Rn 1

Die Vorschrift versucht, dem in einer "unbegründeten" Verweigerung der Zustimmung zum Insolvenzplan zu erblickenden Missbrauch einer Beteiligtengruppe vorzubeugen. Ein wirtschaftlich sinnvoller Plan soll nicht am auf unsachlichen Gründen[1] beruhenden Widerstand einzelner Gläubiger scheitern können. Die für die Prüfung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes maßgeblichen Gesichtspunkte – keine wirtschaftliche Schlechterstellung, Gleichbehandlung und ausreichende Legitimation – werden durch § 245 hinreichend genau definiert, ohne den notwendigen Entscheidungsspielraum für angemessene Einzelfalllösungen zu nehmen. Die Begrenzung der Autonomie der Beteiligten mag zugleich ihrem Schutze und Wohlergehen nutzen.[2]

 

Rn 2

Das Insolvenzgericht hat einen Verstoß gegen das Obstruktionsverbot von Amts wegen zu prüfen.[3] Um möglichst schnell Klarheit über die Umsetzung des Plans zu gewinnen, ist es grundsätzlich wünschenswert, wenn das Gericht sich in der Lage sieht, über einen Missbrauch des Stimmrechts möglichst bereits im Abstimmungstermin zu entscheiden, da sonst ein gesonderter Verkündungstermin gemäß § 252 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. anzuberaumen ist.[4]

 

Rn 3

Da diese Entscheidung allerdings i.d.R. einer Prüfung bedarf, die rechtliche und betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten beinhaltet und dementsprechend im Einzelfall sehr zeitaufwändig sein kann,[5] kommt eine sofortige Beurteilung im Termin tatsächlich meist nicht in Frage. Zudem enthält § 245 unbestimmte, kaum objektivierbare Rechtsbegriffe[6], die mit Prognoseentscheidungen und Wertungen verbunden sind, zu deren sachgerechter Ausfüllung ebenfalls eine gewisse Zeit verstreichen muss.

 

Rn 4

In der Praxis werden zudem gerade die Insolvenzpläne, welche komplexe Sachverhalte betreffen oder eine Betriebsfortführung vorsehen, zwangsläufig auf den Widerstand einzelner Gläubigergruppen stoßen, sei es, weil vermeintlich Benachteiligungen für Einzelne im Plan enthalten sind oder aber weil Einzelne über das Erfordernis ihrer Zustimmung zum Plan versuchen werden, verbesserte Konditionen durchzusetzen, die ggf. sogar in den Bereich der Sonderkonditionen gehören (vgl. § 226 Rdn. 11 ff.).

 

Rn 5

Die Regelung, die egoistische Verhaltensweisen der Beteiligten unterbinden soll, ist zu begrüßen. Sie ist, wann immer die Abwicklung auf der Grundlage eines Plans im Raume steht, von erheblicher praktischer Bedeutung und sorgt gleichzeitig aber auch für viele streitige Entscheidungen. Ihre Wirkung zeigt sich auch in einer präventiven Verhaltenssteuerung der Beteiligten, die aus Angst vor einer möglichen Fiktion ihrer Zustimmung von überhöhten Forderungen Abstand nehmen werden.[7]

 

Rn 6

Eingreifen kann das Obstruktionsverbot immer erst dann, wenn über einen Plan konkret abgestimmt worden ist.[8] Ein Übergehen einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen im Vorhinein scheidet aus.

 

Rn 7

Die Grundgedanken der Regelung des Obstruktionsverbots sind aus dem Insolvenzrecht der USA übernommen worden (Chapter 11 des United States Bankruptcy Code). Dort wird die Übergehung einer fehlenden Zustimmungsversagung einzelner Gläubigerklassen als "Cram-down" (= hineinzwängen/hineinstopfen) bezeichnet.

[1] Wie verletzte Eitelkeit oder Rache, Kemper, S. 165 (in dessen Fn. 72).
[2] Flöther/Smid/Wehdeking-Flöther, Kap. 8 Rn. 24.
[3] Maus, in: Kölner Schrift, S. 931 (954), Rn. 86; HambKomm-Thies/Lieder, § 245 Rn. 24.
[4] HambKomm-Thies/Lieder, § 245 Rn. 25.
[5] Maus, in: Kölner Schrift, S. 931 (957), Rn. 96.
[6] Begriffe wie "angemessen", "wirtschaftlicher Wert", "besser gestellt", "nicht schlechter gestellt", Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 9 Rn. 83.
[7] Schiessler, S. 171 unter Berufung auf die US-amerikanische Regelung; Kübler/Prütting/ Bork-Pleister, § 245 Rn. 4.
[8] "… Wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind …"

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