Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungsanspruch. Apotheker. Arzneiliefervertrag. Rahmenvertrag. Arzneimittelversorgung. Arzneimittel. Kassenrezept. Vertragsarzt. vertragsärztliche Verordnung. Remedacen. Drogensubstitution. Substitutionsbehandlung. Therapiefreiheit. Kassenarzt. Methadon. Drogen. Sucht. Methadon-Richtlinien. Drogensucht. Krankheit. Krankenbehandlung. Heroinabhängigkeit. Ausschluß von Arzneimitteln. neue Behandlungsmethoden. Leistungspflicht der Krankenkassen

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Drogensubstitution mit Remedacen ist nicht generell von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen (Anschluß an BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 5 und SozR 3-2500 § 106 Nr 29).
  • Bei pflichtwidriger Verordnung von Arzneimitteln im Rahmen einer an sich zulässigen Therapie kann sich die Krankenkasse wegen der ärztlichen Therapiefreiheit im Grundsatz nicht an den Apotheker halten, sondern nur darauf hinwirken, daß die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (und die bei dieser errichteten gemischt besetzten Gremien) Maßnahmen gegen den Kassenarzt ergreifen. Eine Pflicht des Apothekers zur Ablehnung der Arzneimittelabgabe gegenüber dem Versicherten kommt nur in eindeutigen Fällen und auch dann nur kurzfristig bis zum Greifen dieser Maßnahmen in Betracht.
  • Mit der Übergabe des von einem Vertragsarzt ausgestellten “Kassenrezeptes” durch den Versicherten an den Apotheker wird die Krankenkasse vertraglich zur Zahlung verpflichtet, und zwar auch bei (länder-)grenzüberschreitenden Sachverhalten.
 

Normenkette

SGB V §§ 2, 27, 31, 34, 73, 92, 135; SGB X §§ 31, 36; SGG § 54 Abs. 5, § 130

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 15.02.1994; Aktenzeichen L 1 Kr 43/92)

SG Kiel (Urteil vom 12.03.1992; Aktenzeichen S 3 Kr 16/91)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Beigeladenen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse (KK), der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Niedersachsen, die Bezahlung von Medikamenten nach Maßgabe des § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Der Kläger betreibt eine Apotheke in K…. Er gab auf ärztliche Verordnung des Beigeladenen, der in K… im gleichen Hause als praktischer Arzt niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, das Medikament Remedacen an M… und G… W… ab. Diese wohnten in einem anderen Bundesland im Bereich der beklagten AOK und waren bei dieser versichert. Die für jeden der beiden Versicherten verordnete und abgegebene Menge lag bei mehr als 200 Kapseln pro Woche. Die Rezepte enthielten jeweils den Zusatz “ärztlich indiziert”. Das Mittel wurde den Versicherten vom Kläger “teilweise” auch übersandt. Mit an die Versicherten gerichtetem Bescheid vom 12. Dezember 1989 (mit Durchschlag an den Beigeladenen) lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der am 6. Oktober bzw 19. Oktober 1989 begonnenen Substitutionsbehandlungen ab, da dies keine Krankenbehandlung sei; Rechtsmittel wurden von den Versicherten dagegen nicht eingelegt.

Die Beklagte teilte dem Kläger, den Versicherten und dem Beigeladenen mit (Schreiben vom 26. Januar 1990), daß sie die Kosten für die verordneten Remedacen-Kapseln nach dem 12. Dezember 1989 nicht mehr übernehmen werde, und zwar insbesondere für 32 Rezepte nach diesem Zeitpunkt. Dabei verblieb sie trotz des eingelegten “Widerspruchs”, da eine Substitutionsbehandlung nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden könne und erkennbar eine mißbräuchliche Rezeptausstellung vorgelegen habe.

Das Landgericht (LG) Lüneburg hat die daraufhin erhobene Zahlungsklage an das Sozialgericht (SG) Lüneburg verwiesen (Beschluß vom 23. August 1990), das an das SG Kiel weiterverwiesen hat. Dieses hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger DM 24.819,42 zu erstatten und festgestellt, daß die Beklagte ihm die Kosten für die Abgabe von Medikamenten an die Versicherten M… und G… W… auch über den 31. Dezember 1990 hinaus zu erstatten hat (Urteil vom 12. März 1992). Der Kläger hat die Klage vor dem Landessozialgericht (LSG) für die Zeit vor dem 31. Dezember 1990 um DM 2.000 auf DM 22.819,42 ermäßigt; für die Folgezeit ist er von der erhobenen Feststellungsklage zu einer unbezifferten Leistungsklage übergegangen. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese entsprechend der Anschlußberufung des Klägers verurteilt, auch die Kosten für die ab 1. Januar 1991 auf Verordnung des Beigeladenen an die Versicherten M… und G… W.… abgegebenen Remedacen-Kapseln – abzüglich des Apothekenrabatts sowie etwaiger Zuzahlungen – zu übernehmen. Der Zahlungsanspruch des Klägers ergebe sich aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, deren Grundsätze auch im öffentlichen Recht gälten. Der Einwand, der Kläger sei zur Herausgabe der Remedacen-Kapseln weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, weil die vom Beigeladenen durchgeführte Substitutionstherapie nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angewandt werden dürfe, greife nicht, da die Entscheidung, welche Maßnahme Krankenbehandlung sei, vom Arzt und nicht vom Apotheker zu treffen sei.

Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte weiterhin die Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie eine Verletzung der §§ 679, 683 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es sei bereits fraglich, ob die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht überhaupt und uneingeschränkt anwendbar seien. Die Beklagte habe jedenfalls frühzeitig und eindeutig ihren entgegenstehenden Willen sowohl gegenüber dem Beigeladenen als auch gegenüber dem Kläger und den Versicherten zum Ausdruck gebracht. Auch habe die Geschäftsführung keinesfalls im öffentlichen Interesse gelegen, das sei nur bei Erfüllung der gesetzlichen Pflichten der KKn der Fall. Substitution durch Remedacen bei Drogenkranken falle nicht darunter. Erschwerend komme hinzu, daß die Verschreibungspraxis des Beigeladenen auch für den Kläger erkennbar rechtsmißbräuchlich gewesen sei.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 1994 sowie das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. März 1992 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und der Beigeladene beantragen,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 1994 zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen.

1. Die Beklagte rügt mit ihrer Revision zu Unrecht die Unzulässigkeit des Rechtswegs. Das LSG hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht, weil der Anspruch des Klägers auf eine Entscheidung der KK iS des § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehe, mit der diese ihm Kostenerstattung gewähren solle.

