Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung. Lohnfortzahlungsversicherung. Ausgleichsverfahren. Sozialversicherungsträger. Umlagen. Beiträge. Normzweck. Masseschuld. Rückstände. Sozialversicherungsleistungen. Kleinbetriebe. Arbeitgeberausgleich. Sozialrechtsweg. Sondervermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Masseschulden iS von § 59 Abs. 1 S 3 Buchst e KO können auch Umlagen-Rückstände nach § 14 LFZG gehören.

 

Normenkette

KO §§ 59, 61; RVO § 28 Abs. 3 a.F.; LFZG § 10 ff., § 14; SGG § 51 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.01.1992; Aktenzeichen L 4 Kr 2415/90)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 10.08.1990; Aktenzeichen S 10 Kr 5042/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob Umlageforderungen nach § 14 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) Masseschulden iSv § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e der Konkursordnung (KO) sein können.

Über das Vermögen der Firma „P. G. z. F. d. D. J. W. mbH mit Sitz in St.” wurden am 11. Mai 1989 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestimmt. Die für die Zeit vom 1. April 1989 bis zur Konkurseröffnung geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge für drei Arbeitnehmer wurden der Beklagten aus der Konkursausfallversicherung erstattet. Die nicht erstattungsfähigen Umlagerückstände nach dem LFZG in Höhe von 865,80 DM meldete die Beklagte mit Schreiben vom 3. Juli 1989 beim Kläger als Masseschuld an. Dieser lehnte die Zahlung mit der Begründung ab, daß zum einen Masseunzulänglichkeit bestehe, zum anderen die Umlageforderungen nicht als Masseschulden anzusehen seien. Mit Bescheid vom 22. September 1989 stellte daraufhin die Beklagte den Anspruch in Höhe von 865,80 DM als Masseschuld iSv § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO fest. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1989).

Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Stuttgart vom 10. August 1990; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 24. Januar 1992). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, zu den Masseschulden gehörten auch Ansprüche der Sozialversicherungsträger auf Umlagen. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO sei zu entnehmen, daß dies nicht für die Umlagen nach § 14 LFZG gelte, die von den zuständigen Krankenkassen als Sondervermögen verwaltet und auch eingezogen würden. Diese Umlagen dienten auch letztlich dazu, die Mittel für die Finanzierung bestimmter Sozialleistungen aufzubringen: Da Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall vor allem Kleinbetriebe überforderten und dies wiederum die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Lohnfortzahlung oder sogar deren Arbeitsplätze gefährden könne, sei für Kleinbetriebe in § 10 LFZG eine Erstattungsmöglichkeit der für die Lohnfortzahlung aufgewendeten Arbeitsentgelte vorgesehen. Die Mittel für diesen Ausgleich würden durch eine Umlage der am Ausgleich beteiligten Arbeitgeber aufgebracht (§ 14 LFZG). Diese Umlage sei im Konkurs nicht anders als Sozialversicherungsbeiträge zu behandeln, weil die durch sie zu sichernden Arbeitnehmerrechte auch in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung schützenswert seien. Auch in dieser Zeit könnten Betriebsangehörige arbeitsunfähig erkranken, so daß der Konkursverwalter ein wirtschaftliches Interesse an der Erstattung der Lohnfortzahlung habe. Es sei nicht angezeigt, Arbeitgeber, die in Konkurs geraten seien, hinsichtlich der Beteiligung am Ausgleichsverfahren anders zu behandeln als andere Arbeitgeber. Die Umlage nach § 14 LFZG sei daher Masseschuld. Dem stehe auch § 61 KO nicht entgegen.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht der Kläger geltend, schon nach dem Wortlaut des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO, aber auch nach dessen Zweck und Entstehungsgeschichte seien Umlagen nach § 14 LFZG nicht Masseschulden. Der Begriff der Umlage sei dort nicht definiert. Da die Konkursvorrechte der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e, 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst e KO eine Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bewirkten, seien diese Vorschriften eng auszulegen. Die Vorrechte dienten dem direkten Schutz der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger und erfaßten daher nur Mittel, die – wie die Sozialversicherungsbeiträge – der Finanzierung von Sozialversicherungsleistungen im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) dienten. Die Leistungen der Lohnausfallversicherung seien keine Leistungen der Sozialversicherungsträger in diesem Sinne. Sie dienten ausschließlich dem Schutz der Arbeitgeber, so daß die Konkursvorrechte nicht auf die Umlagen nach dem LFZG anwendbar seien. Das ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung zu Art. 2 § 10 des Gesetzentwurfs zum Vierten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IV), wonach eine Änderung des § 59 KO nur im Hinblick auf die Streichung des § 28 Abs. 3 RVO aF beabsichtigt gewesen sei. Daraus sei zu erkennen, daß sich die Gesetzesänderung lediglich auf die Beiträge der RVO, nicht aber auf die Umlagen nach dem LFZG beziehe. Die RVO sei auf das LFZG nicht, auch nicht analog, anzuwenden. Daß die Krankenkassen mit der Durchführung der Lohnfortzahtungsversicherung beauftragt worden seien, rechtfertige eine Gleichbehandlung mit den Sozialversicherungsbeiträgen nicht, weil der Gesetzgeber hierfür jedwede andere Institution hätte wählen können und die Krankenkassen lediglich zufällig und aus Gründen der Praktikabilität gewählt worden seien. Sie hätten auch kein eigenes materielles Interesse an der Umlage, die ausschließlich den Schutz der Arbeitgeber bezwecke. Eine lediglich indirekte Wirkung des Ausgleichsverfahrens zugunsten der Arbeitnehmer eines Kleinbetriebs sei für eine Qualifizierung der Umlage als Masseschuld nicht ausreichend.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Januar 1992 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. August 1990 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. September 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 1989 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend bejaht worden ist. Dies war vom Revisionsgericht – ungeachtet des § 17 a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (–GVG– idF des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990, BGBl I, 2809) – noch zu prüfen, weil diese Regelung in Rechtsstreitigkeiten, in denen – wie hier – der 1. Rechtszug vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war, noch nicht anzuwenden ist (Urteil des 3. Senats des BSG vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Allerdings handelt es sich nicht – wie das LSG offenbar angenommen hat – um einen Streit über das Konkursvorrecht von Beitrags- bzw Umlagerückständen, für den das BSG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in ständiger Rechtsprechung als gegeben angesehen hat (vgl. BSGE 32, 263, 264 mwN). Vielmehr geht es hier um die Eigenschaft einer rückständigen Umlage als Masseschuld, die die Beklagte gegenüber dem Kläger als Konkursverwalter durch einen Verwaltungsakt festgestellt hat. Da Masseschulden – anders als bevorrechtigte Konkursforderungen – aus der Konkursmasse vorweg zu berichtigen sind (§ 57 KO) und sich die Befriedigung der Massegläubiger unabhängig vom Gang des Konkursverfahrens vollzieht, sind Streitigkeiten um Umlagerückstände als Masseforderung ohne weiteres in dem Rechtsweg auszutragen, der für die Geltendmachung der Umlageforderung vorgesehen ist (vgl. BSGE 49, 276, 277), Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die aufgrund des LFZG entstehen, ist gemäß ausdrücklicher Zuweisung in § 51 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Sozialrechtsweg gegeben (BSGE 36, 16, 17). Daß Streitigkeiten aus §§ 10 ff, 14 LFZG öffentlich-rechtlicher Natur sind, ergibt sich bereits daraus, daß der Gesetzgeber die Durchführung des Arbeitgeberausgleichs und die Einziehung der Umlage den Krankenkassen als Pflichtaufgabe zugewiesen und sie zugleich ermächtigt hat, sich bei Erfüllung dieser Aufgaben des für hoheitliches Handeln typischen Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (BSGE aaO, S 18). Über solche Streitigkeiten haben deshalb die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit Spruchkörpern der gleichen Art. und der gleichen Besetzung wie in Krankenversicherungssachen zu befinden, dh unter Mitwirkung je eines ehrenamtlichen Richters aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber (BSG aaO S 18). Auch war die Berufung des Klägers nicht nach § 144 Abs. 2 SGG (in der hier noch anzuwendenden Fassung, vor Änderung durch Art. 8 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993, BGBl I 50) ausgeschlossen, weil in der vorliegenden – öffentlich-rechtlichen – Streitigkeit aufgrund des LFZG der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 865,80 DM den vorgesehenen Grenzwert von 500,– DM übersteigt.

