren ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung unerheblich ist, d.h. wenn es auf die Beweistatsache nicht ankommt (vgl. Tipke/Kruse, Komm. zur A0 und FGO, 11. Aufl., § 81 FGO Tz. 8).

Der Bundesfinanzhof hat dargestellt, aus welchen Gründen das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme ohne Einfluß auf seine Entscheidungen wäre. Dabei hat er sowohl auf die Vorschrift 2. Aa zu Kapitel 59 GZT als auch darauf abgestellt, daß es allein auf die Warenbeschaffenheit ankomme, wie sie sich der Oberfinanzdirektion bei Erteilung der verbindlichen Tarifauskunft darstelle. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1619399

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