Der Sozialrechtsweg ist aufgrund des Verweisungsbeschlusses des LG auf jeden Fall gegeben. Deswegen kann offenbleiben, ob hier Art 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGO-Änderungsgesetz/VwGO-ÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I, 2809) das LSG hinderte und nunmehr den Senat daran hindert, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu prüfen. § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) idF durch vorgenanntes Gesetz bestimmt nämlich, daß das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Allerdings ist diese Vorschrift dann nicht anwendbar, wenn das SG, das den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erachtet, entgegen § 17a Abs 3 Satz 2 GVG nF über die gerügte Zulässigkeit des Rechtsweges nicht vorab durch Beschluß, sondern erst im Urteil entscheidet (Anschluß an BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 – III ZR 9/92 – NJW 1993, 1799 und BSGE 72, 148 ff = SozR 3-2500 § 15 Nr 1). Hier kann auch dahinstehen, ob das SG die von der Beklagten im Schriftsatz vom 9. März 1992 erhobene Rechtswegrüge schon deswegen als rechtsmißbräuchlich und unbeachtlich ansehen durfte, weil die Beklagte vor dem LG der Verweisung in den Sozialrechtsweg zugestimmt und den Verweisungsbeschluß nicht angefochten hatte.

Der Sozialrechtsweg ist jedenfalls deshalb zulässig, weil das LG den Rechtsstreit mit Beschluß vom 23. August 1990 – also vor Inkrafttreten des § 17a GVG nF – an das SG Lüneburg verwiesen hat. Nach § 17 Abs 4 GVG aF war eine Verweisung durch Beschluß möglich, wenn sich der Beklagte mit dem Antrag des Klägers auf Verweisung einverstanden erklärt hatte. Auf die an Kläger und Beklagte gerichtete Anfrage des LG hatte der Kläger die Verweisung beantragt. Die Formulierung “mit Verweisung innerhalb der Gerichtsferien einverstanden” in der Äußerung der Beklagten ist dahin auszulegen, daß die Beklagte mit der Verweisung an ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit und mit der Entscheidung über die Verweisung innerhalb der Gerichtsferien einverstanden war. Zumindest hat keiner der Beteiligten gegen den Verweisungsbeschluß Beschwerde eingelegt (vgl zur Beschwerdemöglichkeit bei Verweisungsbeschlüssen BGH NJW 1967, 781, 782). Nach alledem kann die Zulässigkeit des Sozialrechtsweges nicht mehr mit der Begründung verneint werden, der ordentliche Rechtsweg sei gegeben (vgl § 52 Abs 2 SGG in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung; § 17 Abs 1 Satz 2 GVG aF bzw § 17a Abs 1 GVG nF).

2. Zu dem Rechtsstreit waren die Versicherten, an die der Kläger das Mittel Remedacen abgegeben hat, nicht gemäß § 75 Abs 2 SGG beizuladen. Denn die Entscheidung über den erhobenen Zahlungsanspruch greift nicht so unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein, daß sie “auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen” könnte (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 2/91 – und BSGE 66, 159, 161 = SozR 3-2200 § 376d Nr 1).

3. Das LSG hat zu Recht die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG bejaht. Voraussetzung für die echte Leistungsklage ist ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten – und damit eine Klage nach § 54 Abs 4 SGG – ausschließt (BSGE 66, 159, 161 = SozR 3-2200 § 376d Nr 1). Eine gesetzliche Ermächtigung der KKn zum Erlaß von Verwaltungsakten gegenüber den freiberuflich tätigen Apothekern besteht ebensowenig wie ein Über-/Unterordnungsverhältnis; vielmehr sieht das Gesetz eine vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen KKn und Apothekern vor (vgl § 129 SGB V). Die Beklagte hat den Zahlungsanspruch auch nicht in der Form eines Verwaltungsaktes abgelehnt. Das Schreiben vom 26. Januar 1990 stellt dem Erklärungswert nach lediglich eine Zahlungsverweigerung dar, nicht aber eine hoheitliche Regelung. Hierfür spricht auch die äußere Form des Schreibens, denn es ist weder als “Bescheid” bezeichnet, noch enthält es eine Rechtsbehelfsbelehrung, noch wird die Ablehnung der Kostenübernahme begründet. Zwar hat hier der Kläger gegen die Ablehnung der Kostenübernahme “vorsorglich” Widerspruch eingelegt. Dies ist aber vor dem Hintergrund nachvollziehbar, daß einige KKn ihre Bescheide rechtswidrigerweise teilweise weder als solche kennzeichnen, noch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Auch hat die Beklagte selbst ihr Schreiben nicht als Verwaltungsakt angesehen, denn sie hat auf diesen “vorsorglichen” Widerspruch hin keinen Widerspruchsbescheid erlassen.

4. Den Übergang von der Feststellungsklage zur unbezifferten Leistungsklage hat das LSG zu Recht als zulässig angesehen. Die Beklagte hat sich, ohne zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf das abgeänderte Begehren des Klägers eingelassen, so daß selbst bei Annahme einer Klageänderung jedenfalls die Einwilligung der Beklagten anzunehmen ist (§ 99 Abs 2 SGG). In der Umstellung des Klageantrags liegt zugleich eine ordnungsgemäß eingelegte unselbständige Anschlußberufung (§ 202 SGG iVm §§ 521, 522 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫; vgl BSGE 63, 167, 168 f = SozR 1500 § 54 Nr 85).

Im Sozialleistungsbereich ist die Zulässigkeit einer unbezifferten Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine höhere Leistung unangezweifelt. Über sie ist nach § 130 SGG durch ein das Verfahren abschließendes Grundurteil zu entscheiden. Diese Entscheidungsform führt dazu, daß der Leistungsanspruch anders als im Zivilprozeß auch im Urteil nicht beziffert werden muß. Im Zweifel ist anzunehmen, daß der Leistungsberechtigte bei fehlender Bezifferung ein solches Grundurteil erstrebt, sofern nicht ausnahmsweise das Verwaltungsverfahren zweistufig geregelt ist und lediglich eine Anerkennung des Anspruchs dem Grunde nach begehrt wird (vgl BSG SozR 4460 § 5 Nr 3). § 130 SGG ist auch auf die allgemeine Leistungsklage im Gleichordnungsverhältnis anzuwenden. Ist die geltend gemachte Geldforderung hinreichend bezeichnet und ist deren Bezifferung dem Kläger unzumutbar, wie dies hier der Fall ist, dann ist auch in diesem Bereich eine unbezifferte Leistungsklage zulässig.

