Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitgliedschaft der getrennt lebenden Ehefrau in der Familienversicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei getrennt lebenden Eheleuten besteht keine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung des Ehemannes, die Ehefrau im Rahmen der Familienversicherung zu versichern, wenn sie inklusive des ihr gewährten Ehegattenunterhalts über Einkünfte verfügt, die ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschreiten und die Parteien von der Möglichkeit des begrenzten Realsplittings gem. § 10 Abs. 1 Nr. EStG Gebrauch machen.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a; SGB V § 10 Abs. 1 Nr. 5 Hs. 1; SGB IV § 16; RVO § 205 i.d.F. des KVKG (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) vom 27. Juni 1977

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin familienversichert ist.

Der Ehemann der Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Die Eheleute leben voneinander getrennt. Die Klägerin erhält aufgrund einer notariell beurkundeten Verpflichtung ihres Ehemannes für die Zeit des Getrenntlebens bis zur Rechtskraft der Ehescheidung monatliche Unterhaltszahlungen von 620,– DM. Sie werden mit Zustimmung der Klägerin bei ihrem Ehemann als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen und unterliegen bei ihr als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG der Einkommensteuer (begrenztes Realsplitting).

Mit Bescheid vom 1. August 1989 stellte die Beklagte der Klägerin gegenüber fest, daß bei ihr die Voraussetzungen für eine Familienversicherung seit dem 1. Januar 1989 nicht gegeben seien, weil sie aufgrund der Unterhaltszahlungen über ein Gesamteinkommen verfüge, das regelmäßig ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (1989: 450,– DM) überschreite. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1989 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 22. Februar 1990 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, daß die Klägerin familienversichert sei. Die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sei nicht überschritten, denn Unterhaltsleistungen zählten auch dann nicht zum Gesamteinkommen, wenn getrennt lebende Eheleute von dem begrenzten Realsplitting Gebrauch machten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) nach Beiladung des Ehemannes durch Urteil vom 31. Januar 1991 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Unterhaltszahlungen, die nach dem Entschluß der Eheleute für das Realsplitting vom Empfänger als sonstige Einkünfte zu versteuern seien, fielen unter das Gesamteinkommen. Auch sei die Klägerin ohne die Übernahme ihrer Krankenversicherungsbeiträge durch den Ehemann nicht verpflichtet gewesen, seinem Antrag auf Realsplitting zuzustimmen.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 31. Januar 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 22. Februar 1990 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Der beigeladene Ehemann hat sich in der Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes; SGG).

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Die Klägerin ist nicht familienversichert. Zwar kann die Mitgliedschaft ihres Ehemannes bei der Beklagten nach § 10 Abs. 1 SGB V eine solche Versicherung vermitteln. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ehemann, wie das LSG schreibt, versicherungspflichtig ist oder ob er in Wirklichkeit freiwillig versichert ist, wofür das in dem vom LSG herangezogenen Steuerbescheid ausgewiesene Gehalt spricht, das nahezu das Doppelte der Jahresarbeitsentgeltgrenze erreicht. Denn für das Bestehen einer Familienversicherung kommt es nicht darauf an, ob die Stammversicherung, von der sie abgeleitet wird, auf einer Pflichtmitgliedschaft oder einer freiwilligen Mitgliedschaft beruht. Die Familienversicherung der Klägerin scheitert aber daran, daß sie i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V ein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) überschreitet. Schon nach der bis Ende 1988 geltenden Vorschrift über die Familienhilfe (§ 205 der Reichsversicherungsordnung – RVO) hing ein Anspruch des Versicherten auf Leistungen für Angehörige vom Nichtüberschreiten einer Gesamteinkommensgrenze ab. Diese ist mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch Art 1 § 1 Nr. 18 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I 1069) in § 205 RVO eingefügt worden (Abs. 1 Satz 1). Sie betrug ursprünglich ein Fünftel, dann ein Sechstel und ist auf ein Siebtel der Bezugsgröße abgesenkt worden (zur Verfassungsmäßigkeit einer Einkommensgrenze BVerfG SozR 2200 § 205 Nrn. 18 und 19).