Die Beklagte hat die streitigen Umlagerückstände des Gemeinschuldners im angefochtenen Bescheid zu Recht als Masseschulden iSv § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO festgestellt. Nach dieser Vorschrift sind Masseschulden die Ansprüche der Träger der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit auf Beiträge einschließlich Säumniszuschläge und auf Umlagen, soweit sie Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens betreffen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn zu den Umlagen iS dieser Regelung gehören auch die Umlagen nach § 14 LFZG, und Anspruchsinhaber ist die beklagte Krankenkasse, also ein Sozialversicherungsträger. Daß die streitigen Umlageansprüche in der geltend gemachten Höhe in der maßgeblichen 6-Monats-Frist entstanden sind, steht außer Streit.

Die Anwendung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO ist entgegen der Meinung des Klägers nicht auf Rückstände des Gemeinschuldners zu beschränken, die – wie die Sozialversicherungsbeiträge – der Finanzierung von Sozialversicherungsleistungen iS der RVO dienen; die Vorschrift erfaßt vielmehr alle den Sozialversicherungsträgern geschuldeten Beitrags- und Umlagerückstände, also auch die Umlagen aus § 14 LFZG. Zwar hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, daß der Katalog von Masseschulden in § 59 KO ebenso wie derjenige von Konkursforderungen in § 61 KO als ein in sich geschlossenes System einer Erweiterung durch Auslegung nicht oder allenfalls in engen Grenzen zugänglich ist (vgl. zu § 61 KO insbesondere BVerfGE 65, 182, 191). Um eine erweiternde Auslegung geht es hier aber nicht, weil das Gesetz vom Wortlaut her den gegebenen Sachverhalt ausdrücklich erfaßt. Die Beklagte hat § 59 KO nicht etwa über den Wortlaut hinaus ausgedehnt, sondern der Kläger möchte diesen Wortlaut als zu weit gefaßt eingeschränkt wissen. Diese Einschränkung (teleologische Reduktion) kann mit dem Hinweis auf den abschließenden Regelungsgehalt des § 59 KO also nicht begründet werden.

Auch der Umstand, daß die Umlagen nach § 14 LFZG nicht zu den „originären” Ansprüchen der Krankenkassen gehören, spricht nicht für die vom Kläger vertretene Einschränkung des § 59 KO. Es trifft zwar zu, daß die Krankenkassen bei Durchführung des Ausgleichsverfahrens nach §§ 10 ff LFZG in einer gesonderten Funktion als „Ausgleichskassen” tätig werden und daß es sich dabei nicht um eine eigentliche Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Gleichwohl ist das Ausgleichsverfahren, wie noch näher ausgeführt werden wird, Teil des Gesamtsystems „Sozialversicherung”, und die Krankenkasse als Träger dieses Verfahrens ein Sozialversicherungsträger. Das Ausgleichsverfahren beruht auf dem LFZG vom 27. Juli 1969 (BGBl I, 946) und hat seinen Grund darin, daß das ursprünglich allein bei den Krankenkassen liegende Risiko des Lohnausfalls bei Arbeitsunfähigkeit durch dieses Gesetz für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit vorrangig den Arbeitgebern übertragen worden ist, die damit gewissermaßen in die Funktion der Krankenkassen eingerückt sind. Dabei bestand die Besorgnis, daß Kleinbetriebe bei einer vermehrten Erkrankung der Arbeitnehmer überfordert werden (vgl. dazu BSGE 36, 16, 19; BSG SozR 7860 § 10 Nrn 1 und 3). Um dieses Risiko zu begrenzen, wurde allen Arbeitgebern, die nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, ein Anspruch auf Erstattung der ihnen bei Arbeitsunfähigkeit entstehenden Aufwendungen in bestimmter Höhe eingeräumt (§§ 10 ff LFZG). Die Mittel für die Durchführung dieses Ausgleichs der Arbeitgeber-Aufwendungen werden durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht (§ 14 LFZG). Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung verwalten diese Mittel als Sondervermögen (§ 15 LFZG). Die Satzung der Krankenkasse muß bezüglich des Ausgleichsverfahrens bestimmte Regelungen treffen, ua die Höhe des Umlagesatzes festlegen; dabei haben in den Organen der Selbstverwaltung nur Arbeitgeber mitzuwirken (§ 16 LFZG).