5. In der Sache hat das LSG die Beklagte zu Recht zur Zahlung verurteilt. Der Kläger hat einen Anspruch aus Vertrag, und nicht, wie vom LSG angenommen, aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Damit ist den Revisionsrügen zur Verletzung der §§ 679, 683 BGB und zur Frage, ob die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht überhaupt und uneingeschränkt anwendbar sind, sowie zum entgegenstehenden Willen der Beklagten der Boden entzogen.

a) Das LSG meint zu Unrecht, eine vertragliche Vereinbarung als Grundlage eines Zahlungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte liege schon deshalb nicht vor, weil “Vertragspartei” des von den Beteiligten zitierten Arznei-Liefervertrags vom 21. Dezember 1982 zwischen dem Apothekerverein Schleswig-Holstein eV und ua dem Landesverband der Ortskrankenkassen Schleswig-Holstein lediglich der Kläger, nicht aber die Beklagte oder ihr Landesverband sei. Damit hat das LSG den Kläger nicht als vertragsschließende Partei angesehen, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, daß der Vertrag für die Mitglieder des vertragsschließenden Apothekervereins Schleswig-Holstein eV verbindlich ist, und zugleich die Tatsache (im Sinne einer Wahlfeststellung) festgestellt, daß der Kläger entweder Mitglied dieses Vereins oder gemäß § 129 Abs 5 Satz 2 iVm Abs 3 Nr 2 SGB V dem Vertrag beigetreten ist. Mit der Frage, ob der Vertrag nach seinem Inhalt auch den Tatbestand erfaßt, daß ein Apotheker des Apothekervereins Schleswig-Holstein eV einen Versicherten beliefert, dessen KK für Schleswig-Holstein nicht zuständig ist, hat sich das LSG nicht befaßt. Es hat sodann im Ergebnis angenommen, ein auf Landesebene abgeschlossener Vertrag wolle zumindest im AOK- und IKK-Bereich im Zweifel (landes)grenzüberschreitende Arzneimittellieferungen nicht einbeziehen und insoweit einer Abwicklung nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag Raum lassen.

b) Diese Auslegung verstößt jedoch gegen Rechtsnormen, die über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus gelten. Nach diesen Rechtsnormen erwirbt ein Apotheker auch bei grenzüberschreitenden Lieferungen nach Maßgabe der für ihn auf Landesebene geltenden Verträge einen vertraglichen Zahlungsanspruch gegen die KK der belieferten Versicherten.

Davon, daß bei Lieferungen innerhalb eines Landes die KK vertraglich zur Zahlung verpflichtet ist, scheint auch das LSG auszugehen. Gleichwohl ist hierzu darzulegen, daß dem Grundsatz, daß nach dem Gesetz und den im Gesetz vorgesehenen Rahmenverträgen auf Bundes- und Landesebene die KK und nicht der Versicherte vertragsgemäß den Preis für Arzneimittel zu entrichten hat, eine Bedeutung zukommt, die auch für den Bereich der grenzüberschreitenden Lieferungen keine Ausnahme zuläßt.

Die zwischen dem Apotheker und dem Versicherten über die Lieferung des kassenärztlich verordneten Arzneimittels getroffenen Abreden verpflichten nach § 129 SGB V und den dort vorgesehenen Verträgen die KK des Versicherten zur Zahlung. Der § 129 SGB V regelt den Abschluß von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Abs 2 bis 4 auf Bundesebene und in Abs 5 auf Landesebene. Nach Abs 2 regeln die Spitzenverbände der KKn und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Nach Abs 5 können die Landesverbände der KKn und die Verbände der Ersatzkassen (ErsKn) mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Deren Abschluß und Inhalt stellen “generelle Tatsachen” dar, welche der Senat selbst feststellen kann (vgl BSGE 61, 92, 95 = SozR 2200 § 368 f Nr 12; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 136 Nr 10; Rauscher SGb 1986, 45; Eicher SGb 1986, 501). Der Rahmenvertrag nach Abs 2 hat gemäß Abs 3 Rechtswirkung für Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, daß von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge dieser Art Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken haben, oder wenn sie dem Rahmenvertrag beitreten. Das gilt nach Abs 5 Satz 2 für die Verträge auf Landesebene entsprechend. Die nach § 129 SGB V abgeschlossenen Verträge regeln vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragsschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen KKn und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Sie sind wie Rechtsnormen allein nach dem “objektivierten Willen des Gesetzes” auszulegen.

Der von den Spitzenverbänden nach § 129 Abs 2 bis 4 SGB V abzuschließende Rahmenvertrag galt zu Beginn des hier streitigen Zeitraums ab Dezember 1989 noch nicht. Der am 14. Juni 1993 geschlossene Rahmenvertrag ist am 1. Juli 1993 in Kraft getreten (abgedruckt in: Die Leistungen 1993, 302 ff). Bis dahin waren die unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) für jeweils ein Bundesland abgeschlossenen “Arznei-Lieferverträge” (ALV), die flächendeckend für die gesamte Bundesrepublik galten, weiterhin anzuwenden (vgl zum Ganzen: Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl 1976, § 376 RVO Anm 4; Rosenthal, Das Vertragsrecht der KKn, 1. Aufl 1988, S 112; Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 129 SGB V; Kommentar des DAV vom 15. Juni 1993 zum Rahmenvertrag, über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V vom 10. März 1993 in: Die Leistungen 1993, S 310).

Arzneimittel sind als Bestandteil der Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, §§ 31 und 34 SGB V) wie diese als Sachleistung zu erbringen. Dementsprechend gehen auch § 129 SGB V und die vorgenannten Verträge davon aus, daß der Versicherte die vom Apotheker unter Vorlage einer kassenärztlichen Verschreibung erworbenen Arzneimittel auf Kosten seiner KK erhält, dh die KK wird vertraglich zur Zahlung des Preises beziehungsweise des Festpreises abzüglich etwaiger vom Versicherten zu tragenden Zuzahlungen oder Verordnungsgebühren verpflichtet. Demgemäß regeln die Verträge die von der KK an den Apotheker zu leistenden Zahlungen. Nach § 129 SGB V sind die Beziehungen der KKn zu den Apothekern vertraglich zu gestalten. Diese Beziehungen sollen also im Regelfall gerade nicht nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag abgewickelt werden. Die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln wird im Wege der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt (§ 73 Abs 2 Nr 7 SGB V). Das bedeutet, daß – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – ein Arzneimittel nur dann auf Kassenkosten gewährt werden kann, wenn es ein Vertragsarzt auf dem hierfür vorgesehenen Formblatt (“Kassenrezept”) verordnet hat (BSGE 73, 271, 277 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4; Heinze in Gesamtkomm Sozialversicherung – SGB V –, § 31 Anm 3a). Der Vertragsarzt kann somit als “Schlüsselfigur” der Arzneimittelversorgung bezeichnet werden (vgl BSG aaO, S 283; Schirmer in Hauck/Haines, SGB V, § 92 RdNr 7). Er verordnet dem Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel, welches er bei der diagnostizierten Krankheit als medizinisch notwendig erachtet. Bei Ausstellung dieser Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Kassenarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der KK. Er gibt somit mit Wirkung für und gegen diese eine Willenserklärung ab. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der KK mit der Vorlage der kassenärztlichen Verordnung angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich mithin um einen zwischen der KK und dem Apotheker – unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der KK – geschlossenen Vertrag zugunsten des Versicherten.