Gleichzeitig mit dem KVKG ist das SGB IV in Kraft getreten, das in § 16 eine für § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO und dementsprechend für § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verbindliche Bestimmung des Gesamteinkommens enthält. (vgl. BSGE 48, 206, 207, 208 = SozR 2200 § 205 Nr. 22; BSG SozR 2200 § 205 Nr. 23). Danach ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte i.S. des Einkommensteuerrechts; es umfaßt insbesondere das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) und das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV). Ferner wird in § 17 Abs. 1 SGB IV die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, wie u.a. das Gesamteinkommen zu ermitteln ist (Satz 1 Nr. 2); dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (Satz 2). Die Bundesregierung hat in bezug auf das Gesamteinkommen von dieser Ermächtigung bisher keinen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin hat seit Beginn des Jahres 1989 ein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschreitet (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Die monatlichen Unterhaltszahlungen von 620,– DM, die auch unter Berücksichtigung eines jährlichen Pauschbetrages für Werbungskosten von 200,– DM (§ 9a Abs. 1 Nr. 3 EStG) über der Gesamteinkommensgrenze (1989: 450,– DM) liegen, sind Einkünfte i.S. des Einkommensteuerrechts und zählen daher zum Gesamteinkommen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i.V.m. § 16 SGB IV.

Nach dem Einkommensteuerrecht sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen grundsätzlich steuerpflichtig (§ 22 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG). Werden sie jedoch freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt, so sind sie steuerlich nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig ist (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG mit bestimmten Ausnahmen).

Demnach sind Unterhaltsleistungen, die ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Ehegatte (§ 1 EStG) im Falle des Getrenntlebens dem anderen Ehegatten gewährt, grundsätzlich keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte des Empfängers und fallen somit nicht unter dessen Gesamteinkommen. Allerdings sind bei einer solchen Steuerfreiheit des Empfängers diese Leistungen beim Geber auch nicht als Sonderausgaben absetzbar, sondern können nur als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a EStG berücksichtigt werden (vgl. Blümich-Hutter, EStG, Komm, § 10 Rdnr. 52).

Von der Steuerfreiheit des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG ist der Empfänger von Unterhaltsleistungen nicht nur ausgeschlossen; wenn der Geber nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, sondern auch, wenn dieser die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben absetzt, in entsprechender Höhe also – vergleichbar mit einem nicht unbeschränkt Steuerpflichtigen – selbst keine Steuern darauf zu entrichten braucht. Eine solche einkommensteuerrechtliche Absetzungsmöglichkeit, für die sich die Bezeichnung „begrenztes Realsplitting” eingebürgert hat, steht dem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten bei Unterhaltsgewährung an den anderen Ehegatten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu. Nach dieser Vorschrift, die durch das Steueränderungsgesetz 1979 (StÄndG 1979) vom 30. November 1978 (BGBl. I 1849) in das EStG eingefügt worden ist, sind Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu einer bestimmten jährlichen Grenze (ursprünglich 9.000,– DM dann 18.000,– DM, jetzt 27.000,– DM) Sonderausgaben, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Sie sind andererseits für den Empfänger einkommensteuerpflichtige sonstige Einnahmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1a EStG). Dieser Regelung lag ein Regierungsentwurf zugrunde, der ein begrenztes Realsplitting ohne Wahlrecht der Betroffenen vorsah (Art 1 Nr. 2 des Entwurfs eines StÄndG 1979, BT-Drucks. 8/2118 S. 5). In der Begründung heißt es dazu: Das begrenzte Realsplitting werde der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen besser als die frühere Regelung gerecht. Die Auflösung einer Ehe führe – anders als andere Tatbestände, die Unterhaltsleistungen auslösen – zu einem tiefgreifenden Wechsel der gesamten Lebensverhältnisse und im Regelfall auch zu einer Vermögensumschichtung zwischen den Ehegatten (Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich). Zu der Belastung durch Unterhaltsleistungen, die regelmäßig höher als in anderen Fällen der Unterhaltsgewährung seien, komme noch der Wegfall des Splitting hinzu. Diese Umstände rechtfertigten es, die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen aus Anlaß der Scheidung, der Nichtigkeit und der Aufhebung der Ehe sowie des dauernden Getrenntlebens der Ehegatten auf eine Grundlage zu stellen (BT-Drucks 8/2118 S. 62, Abschnitt III B zu Nr. 2). Später wurde der Gesetzentwurf dahin ergänzt, daß den Betroffenen ein einvernehmliches Wahlrecht zwischen Realsplitting und dem bis dahin allein anwendbaren § 33a Abs. 1 EStG (außergewöhnliche Belastung) eingeräumt wurde (vgl. Art. 1 Nr. 3 des Entwurfs eines StÄndG 1979 i.d.F. der Ausschußbeschlüsse, BT-Drucks 8/2200, S. 6). Dadurch sollte vermieden werden, daß in Fällen geringer „Unterhaltsrenten” allein oder in Verbindung mit geringen Eigeneinkünften durch das Realsplitting eine „Verböserung” eintritt (BT-Drucks 8/2201, S. 2 linke Spalte oben). Dem Wahlrecht ist auch deshalb der Vorzug gegeben worden, weil es dem unterhaltsempfangenden und deshalb regelmäßig schutzbedürftigeren Teil die stärkere Position einräumt, wenn sich die getrennt lebenden oder ehemaligen Ehegatten darüber auseinandersetzen, wie der mit dem Realsplitting im Regelfall verbundene steuerliche Vorteil unter ihnen werden soll (BT-Drucks 8/2201, S. 5 rechte Spalte).