Damit ist der Arbeitgeberausgleich den Krankenkassen als – weitere – Pflichtaufgabe iS von § 30 Abs. 1 SGB IV zugewiesen (so Peters/Mengert, Krankenvers, Bd. II, § 10 LFZG S A 220) und hinsichtlich seiner Durchführung den sonstigen Aufgaben der Krankenversicherung gleichgestellt worden. Die Krankenkassen sind als Träger dieser „Kostenerstattungsversicherung” nicht nur Schuldner der Erstattungsansprüche nach § 10 LFZG, sondern Inhaber der Umlageforderung nach § 14 LFZG, die sie wie Beitragsansprüche geltend zu machen und durchzusetzen haben. Das ergibt sich aus § 17 LFZG, wonach auf das Verfahren nach §§ 10 ff LFZG die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden, soweit das LFZG nichts anderes bestimmt. Das bedeutet im vorliegenden Zusammenhang nicht nur, daß für die Zahlung und Einziehung der Umlagen die jeweils maßgebenden Vorschriften des SGB IV gelten, insbesondere die Krankenkassen berechtigt und verpflichtet sind, die genannten Umlagen zu erheben und Rückstände mittels Verwaltungsakt geltend zu machen (§ 28 h Abs. 1 Satz 2 SGB IV); vielmehr ist unter „Einziehung” bzw „Geltendmachung” jede Form der Durchsetzung des Anspruchs, also auch die Verfolgung des Anspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung und im Konkurs zu verstehen (BSG SozR 4230 § 3 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Juni 1981 – 10 RAr 4/81 – unveröffentlicht), Deshalb ist in der in § 17 LFZG enthaltenen allgemeinen Verweisung auf alle „für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften” ohne weiteres auch eine Verweisung auf die für Rückstände der Krankenkassen geltenden konkursrechtlichen Regelungen – hier § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO – enthalten; denn es war voraussehbar, daß bei Erhebung der Umlage Fälle von Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auftreten und im Konkurs durchzusetzen sein würden.

Auch die vom BSG bereits mehrfach erörterte Rechtsentwicklung spricht nicht für, sondern gegen die vom Kläger vertretene Auslegung. Zu der Zeit, als das LFZG in Kraft trat – 1. Januar 1970 –, galt § 28 RVO in der ursprünglichen, bis 20. Juli 1974 geltenden Fassung, der bestimmte, daß „Rückstände” wie Gemeindeabgaben beigetrieben werden (Abs. 1 und 2) und im Konkurs das Vorzugsrecht des § 61 Nr. 1 KO (aF) haben (Abs. 3). Diese für die Träger der Krankenversicherung geltende Regelung war durch die Verweisung in § 17 LFZG schon damals auch insoweit für sie maßgeblich, als es sich um rückständige Umlagen nach § 14 LFZG gehandelt hat. Auch diese genossen also das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO aF, Der damals im Gesetz verwandte Begriff der „Rückstände” war nicht – wie der Kläger meint – auf die Beitreibung von lohnbezogenen Beiträgen beschränkt, sondern hat allgemein die Beitreibung von Rückständen durch die Sozialversicherungsträger geregelt. Wie insbesondere der 2. Senat des BSG im einzelnen dargelegt hat, waren unter „Rückständen” alle am Fälligkeitstag nicht geleisteten, den Versicherungsträgern für ihre Zwecke nach gesetzlichen Vorschriften oder nach der Satzung geschuldeten Zahlungen zu verstehen. Dazu gehörten zwar in erster Linie die Beiträge, die auf allen Gebieten der Sozialversicherung zu zahlen waren, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Beziehung zum Lohnanspruch des Arbeitnehmers hatten oder nicht (BSGE 49, 276, 279 f zu den Beiträgen der Unfallversicherung), Zu diesen Rückständen gehörten aber auch „Umlagen”, jedenfalls soweit für ihre Einziehung auf § 28 RVO aF verwiesen war. In diesem Sinne hat das BSG bereits damals entschieden, daß zu den Rückständen, die nach § 28 Abs. 3 RVO in der bis zum 19. Juli 1974 geltenden Fassung das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO aF genossen, auch die Winterbauumlage nach § 186 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gehörte, weil bezüglich ihrer Einziehung über § 179 AFG auf § 28 Abs. 3 RVO verwiesen war (BSG SozR 4230 § 3 Nr. 1; SozR 4100 § 186 a Nrn 10 und 11). Für die Umlage nach § 14 LFZG kann nichts anderes gelten, weil in § 17 LFZG ebenfalls auf § 28 Abs. 3 RVO verwiesen war.