Im übrigen, also soweit nicht die vertragliche Verpflichtung der KKn, sondern die Beteiligung der anderen Akteure betroffen ist, ist die rechtliche Konstruktion hier ohne Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Frage, ob der Versicherte dieses Kaufvertragsangebot als Bote dem Apotheker überbringt, obgleich ihm die Auswahl der Apotheke zukommt. Letzteres läßt zwar die Wertung als Bote zweifelhaft erscheinen, kann indes für eine Vertreterstellung auch des Versicherten nicht angeführt werden, weil der Versicherte die Auswahl als eigenes Recht und nicht als Recht der KK ausübt.

Der Deutung der Abreden beim Erwerb der Arzneimittel als ein die KK zu Zahlung verpflichtender Vertragsschluß steht die vom LSG zur Anwendung der Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht angeführte Entscheidung des BSG (BSGE 67, 100 = SozR 3-7610 § 683 Nr 1) nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft zwar auch eine Drogenbehandlung. Diese wurde indes, da der Behandelte nicht krankenversichert war, auf Kosten des Rentenversicherungsträgers durchgeführt, so daß das Leistungserbringerrecht der KV nicht betroffen war.

c) Die Verträge auf Landesebene begründen eine vertragliche Verpflichtung der KK des mit Arzneimitteln belieferten Versicherten auch in den Fällen, in denen die KK des Versicherten zwar der Kassenart nach einem der vertragsschließenden Landesverbände entspricht, diesem aber nicht angehört, da ihr Sitz in einem anderen Bundesland liegt.

Die für eine grenzüberschreitende Arzneimittelversorgung im SGB V getroffene Regelung weist zwar für den AOK- und IKK-Bereich Lücken auf, erlaubt aber gleichwohl eine flächendeckende Versorgung für das Bundesgebiet. Das gilt insbesondere für die Fallgestaltung, daß der Kassenarzt seinen Sitz in einem anderen Land als die KK oder die Apotheke hat. Der Vertragsarzt erwirbt mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung durch die örtlich zuständige Kassenärztliche (oder Kassenzahnärztliche) Vereinigung das Recht zur Ausstellung von Kassenrezepten zu Lasten aller KKn und Erskn (§ 95 Abs 3, 4 SGB V), dem umgekehrt das (grundsätzliche) Recht des Versicherten zur freien Arztwahl (§ 76 SGB V) entspricht.

Die auf Landesebene abgeschlossenen Verträge erfassen auch die Versorgung von Versicherten, die bei bundesweit zuständigen KKn, etwa bei einer ErsK, versichert sind, auch dann, wenn der Versicherte in einem anderen Land als der Apotheker wohnt und beschäftigt ist. Denn die Verbände der ErsKn sind nach § 129 Abs 5 SGB V an den Verträgen auf Landesebene beteiligt. Demgegenüber sind die Betriebskrankenkassen (BKKn) auch dann nur in dem für ihren Sitz zuständigen Landesverband vertreten, wenn sie auch für Betriebe im Bereich anderer Landesverbände zuständig sind (§ 207 SGB V). Das SGB V gibt keinen Hinweis darauf, daß das Leistungserbringerrecht die Zahlungspflicht der BKK für Versicherte, die in dem Land wohnen und ihre Medikamente kaufen, in dem die BKK ihren Sitz hat, anders regeln wollte als für Versicherte, die in anderen von dieser BKK erfaßten Betrieben außerhalb des Sitz-Landes beschäftigt sind und dort ihre Medikamente kaufen. Das läßt nur den Schluß zu, daß der für den Apotheker geltende Landesvertrag mit dem Landesverband der BKKn auch für diejenigen BKKn gilt, die ihren Sitz in einem anderen Bundesland haben. Das entspricht der für den ErsK-Bereich getroffenen Regelung, die ebenfalls auf den Sitz des Apothekers, und nicht auf den Sitz der ErsK abstellt.

Dem Gesetzgeber war bei Schaffung des SGB V bekannt, daß Versicherte aufgrund der hohen Mobilität der Bevölkerung – nicht nur im Bereich der ErsKn und der BKKn, sondern auch im Bereich der AOKn und der Innungskrankenkassen (IKKn) – häufig nicht lediglich Apotheken ihres Bundeslandes, sondern auch solche in anderen Bundesländern in Anspruch nehmen. Das gilt insbesondere bei Versicherten aus ländlichen Bereichen mit einer in einem anderen Bundesland liegenden Nachbarstadt, aber auch bei beruflichem oder privatem Aufenthalt in einem anderen Bundesland. Es kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit der Regelungsermächtigung für Landesverbände in § 129 Abs 5 SGB V in derartigen grenzüberschreitenden Fällen für den AOK- und IKK-Bereich eine kassenrechtliche Abrechnung ausschließen oder dem Apotheker das Risiko einer Vertragsannahme durch die Kasse erst nach Lieferung mittels einer erst nachträglichen Genehmigung einer Geschäftsführung ohne Auftrag durch die zulässige KK aufbürden wollten. Das erscheint auch angesichts der Alltäglichkeit dieser Vorgänge lebensfremd. Wegen der massenweisen Abwicklung derartiger grenzüberschreitender Mittelabgaben durch die KKn auch im AOK- und IKK-Bereich ist vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber und die vertragsschließenden Parteien der ALV diese Fallgruppen gesehen haben, sie iS der für ErsKn und BKKn geltenden Regelung lösen wollten und sie als von den bereits bestehenden und zukünftigen ALV in diesem Sinne mit umfaßt ansehen wollten. In diese Richtung weist auch § 2 Abs 5 des Rahmenvertrags vom 14. Juni 1993, der bei unterschiedlichen Landesverträgen den für den Sitz der Apotheke geltenden Vertrag der jeweiligen Kassenart relevant sein läßt – also ebenfalls von vertraglichen Verhältnissen gemäß den ALV ausgeht.