Haben sich die getrennt labenden Ehegatten wie die Klägerin und ihr Ehemann für das begrenzte Realsplitting entschieden, stellen die Unterhaltsleistungen für den Empfänger echte einkommensteuerpflichtige Einnahmen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1a EStG und nicht – wie das SG gemeint hat – lediglich eine Fiktion solcher Einkünfte dar. Dies zeigt sich daran, daß der Gesetzgeber beim Realsplitting nicht eine dem Splitting bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten vergleichbare Regelung (§ 26b EStG) gewählt hat, die keinem Ehegatten Einkünfte, die ihm nicht zugeflossen sind, zuführt, sondern sich lediglich bei der Anwendung des Einkommensteuertarifs auswirkt (vgl. BSG SozR 5420 § 32 Nr. 6).

Die dem Wortsinn entsprechende Auslegung des § 16 SGB IV und des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V, wonach im begrenzten Realsplitting abgesetzte Unterhaltszahlungen beim Empfänger Einkünfte i.S. des Einkommensteuerrechts sind und somit zum Gesamteinkommen zählen, kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht im Wege der Auslegung (einer „teleologischen Reduktion”) dahin eingeschränkt werden, daß Unterhaltsleistungen zwischen Ehegatten unabhängig von ihrer steuerlichen Behandlung das Recht auf Familienversicherung nicht beeinträchtigen. Die genannte Auslegungsregel darf nur angewandt werden, wenn eine gesetzliche Regel entgegen ihrem Wortsinn, aber der immanenten Teleologie des Gesetzes einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 375). Weder der Regelungszweck noch der Sinnzusammenhang der hier in Betracht kommenden Vorschriften (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 und § 22 Nr. 1a EStG, § 16 SGB IV und § 10 SGB V) erfordern es aber oder erlauben auch nur, empfangene Unterhaltsleistungen beim Gesamteinkommen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V unberücksichtigt zu lassen.

Ziel der einkommensteuerrechtlichen Regelungen über das begrenzte Realsplitting ist nach den Gesetzesmaterialien, die wirtschaftliche Lage getrennt lebender oder geschiedener Eheleute zu verbessern. Doch hat der Gesetzgeber schon bei dessen Einführung erkannt und hingenommen, daß seine Anwendung in bestimmten Fällen zu einer Schlechterstellung des Unterhaltsempfängers führen kann. Um dieses zu vermeiden, bestehen jedoch die Möglichkeiten, ganz oder teilweise vom begrenzten Realsplitting abzusehen. Hierzu hat es der Gesetzgeber einmal von der Zustimmung des Unterhaltsempfängers abhängig gemacht. Dieser ist nicht verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen, wenn ihm hierdurch wirtschaftliche Nachteile erwachsen, die ihm nicht durch den anderen Ehegatten ausgeglichen werden (vgl. BGH FamRZ 1988, 820; OLG Hamm FamRZ 1990, 1004; OLG Hamm FamRZ 1991, 830; OLG Stuttgart FamRZ 1993, 206; OLG Köln FamRZ 1993, 806; OLG München EzFamR aktuelle 1993 Nrn. 4, 58; OLG Hamm OLGRep Hamm 1993, 132). Dabei kann hier die im Zivilrecht umstrittene Frage offenbleiben, in welcher Weise derartige Nachteile auszugleichen sind.