Schon damals war der Erstreckung auf Umlagen entgegengehalten worden, die Bezugnahme in § 28 Abs. 3 RVO aF auf eine Vorschrift über den Vorrang von Lohnrückständen (§ 61 Nr. 1 KO aF) müsse zu einer Einschränkung auf Beitragsrückstände führen, die in einem inneren Zusammenhang mit den nach dieser Regelung bevorrechtigten Lohnforderungen stünden. Für eine solche Auslegung vermißte das BSG jedoch eindeutige Hinweise im Wortlaut und in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BSG SozR 4230 § 3 Nr. 1 unter Bezugnahme auf BSGE 32, 263, 267 – SozR Nr. 5 zu § 28 RVO; neuerdings bestätigt in BSG, Urteil vom 23. November 1992 – 12 RK 23/90 – zur Veröffentlichung bestimmt). Der Gesetzgeber war deshalb auch nicht gehindert, durch die in § 17 LFZG ausgesprochene Verweisung auf § 28 Abs. 3 RVO aF die rückständige Umlage nach § 14 LFZG in das Konkursprivileg des damaligen § 61 Nr. 1 KO einzubeziehen. Diese Gleichbehandlung der Umlagen mit den Sozialversicherungsbeiträgen ist trotz der Höherstufung der Rückstände zu Masseschulden ab 20. Juli 1974 (durch die Neufassung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO und des § 28 Abs. 3 RVO durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974, BGBl I, S 1481) und trotz der Übernahme des § 28 Abs. 3 RVO in § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e, § 61 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO ab 1. Juli 1977 (durch das SGB IV vom 23. Dezember 1976, BGBl I S 3845) weiterhin gültig geblieben. Denn die genannten Gesetzesänderungen haben an dem einheitlich verwandten Begriff der „Rückstände” inhaltlich nichts geändert, wie das BSG in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat (BSGE 49, 276, 279 f = SozR 2200 § 28 Nr. 3; BSG SozR 4100 § 186 a Nr. 10; SozR 7910 § 59 Nr. 13). Vielmehr hat die ausdrückliche Erwähnung der Umlagen neben den Beiträgen in § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO durch das SGB IV klargestellt, daß auch bisher schon die Umlagen das gleiche Konkursprivileg wie die Beiträge genossen. Auch durch das SGB IV war keine Änderung beabsichtigt; es sollte vielmehr lediglich das materielle Konkursrecht, soweit es Ansprüche der Sozialversicherungsträger betrifft, aus der RVO systematisch richtiger in die KO übernommen werden (BSG SozR 4100 § 186 a Nr. 10; BSG SozR 4230 § 3 Nr. 1). In Anbetracht der vorausgegangenen Rechtslage hat deshalb die Einbeziehung der Umlage nach dem LFZG keiner ausdrücklichen Erwähnung oder Begründung bedurft; im Gegenteil hätte der Gesetzgeber, falls er die Umlage nach § 14 LFZG nicht hätte erfassen wollen, sie aus dem in § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO uneingeschränkt verwandten Begriff der Umlagen ausdrücklich ausgrenzen müssen, zumal es damals neben der Umlage nach § 14 LFZG nur die Winterbauumlage nach § 186 a AFG und die Umlage nach § 186 b AFG gab.

Schließlich spricht auch der Normzweck gegen die vom Kläger vertretene Einschränkung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO. Dieser ist nicht auf Mittel beschränkt, die der unmittelbaren Finanzierung von Sozialversicherungsleistungen bzw dem Schutz der Arbeitnehmer und deren Existenzsicherung dienen. Wie der 12. Senat im einzelnen dargelegt hat, geht der Normzweck der genannten Regelung über denjenigen des Arbeitnehmerschutzes hinaus (Urteil vom 23. November 1992 – 12 RK 23/90 –). Selbst in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung bedeutet der Vorrang von Beitragsforderungen im Konkurs keinen unmittelbaren Vorteil für die konkret betroffenen Arbeitnehmer, weil ihr Versicherungsschutz unabhängig davon besteht, ob Beiträge entrichtet werden oder nicht (§ 186 Abs. 1 SGB V, § 539 RVO, § 104 Abs. 1 AFG). Auch hier dient die Sicherung des Beitragseinkommens zumindest auch dem Schutz der jeweiligen Versichertengemeinschaft und der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung. Schon bei Einführung des konkursrechtlichen Vorrangs von rückständigen Krankenversicherungsbeiträgen im Jahre 1883 spielten im übrigen neben den Arbeitnehmerinteressen auch mögliche Beitragseinbußen bzw Vollstreckungsschwierigkeiten der Krankenkassen eine Rolle (Reichtstags-Drucks 1882/83 Nr. 211 S 803). Der Gesetzgeber hatte also von Anfang an neben dem Schutz der vom Konkurs betroffenen Arbeitnehmer auch den Schutz der Versichertengemeinschaften als solcher und insbesondere der zu ihrer Funktionsfähigkeit erforderlichen Mittel im Auge. Aus dieser Sicht weist die „Kostenerstattungsversicherung” der Arbeitgeber nach §§ 10 ff LFZG keine derartigen Besonderheiten auf, daß die Einbeziehung der hierfür erforderlichen Umlage in den Schutzbereich des § 59 KO als ausgeschlossen bzw ihre Gleichbehandlung mit den Sozialversicherungsbeiträgen als verfassungsrechtlich bedenklich zu gelten hätte.