d) Der vom LSG in Bezug genommene ALV vom 21. Dezember 1982 zwischen dem Apothekerverein Schleswig-Holstein und den Schleswig-Holsteinischen Landesverbänden der KKn (ALV SchH) trifft keine hiervon abweichende Regelung, insbesondere nicht mit der Forderung einer schriftlichen Beitrittserklärung in § 1 Nr 5 ALV SchH, weil unter “Mitgliedskassen” nur diejenigen der vertragsschließenden Verbände zu verstehen sind. Das LSG hat sich nur mit der Bezeichnung “vertragsschließenden” und nicht mit der Auslegung der einzelnen Vertragsvorschriften befaßt. Da der Senat die landesrechtlichen Vorschriften damit erstmalig anwendet, war er nicht gehindert, ihren Inhalt selbst festzustellen (BSGE 66, 150, 156 mwN = SozR 2200 § 1248 Nr 1). Ein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung des abgegebenen Remedacen scheitert nach alledem nicht daran, daß die Beklagte dem ALV SchH nicht beigetreten ist und daß für Niedersachsen ein eigener Vertrag besteht.

e) Wird von dem Einwand der Beklagten, es handele sich nicht um eine ärztliche Maßnahme im Rahmen einer ärztlichen Behandlung, und von der deswegen erfolgten Leistungsablehnung abgesehen, dann sind die Voraussetzungen der erhobenen Zahlungsklage erfüllt. Nach § 3 Nr 1 des ALV SchH geben die Apotheker die Mittel aufgrund ordnungsgemäß ausgestellter kassenärztlicher Verordnung ab, die dazu folgende Angaben enthalten muß: Name, Gebietsbezeichnung und Anschrift des verordnenden Arztes (oder entsprechender Stempel), Datum der Ausstellung, Kostenträger, Statuskennzeichnung, Mittel und Menge des Mittels sowie eigenhändige Unterschrift des verordnenden Arztes. Im übrigen, so wird in den ALV SchH ausdrücklich formuliert, “ist der Apotheker nicht verpflichtet, die Angaben des Arztes zu überprüfen”. Die Feststellungen des LSG, dem hinsichtlich der bezifferten Leistungsklage die zugrundeliegenden 32 Rezeptkopien vorlagen, sind dahin zu verstehen, daß die Ausstellung auf Kassenrezept mit den angeführten Einzelangaben erfolgt, beziehungsweise für Zeiträume ab dem 1. Januar 1991 zu erwarten ist.

6. Der Zahlungsanspruch scheitert an der von der Beklagten gegenüber den Versicherten, dem verordnenden Arzt und gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Ablehnung eines Leistungsanspruchs nicht schon unabhängig davon, ob diese zu Recht erfolgt ist. Die Beklagte hat der Behandlung mit der Begründung widersprochen, es handele sich nicht um eine ärztliche Maßnahme im Rahmen einer ärztlichen Behandlung, da die Drogensucht mit der Ersatzdroge Remedacen nicht gebessert werden solle; deswegen dürfe eine Substitutionsbehandlung nicht zu Lasten der gesetzlichen KV durchgeführt werden. Der Senat hat also nicht darüber zu entscheiden, ob eine Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten oder der Widerspruch der KK gegenüber dem Kassenarzt oder dem Apotheker den Zahlungsanspruch des Apothekers dann – unabhängig von der Richtigkeit der Ablehnung – ausschließt, wenn diese mit dem Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs begründet wird. Es geht vielmehr um Einwände, die die Grenzen der vertragsärztlichen Therapiefreiheit betreffen. Insoweit ist die KK, wie das BSG schon früher entschieden hat, rechtlich grundsätzlich an die medizinische Erkenntnis, dh Diagnose und Therapie, des ordnungsgemäß handelnden Kassenarztes gebunden und gehindert, in das Vertrauensverhältnis zwischen dem Versicherten und dem von ihm gewählten Kassenarzt einzugreifen (BSGE 73, 271, 282 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4). Zwar bleiben der KK die Überprüfungsgründe der Nichterforderlichkeit, Unzweckmäßigkeit und Unwirtschaftlichkeit (BSG aaO); über diese haben jedoch im Verhältnis zum Vertragsarzt nicht die KKn zu entscheiden. Die KKn können lediglich andere Stellen zum Einschreiten veranlassen. Sie können bei den Prüfgremien eine Wirtschaftlichkeitsprüfung beantragen, auch mit dem Ziel eines Arzneimittelregresses (§ 106 Abs 5 SGB V). Sie können gegen Vertragsärzte, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Maßnahmen nach § 81 Abs 5 SGB V anregen, insbesondere Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 20.000 Deutsche Mark oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Bei gröblicher Pflichtverletzung (§ 95 Abs 6 SGB V) können nach § 27 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) in der Fassung durch Art 9 Nr 18 des Gesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) die Landesverbände der KKn sowie die Verbände der ErsKn beim Zulassungsausschuß die Entziehung der Zulassung unter Angabe der Gründe beantragen. Das alles schließt aber umgekehrt eine Entscheidungskompetenz der KK über Fragen der Behandlungsweise nicht nur im Verhältnis zum Vertragsarzt, sondern auch im Verhältnis zum Apotheker aus. Deswegen kann sich die KK im Verhältnis zu Arzt und Apotheker auch nicht darauf berufen, daß sie gegenüber dem Versicherten den Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsweise mit bindendem Bescheid (hier vom 12. Dezember 1989) abgelehnt habe.

7. Der Klageanspruch scheitert auch nicht daran, daß der Kläger aus dem Umfang der Verordnungen erkennen konnte, daß Remedacen nicht als Hustenmittel eingesetzt wurde, sondern (möglicherweise) zur Drogensubstitution. Der Senat unterstellt, daß dem Kläger schon zu Beginn der streitigen Zeit bekannt war, daß Remedacen von manchen Ärzten auch zur Drogenbehandlung eingesetzt wurde. War dies generell und eindeutig unzulässig, wie dies die Revision geltend macht, dann hätte der Kläger, was hier unterstellt werden kann, mit der Abgabe des Mittels gegen seine Vertragspflichten verstoßen und damit keinen Zahlungsanspruch erworben.