Zum anderen ist es zur Vermeidung einer Schlechterstellung des Unterhaltsempfängers zulässig, daß nur ein Teil der Unterhaltszahlungen vom Geber als Sonderausgaben abgesetzt wird. Die genannte Vorschrift läßt nämlich eine teilweise Geltendmachung von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zu, was in Nr. 33a Abs. 1 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984 (i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1983 – BStBI I Sonder-Nr. 2/1983 S. 39; jetzt Nr. 50 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1993 vom 7. Oktober 1992 – BStBI I Sonder-Nr. 3/1992) auch ausdrücklich zugestanden wird (so auch Blümich-Hutter a.a.O. § 10 Rdnr. 77). So hätte auch der Ehemann der Klägerin mit ihrer Zustimmung nur einen Teil der Unterhaltsleistungen absetzen, dadurch ein Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze vermeiden und auf diese Weise die beitragsfreie Familienversicherung erhalten können.

Aus der Zweckbestimmung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V und des § 16 SGB IV läßt sich ebenfalls nicht entgegen dem Wortsinn dieser Vorschriften ableiten, daß empfangene Unterhaltsleistungen, die der Geber als Sonderausgaben abgesetzt hat, nicht zum Gesamteinkommen gehören.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Rechtsprechung bei der Anwendung des § 16 SGB IV und des § 205 RVO i.d.F. des KVKG keine ganze Einkunftsart des EStG vom Gesamteinkommen ausgenommen. Zur Behandlung von Renten wurde entschieden, daß entsprechend dem § 22 Nr. 1 a EStG diese (damals) nur mit ihrem Ertragsanteil auf das Gesamteinkommen angerechnet werden (BSGE 48, 206 = SozR 2200 § 205 Nr. 22; SozR 2200 § 205 Nr. 23; anders heute § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V: Zahlbetrag). Dabei wird in der letztgenannten Entscheidung insbesondere zur Begründung ausgeführt, daß die in § 16 SGB IV enthaltene Einbeziehung des Arbeitsentgelts (§ 14 SGB IV) und des Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV) gerade dafür spricht, daß es hinsichtlich der übrigen Einkünfte bei der grundsätzlichen Verweisung auf das Einkommensteuerrecht verbleiben soll. Das BSG hat wohl gelegentlich innerhalb einer Einkommensart bestimmte steuerlich absetzbare Beträge im Rahmen des Gesamteinkommens nicht für abzugsfähig gehalten (SozR 2200 § 205 Nrn. 43, 45, 52; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr. 63); dagegen liegen keine Entscheidungen des BSG vor, in denen eine zu versteuernde Einnahme nicht zum Gesamteinkommen gerechnet worden ist. Aus den Entscheidungen, die für das bis Ende 1988 geltende Recht steuerliche Absetzungsmöglichkeiten bei der Bestimmung des Gesamteinkommens zu Lasten des Versicherten unberücksichtigt gelassen haben, kann aber nicht geschlossen werden, daß umgekehrt bestimmte steuerpflichtige Einnahmen zugunsten des Versicherten unberücksichtigt bleiben müssen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt auch nicht aus der ab 1. Januar 1989 geltenden Neuregelung der Familienversicherung in § 10 SGB V, daß im Wege des Realsplittings beim Geber steuerlich abgesetzte Unterhaltsleistungen nicht zum Gesamteinkommen zählen. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, daß in § 10 SGB V die Familienversicherung von Ehegatten und Kindern des Mitglieds nicht mehr – wie in § 205 RVO – von deren Unterhaltsberechtigung abhängig ist. Diese Voraussetzung ist dem Gesetzgeber als entbehrlich erschienen, weil sie nach Einführung der Gesamteinkommensgrenze an Bedeutung verloren hatte (vgl. BSGE 48, 266 = SozR 2200 § 205 Nr. 26), und bezweckte keine grundsätzliche Besserstellung des betroffenen Personenkreises. Das neue Recht läßt sogar noch deutlicher als das frühere Recht erkennen, daß der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Gesamteinkommens eine enge Bindung an das Einkommensteuerrecht anstrebte. Dies zeigt sich einmal daran, daß er eine von ihm gewollte Abweichung – die Berücksichtigung des Zahlbetrages bei Renten anstelle des Ertragsanteils – ausdrücklich im Gesetzestext des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V aufgeführt hat. Zum anderen ergibt sich dies aus den Gesetzesmaterialien zu § 10 SGB V (vgl. BT-Drucks. 11/3320 S. 9 und 11/3480 S. 49), wonach sich die Grenze für die Familienversicherung nicht nach den Einnahmen zum Lebensunterhalt, sondern weiterhin nach dem steuerrechtlich geprägten Begriff des Gesamteinkommens richten sollte.