Zwar bezweckt diese auf Versicherungszwang beruhende Ausgleichs- und Solidargemeinschaft der Arbeitgeber nicht unmittelbar den Schutz vor typischen Risiken der Sozialversicherung (Krankheit, Alter uä), sondern soll nur den Arbeitgebern, denen das LFZG in bestimmtem Umfang das Krankheitsrisiko ihrer Beschäftigten auferlegt hat, die Tragung dieser Last durch Einbeziehung in eine Ausgleichsgemeinschaft erleichtern und sie dadurch vor einer möglichen wirtschaftlichen Überforderung und Gefährdung sichern. Dabei kann der Senat offenlassen, ob allein schon das Merkmal der Schutzbedürftigkeit der zu einem Zwangsversicherungssystem zusammengeschlossenen Arbeitgeber dieses System zu einem Teil der Sozialversicherung macht oder ob dem das Fehlen des sonst die Sozialversicherung kennzeichnenden sozialen Ausgleichs unter den versicherten Arbeitgebern entgegensteht (vgl. dazu im einzelnen BSGE 36, 16, 19 f = SozR Nr. 1 zu § 10 LFZG mwN). Jedenfalls handelt es sich wegen des engen inneren (sachlichen) und äußeren (organisatorischen) Zusammenhangs mit den „eigentlichen” Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und wegen seines Zwecks, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zu sichern, um einen Teil des Gesamtsystems „Sozialversicherung” im verfassungsrechtlichen Sinne (BSG, aaO, S 19 f; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 10 LFZG S A 220; Fischwasser, BArbBl 1969, 540, 541; Doetsch/Schnabel/Paulsdorff, LFZG, 5. Aufl. § 10 Anm. 2; aA Tons, DOK 1969, 755, 765). Umlagen, die der Finanzierung dieses Lastenausgleichs zwischen den Arbeitgebern und jedenfalls mittelbar der Sicherung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle dienen, sind damit zumindest in ähnlichem Maße schutzwürdig wie die Beiträge zur Krankenversicherung. Der Gesetzgeber durfte sie daher im Rahmen seiner insoweit weiten Gestaltungsfreiheit in die Regelung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO einbeziehen. Da die Lohnausfallversicherung nach ihrer Zwecksetzung Teil des Gesamtsystems „Sozialversicherung” ist, ist es jedenfalls nicht sachfremd oder gar willkürlich, die Umlageforderungen aus § 14 LFZG mit anderen Sozialversicherungsbeiträgen gleichzubehandeln.

Obwohl im vorliegenden Fall nicht feststeht, ob die Masse zulänglich ist bzw ob und gegebenenfalls mit welcher Quote der Anspruch der Beklagten auf die festgestellte Umlage zu berichtigen sein wird, bedarf es vorliegend keiner gerichtlichen Änderung des angefochtenen Bescheides durch einen entsprechenden Vorbehalt (vgl. hierzu BSGE 52, 42, 46 = SozR 7910 § 59 Nr. 11; SozR 7910 § 59 Nr. 12; BSGE 63, 67, 73 f). Denn die beklagte Krankenkasse hat mit dem angefochtenen Bescheid nur – dem Grunde nach – die Eigenschaft des Umlage-Rückstandes als Masseschuld iS von § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst e KO festgestellt, so daß insoweit keine Bedenken bestehen, diesen Bescheid zu bestätigen.

Nach allem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 927593

BSGE, 31

ZIP 1993, 1399

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