Bei Drogenabhängigen ist (und war auch im fraglichen Zeitraum) jedoch eine Leistungspflicht der KKn, im Rahmen der ärztlichen Versorgung eine Drogensubstitution mit dem Medikament Remedacen zu gewähren, entgegen der Auffassung der Revision nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wie der 1. Senat des BSG nach Erlaß des angefochtenen Urteils für die Jahre 1989 und 1990 entschieden hat (Urteil vom 5. Juli 1995 – 1 RK 6/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der 6. Senat hat im Anschluß hieran zur Drogentherapie mit Remedacen klargestellt, daß das Rechtsmittelgericht auf die Revision des Vertragsarztes über die Zulässigkeit dieser Behandlungsform nicht entscheiden darf, wenn die hierüber ergangenen Entscheidungen der Prüfgremien rechtskräftig aufgehoben und neue Entscheidungen noch nicht ergangen sind; das gilt insbesondere, soweit bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit bzw des Umfangs der Unwirtschaftlichkeit der vom Kassenarzt verordneten Dosen von Remedacen den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht (BSG Urteil vom 18. Oktober 1995 – 6 RKa 3/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der Kläger durfte aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts davon ausgehen, daß die beiden Versicherten an Heroinsucht erkrankt waren, was die Revision auch nicht bekämpft. Die Drogensucht – hier in Form einer Opiatsucht (Heroinsucht) – ist eine Krankheit iS des SGB V, wenn sie zum Verlust der Selbstkontrolle mit zwanghafter Abhängigkeit führt (BSGE 28, 114, 115 f = SozR Nr 28 zu § 182 RVO; BSG SozR Nr 23 zu § 184 RVO; BSG SozR 2200 § 184a Nr 1, jeweils zur Trunksucht; BSGE 51, 44, 46 = SozR 2200 § 184a Nr 4; Schmidt in Peters, aaO, § 27 SGB V RdNrn 142 ff; Höfler in KassKomm, § 27 SGB V RdNr 33; Zipperer in Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, § 27 RdNr 18; Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, Krankenversicherungsrecht, § 20 RdNr 86).

In der hier fraglichen Zeit hat Remedacen auch nicht zu den nicht verkehrsfähigen oder nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gehört (vgl dazu BSGE 72, 252, 257 ff = SozR 3-2200 § 182 Nr 17; Urteil des 1. Senats vom 8. März 1995 – 1 RK 8/94 = SozR 3-2500 § 31 Nr 3). Dabei spielt es rechtlich keine Rolle, daß das Mittel für die Anwendung bei akutem oder chronischem Reizhusten und nicht als Substitutionsmittel bei Drogenabhängigkeit zugelassen worden ist. Auch das Betäubungsmittelrecht kannte jedenfalls in der hier fraglichen Zeit kein Verbot, das codeinhaltige Präparat Remedacen als Substitutionsmittel zu verschreiben (vgl Körner, Betäubungsmittelgesetz, 4. Aufl 1994, § 29 RdNr 893). In dieser Zeit gehörte Remedacen auch nicht zu den nach § 31 Abs 1 iVm § 34 Abs 1 SGB V ausgeschlossenen Arzneimitteln. Denn es wurde bei den Versicherten gerade nicht für das Anwendungsgebiet “Erkältungskrankheiten” verordnet (vgl dazu Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, 3. Aufl, Stand 1995, § 34 SGB V, RdNr 4), sondern für eine Substitutionsbehandlung bei der Krankheit “Drogensucht”, wie oben dargelegt. Insbesondere läßt § 34 SGB V die Kostentragungspflicht der KK nur für solche Arzneimittel entfallen, die bei bestimmten häufig auftretenden leichteren Krankheiten angewendet werden und deren Beschaffung auf eigene Kosten dem Versicherten zugemutet werden kann (BT-Drucks 11/2237 S 174 zu § 34 Abs 1 und 2; Schneider in Schulin, aaO, § 22 RdNr 214; von Maydell, Gemeinschaftskomm zum SGB – Gesetzliche Krankenversicherung – § 34 RdNr 7). Wird ein solches Mittel dagegen – wie hier – bei schweren, in § 34 Abs 1 SGB V nicht aufgeführten Krankheiten angewendet, so ist der Ausschlußtatbestand der Vorschrift weder nach ihrem Wortlaut, noch nach ihrem Sinn und Zweck erfüllt.

Die Revision wendet zu Unrecht ein, Remedacen sei schon deshalb kein Arzneimittel zur Drogenbehandlung, weil es die Sucht nicht bessern könne. Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt ua ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 SGB V). Insoweit steht der Leistungspflicht nicht entgegen, wie bereits vom 1. Senat im angeführten Urteil (aaO) ausgeführt, daß mit einer Remedacen-Behandlung auch Gefahren verbunden sind und daß die Behandlung nicht unmittelbar zur Heilung führt, weil – jedenfalls zunächst – nur eine Suchtkrankheit durch eine andere ersetzt wird. Der Versicherte kann eine Behandlung nämlich auch dann verlangen, wenn sie erst in einem zweiten Schritt eine zur Heilung führende Behandlung ermöglicht. Denn § 27 SGB V läßt als Behandlungsziel auch die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden zu.

Daß auch eine Drogensubstitution grundsätzlich auf Kosten der KKn erfolgen kann, hat der Bundesausschuß für Ärzte und KKn am 2. Juli 1991 für die Methadon-Substitutionsbehandlung anerkannt und dazu gemäß § 135 Abs 1 iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V Richtlinien beschlossen, die am 1. Oktober 1991 in Kraft getreten sind (vgl dazu Anlage 1 Nr 2 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und KKn über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom 4. Dezember 1990, BArbBl Nr 2/1991, S 33, zuletzt geändert durch Beschluß vom 22. November 1994, BAnz Nr 5 vom 7. Januar 1995, S 146, abgedruckt in: Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, 5700). In diesen Richtlinien ist bestimmt, daß eine Substitutionsbehandlung mit Methadon bei bestimmten Indikationen erfolgen kann. Dazu gehören Drogenabhängigkeit mit lebensbedrohlichem Zustand im Entzug, Drogenabhängigkeit bei schweren konsumierenden Erkrankungen, Drogenabhängigkeit bei opioidpflichtigen Schmerzzuständen, Drogenabhängigkeit bei Aids-Kranken, Drogenabhängigkeit bei Patienten, die sich einer unbedingt notwendigen stationären Behandlung wegen einer akuten oder schweren Erkrankung unterziehen müssen und denen gegen ihren Willen nicht gleichzeitig ein Drogenentzug zuzumuten ist, Drogenabhängigkeit in der Schwangerschaft, unter der Geburt und bis zu sechs Wochen nach der Geburt sowie Drogenabhängigkeit bei vergleichbar schweren Erkrankungen (zu diesen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und KKn s insbesondere Rohe, ErsK 1991, 394; Kirsch, DOK 1991, 686). Damit steht gleichzeitig fest, daß die bis dahin anerkannten Methoden der Behandlung von Drogensüchtigen nicht (mehr) den Anforderungen entsprachen, die § 2 SGB V an das Leistungssystem der gesetzlichen KKn stellt. Denn anderenfalls hätte der Bundesausschuß keinen Anlaß gehabt, trotz der Bedenken und Gefahren, die sich aus der Verordnung von Suchtmitteln an Süchtige grundsätzlich ergeben, eine Substitutionsbehandlung – wenn auch nur unter engen Voraussetzungen – als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu billigen. Das Eingeständnis der Unzulässigkeit der bisher anerkannten Methoden kann nicht auf die Zeit nach Inkrafttreten der Methadon-Richtlinien beschränkt werden. Die Substitutionsbehandlung ist hier ähnlich wie in dem vom 1. Senat (aaO) entschiedenen Fall etwa eineinhalb Jahre vor der Verabschiedung der Methadon-Richtlinien begonnen worden. Daher muß auch hier ohne Anhaltspunkte für einschneidende Änderungen im Behandlungsbedarf von Drogensüchtigen bei einem so geringen zeitlichen Abstand davon ausgegangen werden, daß die Versicherten auch schon im Dezember 1989 nicht ausschließlich auf die zuvor anerkannte Methode des Drogenentzugs verwiesen werden durften. Vielmehr war schon damals eine Bewertung der Vorteile und Risiken einer Substitutionsbehandlung sowie ihres voraussichtlichen Einflusses auf den Gesundheitszustand des Versicherten geboten.