Gegen eine Nichtberücksichtigung des Einkommensteuerrechts hinsichtlich des nach § 22 Nr. 1a EStG erhaltenen Unterhalts spricht auch die Vorschrift des § 17 SGB IV, nach der – in einem allerdings engen Rahmen (zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts) – dem Verordnungsgeber bei der Ermittlung des Gesamteinkommens gewisse Abweichungen vom Steuerrecht gestattet sind. Ob ohne Regelung durch Rechtsverordnung Abweichungen vom Steuerrecht bei der Anwendung des § 16 SGB IV überhaupt zulässig sind, kann dahinstehen. Solche Abweichungen sind aber jedenfalls unzulässig, wenn sie – wie hier – nicht zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung notwendig sind. Unterhaltsleistungen stellen echte Einnahmen zum Lebensunterhalt dar, durch die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen bestimmt wird. Solche Leistungen werden in der freiwilligen Krankenversicherung zur Bemessung der Beiträge üblicherweise herangezogen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 240 Nrn. 1 und 15 m.w.N.). Auch soweit die sozialrechtliche Literatur die Frage der Einbeziehung des im Realsplitting-Verfahren geleisteten Unterhalts behandelt, wird diese bejaht (vgl. Gurgel in SV-Gesamtkommentar, Anm. 3 zu § 16 SGB IV und Töns, BKK 1989, 322, 332).

Dem steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin, wie sie vorträgt, und ihr Ehemann einer „Doppelbelastung” insofern ausgesetzt seien, als die Krankenversicherungsbeiträge des Ehemannes sich nach dem (Brutto-) Arbeitsentgelt (d.h. einschließlich des abzuführenden Unterhalts) richten, die Klägerin aber ihrerseits aus diesem Unterhalt die Beiträge für ihre Krankenversicherung bestreiten muß. Das Beitragsrecht kennt keinen dem Einkommensteuerrecht vergleichbaren Grundsatz, wonach eine einmal versteuerte Einkunft bei Weiterleitung an Dritte zur Unterhaltsgewährung nicht ein zweites Mal herangezogen wird. Vielmehr muß etwa nach einer Ehescheidung der versicherungspflichtige Ehegatte seinen Beitragsanteil nach dem Bruttoprinzip aus seinem Arbeitsentgelt tragen, während sein außer dem Unterhalt einkommensloser früherer Ehegatte, der nicht mehr familienversichert ist, gegebenenfalls Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus dem Unterhalt zahlen muß, und zwar gleichviel, ob sich die geschiedenen Ehegatten für ein begrenztes Realsplitting entschieden haben oder nicht. Anders als das Einkommensteuerrecht, das getrennt lebende Ehepaare in gewissem Umfang bereits wie Geschiedene behandelt, besteht in der Krankenversicherung zwar die Familienversicherung bei Getrenntleben eines Ehepaares grundsätzlich weiter. Wenn aber – wie hier – ein getrennt lebendes Ehepaar von der auch für Geschiedene vorgesehenen Möglichkeit des begrenzten Realsplittings Gebrauch macht und damit eine dem Scheidungsfall angenäherte stärkere wirtschaftliche Trennung voneinander bewirkt, ist es nicht unsachgerecht, wenn der unterhaltsempfangende Ehegatte dann durch Überschreitung der Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V wie ein geschiedener Ehegatte behandelt wird.

Die mit dem 1. Januar 1989 bei der Klägerin eingetretene Überschreitung der Gesamteinkommensgrenze führt von Gesetzes wegen dazu, daß mit diesem Tage für sie eine beitragsfreie Mitversicherung nicht mehr besteht. Dies konnte, da ein anderweitiger bindender Bescheid der Beklagten nicht entgegensteht, auch noch nachträglich (August 1989) von der Beklagten festgestellt werden.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI582835

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