Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts

Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind bei der Einkommensbesteuerung nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des sog. Realsplittings versteuern muss.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Sonstige Leistungen i. S. d. § 22 Nr. 1a EStG sind Einkünfte aus Leistungen und Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG, soweit für diese die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug beim Leistungs- oder Zahlungsverpflichteten nach § 10 Abs. 1a EStG erfüllt sind. Nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG sind Sonderausgaben u. a. Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805 EUR im Kalenderjahr, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt.

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG). Auch Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) können danach Werbungskosten sein, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Prozesskosten (Gerichtskosten, Rechtsanwaltsgebühren) teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren.

Sachverhalt: Rechtsstreit wegen Erlangung nachehelichen Unterhalts

Mit Beschluss des Amtsgerichts von September 2014 wurde die Ehe der Klägerin geschieden, der Versorgungsausgleich vorgenommen und ihr früherer Ehemann (B) verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 EUR monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin geführte Beschwerdeverfahren wurde im März 2015 vor dem OLG durch einen Vergleich beendet, in welchem sich B zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von 900 EUR monatlich verpflichtete. Die Verfahrenskosten wurden in beiden Verfahren jeweils gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2015 erfasste das Finanzamt (FA) die von der Klägerin erklärten Einnahmen aus Unterhaltsleistungen (10.800 EUR) abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrags (102 EUR) mit 10.698 EUR als sonstige Einkünfte; die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten, im Streitjahr von der Klägerin getragenen Anwalts- und Gerichtskosten i. H. v. 7.082 EUR ließ es außer Ansatz.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage auf steuerliche Berücksichtigung der auf den nachehelichen Unterhalt entfallenden anteiligen Prozesskosten i. H. v. 4.983 EUR gab das FG im Wesentlichen – mit Ausnahme des rechnerisch bereits erfassten Werbungskosten-Pauschbetrags (102 EUR) – statt. Die Aufwendungen seien als Werbungskosten bei den steuerpflichtigen Einnahmen der Klägerin aus den Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes i. S. v. § 22 Nr. 1a EStG zu berücksichtigen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 EStG.

Entscheidung: Revision ist begründet

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass die anteiligen Prozesskosten der Klägerin betreffend nachehelichen Unterhalt als Werbungskosten bei ihren sonstigen Einkünften zu berücksichtigen sind. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen vorliegen.

Keine vorweggenommenen Werbungskosten

Aufwendungen i. S. v. § 9 Abs. 1 EStG können schon zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

Auch bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1a EStG können Werbungskosten entstehen, jedoch aus systemimmanenten Gründen nur in begrenztem Rahmen. Prozesskosten betreffend nachehelichen Unterhalt können grundsätzlich nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Unterhaltseinkünften i. S. d. § 22 Nr. 1a EStG abgezogen werden. Im Ausgangspunkt fehlerfrei hat das FG zwar erkannt, dass bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für die Verausgabung der in Rede stehenden Prozesskosten durch die Klägerin die Erhaltung sowie die Erlangung nachehelichen Unterhalts von ihrem geschiedenen Ehemann gewesen ist.

Das FG hat allerdings der rechtsgestaltenden Bedeutung des (zustimmungsgebundenen) Antrags des Unterhaltsgebers auf Sonderausgabenabzug eine zu weitreichende Wirkung für die Vergangenheit beigemessen. Antrag und Zustimmung überführen die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und bestimmen den Zeitpunkt, an dem die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen des Unterhaltsempfängers als Werbungskosten beginnt.

Der (zustimmungsgebundene) Antrag des Unterhaltsgebers auf Sonderausgabenabzug, der den Rechtscharakter der Unterhaltsleistungen ändert, stellt die zeitliche Grenze dar, von der an abzugsfähige Erwerbsaufwendungen überhaupt entstehen können. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten begründen, da sie zu der Einkünfteebene noch nicht in einem objektiven Veranlassungszusammenhang stehen. Solange der Geber den Antrag nicht gestellt hat, ist der Lebenssachverhalt „Unterhalt“ privater Natur.

In Vergangenheit geflossene Unterhaltsaufwendungen nicht entscheidungserheblich

Das Vorbringen der Klägerin, durch die seit dem Veranlagungszeitraum 2013 geübte steuerliche Praxis, dass die Unterhaltsleistungen des B – seinerzeit als Trennungsunterhalt – mit ihrer Zustimmung im Wege des Realsplittings berücksichtigt worden seien, hätten die streitigen Prozesskosten die bereits begründete Einkünfteebene betroffen und der Erhaltung weiterer Unterhaltseinkünfte gedient, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Sie macht damit sinngemäß geltend, bei der Prüfung des objektiven Veranlassungszusammenhangs zwischen den Prozessaufwendungen und den durch den Prozess angestrebten Unterhaltsleistungen müsse auch die steuerliche Behandlung der zwischen den Prozessparteien in der Vergangenheit geflossenen Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden.

Das ist unzutreffend. Auf die bisherige Praxis der Unterhaltsbeteiligten kommt es nicht an. Während die einmal erteilte Zustimmung des Unterhaltsempfängers über mehrere Jahre hinweg fortgelten kann, kann der Antrag des Gebers jeweils nur für ein Kalenderjahr gestellt und nicht zurückgenommen werden. Das bedeutet, dass der Geber unabhängig von der Behandlung der Sache in der Vergangenheit jedes Jahr neu über die Antragstellung entscheiden kann und ein Rückschluss von einer bisherigen tatsächlichen Übung nicht möglich ist. Es ist deshalb aus Rechtsgründen unerheblich, ob B bereits in den Vorjahren solche Anträge gestellt hatte.

Hinweis: Zurückverweisung mangels ausreichender Feststellungen

Das FG hat – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig – offengelassen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten der Klägerin ggf. als außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 EStG berücksichtigt werden könnten, und dementsprechend keine ausreichenden Feststellungen insbesondere dazu getroffen, ob die Voraussetzungen der Ausnahme vom Abzugsverbot betreffend Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vorliegen. Zur Nachholung der notwendigen Feststellungen geht die Sache daher an das FG zurück.

BFH, Urteil v. 18.10.2023, X R 7/20; veröffentlicht am 29.2.2024

Alle am 29.2.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



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