8. Die Beklagte hat ihre Leistungsverweigerung nicht, auch nicht vorsorglich für den Fall, daß die Behandlung mit Remedacen im Grundsatz als zulässig angesehen wird, darauf gestützt, daß der Kläger habe erkennen können, daß die Grenzen einer zulässigen Drogensubstitution durch Remedacen überschritten seien. Sie hat dies auch mit der Revision allenfalls konkludent geltend gemacht. Ob ein Leistungsverweigerungsrecht gleichwohl vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist, kann offenbleiben. Denn der Beklagten steht auch im Hinblick auf die Umstände der Verordnungen kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Die Umstände einer solchen Pflichtwidrigkeit, wie sie hier in Betracht kommt und vom Senat zugunsten der Beklagten unterstellt werden kann, berechtigen die KK, die Verordnungsweise des Arztes durch die bereits angeführten Prüf- und Zulassungsinstanzen korrigieren zu lassen, sie rechtfertigen jedoch nicht einen Anspruch der KK gegen den Apotheker, daß dieser die Verordnungen (auf sein Haftungsrisiko) zurückweist.

a) Insoweit unterstellt der Senat zugunsten der Beklagten, daß der Beigeladene durch die Art und Weise der streitigen Verordnungen von Remedacen für die beiden Versicherten gegen seine kassenärztlichen Pflichten verstoßen hat. Es bedarf daher keiner weiteren Feststellungen des LSG dazu, ob die Voraussetzungen einer zulässigen Remedacenbehandlung erfüllt waren. Eine Pflichtwidrigkeit der Verordnungen liegt zumindest für den von der unbezifferten Leistungsklage erfaßten Zeitraum ab Januar 1991 schon wegen Überschreitung der bei einer Remedacenbehandlung zu beachtenden Zeitgrenze nahe. Der 1. Senat des BSG hat in seinem mehrfach angeführten Urteil vom 5. Juli 1995 – 1 RK 6/95 – zum Anspruch einer Versicherten auf Versorgung mit Remedacen dargelegt, daß die Drogensubstitution für eine Übergangszeit zweckmäßig, wirtschaftlich und medizinisch notwendig sein kann, ohne zur höchstzulässigen Dauer dieser Übergangszeit abschließend Stellung zu nehmen. In dem vom 6. Senat entschiedenen Remedacenfall hatte der Kläger selbst seine Behandlungsweise damit gerechtfertigt, daß sie ein geeigneter Weg zu dem auch von ihm stets verfolgten Ziel der Drogenfreiheit des Patienten sei (BSG Urteil vom 18. Oktober 1995 – 6 RKa 3/93 –). Wie die zeitliche Grenze im Einzelfall zu ziehen ist, entzieht sich auch nach der angeführten Entscheidung des 6. Senats einer generellen Festlegung und ist von den Prüfgremien wertend zu beurteilen.

Eine Pflichtwidrigkeit der Verordnungsweise kommt ferner unter dem Gesichtspunkt unzureichender Überwachung der Drogenabstinenz in Betracht. Eine Drogensubstitution fällt nur dann in die Leistungspflicht der KK, wenn der Patient sich einer ausreichenden und fachkundigen Betreuung sowie ständigen Kontrolle unterwirft, die sicherstellt, daß die Substitutionsmittel vom Patienten nur in dem vom Arzt verordneten Umfang genommen und daneben nicht andere Drogen konsumiert werden, wie dies bereits in der Remedacen-Entscheidung des 1. Senats (aaO) unter Hinweis auf Schrifttum zu den Grenzen einer wirtschaftlichen Remedacenbehandlung ausgeführt wird. Das LSG hat festgestellt, die Verabreichung der Remedacen-Kapseln sei “teilweise” im Wege des Versands erfolgt. Das kann je nach dem Umfang des Versands auf eine fehlende Überwachung durch den Beigeladenen hindeuten (auch wenn der Kläger selbst mit dem Versand lediglich gegen die Apothekenbetriebsordnung verstieß, aber nicht Rechte der KK verletzte, wie dies das LSG zutreffend ausgeführt hat). Das Revisionsvorbringen, der Kläger habe “ganz überwiegend” auf telefonische Bestellung geliefert, wobei eine direkte Abgabe der Rezepte vom Arzt an den Apotheker erfolgt sei, und hinsichtlich der fehlenden Kontrolle sowie des Fehlens jeder “halbwegs sinnvollen” Begleitbehandlung liege ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken zwischen Kläger und Beigeladenem vor, der die beiden Versicherten sogar angewiesen habe, die Kapseln allein vom Kläger zu beziehen, enthält hingegen unzulässigerweise neuen Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren und kann deshalb nicht, auch nicht im Wege der Unterstellung, verwertet werden.

b) Der Kläger war aber selbst dann nicht verpflichtet, die Abgabe von Remedacen zu verweigern, wenn ihm die vom Senat unterstellten Begleitumstände (die, was nochmals hervorgehoben wird, den Vorwurf eines gewollten Zusammenwirkens nicht umfassen) erkennbar oder sogar bekannt waren.

Insoweit geht es nicht darum, ob und unter welchen Voraussetzungen der Apotheker verpflichtet ist, bei Anhaltspunkten für eine irrige ärztliche Verordnung beim Arzt Rückfrage zu halten, insbesondere wenn die Verordnung eine Lebensgefahr für den Patienten bewirken kann; denn eine nur irrige Verordnung scheidet nach dem Geschehensablauf aus. Es geht auch nicht darum, ob der Kläger verpflichtet war, die KK auf den Verdacht einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise hinzuweisen, damit diese, gegebenenfalls über ihren Landesverband, bei den Prüf- und Zulassungsinstanzen vorstellig werden konnte; denn der Beklagten waren die Verhältnisse bekannt, da sie gerade aus diesen Gründen vom Kläger die Ablehnung der Belieferung verlangt hat. Es geht allein darum, ob die Beklagte beim Vorliegen der hier unterstellten Umstände nur vom beigeladenen Kassenarzt für die Zukunft das Unterlassen weiterer derartiger Verordnungen und für die Vergangenheit Schadensersatz im Wege des Arzneimittelregresses fordern kann – oder ob daneben auch der Apotheker zur Ablehnung der Arzneimittelabgabe verpflichtet ist.

Die Frage ist in den ALV SchH nicht geregelt. Der Apotheker ist zwar nach § 3 Nr 1 des ALV SchH, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich nicht verpflichtet, die Angaben des Arztes zu überprüfen. Die KK wird vielmehr umgekehrt in § 3 Nr 10 ALV SchH sogar verpflichtet, gefälschte, unbefugt oder mißbräuchlich ausgestellte Verordnungen zu bezahlen, sofern der Apotheker einen derartigen Mangel nicht erkennen konnte. Die Maßgeblichkeit der kassenärztlichen Verordnung gilt aber nicht, wenn der Apotheker “begründeten Zweifeln nicht nachgegangen ist”. Was in dieser Vorschrift unter “Nachgehen” zu verstehen ist, muß aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen KK, KÄV, den Prüf- und Zulassungsinstanzen sowie dem Apotheker bestimmt werden. In der Regel reicht die Unterrichtung des Arztes, bei begründeten Zweifeln am ordnungsgemäßen Verhalten des Arztes die Unterrichtung der KÄV oder der KK. In Fällen einer ganz offensichtlichen Verletzung kassenärztlicher Pflichten mag der Apotheker auch die Belieferung auf Kosten der KK ablehnen müssen. Das kann aber nur für eine kurze Übergangszeit bis zum Greifen der von der KÄV sowie von den Prüf- und Zulassungsinstanzen zu ergreifenden Maßnahmen gelten. Um eine solche kurze Übergangszeit geht es hier aber nicht. Wenn das Gericht im Verhältnis zum Vertragsarzt die medizinischen Gründe der Verordnung nur auf der Grundlage einer Entscheidung der Prüfgremien beurteilen darf, wie vom 6. Senat bereits entschieden (aaO), dann muß dies im Grundsatz auch für Gerichtsentscheidungen im Verhältnis KK – Apotheker gelten.

Eine Verpflichtung des Klägers, die Belieferung abzulehnen, ist nicht nur wegen der angeführten Kompetenzverteilung zu verneinen. Hinzu kommt, daß die Verordnungsweise unter den gegebenen Umständen nicht in der Weise offensichtlich mißbräuchlich ist, wie dies eine Verpflichtung des Apothekers, die Abgabe zu verweigern, voraussetzt. Dafür spricht schon der Umstand, daß es der Beklagten nicht möglich war, in der Zeit von Dezember 1989 bis zum Erlaß des Berufungsurteils im Juli 1995 über die zuständigen Instanzen den Beigeladenen an der Fortsetzung seiner Verordnungsweise zu hindern. Anderenfalls hätte die Beklagte gegenüber der unbezifferten Leistungsklage eingewandt, daß infolge der von den zuständigen Stellen getroffenen Maßnahmen in Zukunft ohnehin mit weiteren Verordnungen nicht zu rechnen sei, so daß für einen zeitlich unbegrenzten Antrag ein Rechtsschutzinteresse fehle. Außerdem hat die Beklagte selbst den Kläger über die Zulässigkeit einer Remedacenbehandlung unrichtig, nämlich im Sinne einer generellen Unzulässigkeit, belehrt; hat sich die Beklagte in der generellen Bewertung der Zulässigkeit einer Remedacenbehandlung aber selbst geirrt, fällt es schwer, dem Apotheker hinsichtlich der Bewertung lediglich der Art und Weise der Remedacenbehandlung Vorwürfe zu machen.

Zur Frage, ob der Kläger von einer offensichtlichen Pflichtverletzung ausgehen mußte, war schließlich auch zu berücksichtigen, daß es nicht Aufgabe des Apothekers ist, ein – wie hier – der Kasse bekanntes und nach ihrer Auffassung mißbräuchliches Verhalten des Arztes durch Nichtauslieferung von Medikamenten in eigener Verantwortung “abzufangen” und sich damit unter Umständen Vorwürfen von Arzt und Kasse sowie Schadensersatzansprüchen von Versicherten oder gar Strafanzeigen (in Notfallsituationen) auszusetzen. Solche Notfallsituationen sind nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil nur die Abgabe auf Kosten der KK, nicht aber auch die Abgabe gegen Bezahlung durch den Versicherten abzulehnen ist. Denn gerade in Fällen der Drogenbehandlung muß auch damit gerechnet werden, daß der Versicherte zur Zahlung nicht in der Lage ist. Der Apotheker ist weder ein medizinischer Obergutachter noch eine medizinische Aufsichtsbehörde des Arztes. In der Tat wäre es eine zeitlich-fachliche Überforderung des Apothekers und würde seiner Stellung im System der Kassenversorgung nicht entsprechen, wenn er jedes ihm vorgelegte Rezept auf dessen medizinische Richtigkeit überprüfen sollte. Umgekehrt soll der Apotheker aber auch nicht die Augen vor einer mißbräuchlichen Verschreibung verschließen.

Vielmehr wäre es Sache der Kassen gewesen, gegen den nach ihrer Auffassung mißbräuchlich handelnden Arzt vorzugehen. Wenn jedoch gegen den Arzt selbst über Jahre hinweg nicht oder nicht erfolgreich vorgegangen werden kann, überzeugt es wenig, sich nach so langer Zeit letztlich nur noch an den Apotheker zu halten und ihm mangels “begründeter Zweifel” die Begleichung seiner Forderungen zu verweigern. Es ist vielmehr umgekehrt verständlich, wenn der Apotheker angesichts nicht vorgenommener oder nicht erfolgreicher Schritte der KK gegen den Arzt seinerseits keine “begründeten Zweifel” gehabt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 194

NJW 1996, 2450

Breith. 1996, 840

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