Gesetzestext

 

1Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, dass nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.

1. Allgemeines

 

Rn 1

In Präzisierung der bereits in § 19 Abs. 1 Nr. 4 GesO enthaltenen Regelung hat der Schuldner gemäß § 212 Satz 1 die Möglichkeit, einen Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen des Fortfalls des Eröffnungsgrunds zu stellen. § 212 regelt die materiellen Einstellungsvoraussetzungen. Weitere Anforderungen in formaler Hinsicht stellt § 214 auf, während die Durchführung und die Rechtsfolgen der Einstellung in § 215 geregelt sind.

 

Rn 2

Für die Einstellung des Verfahrens besteht in materieller Hinsicht (anders als bei § 213) kein Zustimmungserfordernis der Gläubiger.[1] Es besteht jedoch ein Widerspruchsrecht der Gläubiger. Zudem ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Anhörung des Gläubigerausschusses vorgesehen (vgl. § 214 Rdn. 3 und 7). Materielle Voraussetzung für die Einstellung ist somit lediglich der Fortfall des Eröffnungsgrunds und die Stellung des Antrags. Sofern der Eröffnungsgrund noch besteht, wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen (vgl. § 214 Rdn. 2).

[1] Bork, Rn. 307; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 8 Rn. 128.

2. Fortfall des Eröffnungsgrunds

 

Rn 3

Der Eröffnungsgrund ist dann fortgefallen, wenn auch nach der Einstellung des Verfahrens kein erneuter Eröffnungsgrund (§§ 1719) beim Schuldner vorliegt. Es muss gewährleistet sein, dass nach der Einstellung weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt oder bei Kapitalgesellschaften bzw. Gesellschaften ohne persönlich haftende natürliche Person keine Überschuldung vorliegt. Die Zahlungsfähigkeit beim Schuldner muss über die Einstellung des Verfahrens hinaus gesichert sein,[2] sodass der Schuldner zumindest in näherer Zukunft seine fälligen Verbindlichkeiten erfüllen wird.[3] Der BGH verlangt zumindest eine "mittelfristig ausreichende Finanzkraft".[4] Der Zeitraum, für den die Solvenz des Schuldners absehbar sichergestellt sein muss, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Je nach Art und Umfang der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners lässt sich eine Liquiditätsplanung für Monate, in manchen Fällen aber auch nur für Wochen im Voraus aufstellen.[5] Nicht ausreichend ist allein eine positive Fortführungsprognose.[6]

 

Rn 4

Die Regelung hat praktisch wenig Bedeutung. Allenfalls bei Konzernverflechtungen hat § 212 in der Praxis Relevanz. Ggf. bei der Abgabe einer nachträglichen Garantie- oder harten Patronatserklärung.

 

Rn 5

Vom späteren Fortfall des Insolvenzgrunds (§ 212) strikt zu trennen ist das Fehlen des Eröffnungsgrunds schon bei Insolvenzeröffnung.[7] Hier muss der Schuldner nach § 34 Abs. 2 Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss (§ 27) erheben. Daher ist in Fällen des § 212 sorgfältig zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen bereits zu Beginn gefehlt hatten und die sofortige Beschwerde verfristet ist, sodass das Insolvenzverfahren durchzuführen ist, auch wenn ein Insolvenzgrund bei Eröffnung nicht vorlag, nunmehr jedoch gerade durch das Verfahren entstanden ist (z. B. infolge Veröffentlichung der Insolvenzeröffnung und daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen). In derartigen Fällen kommt es allein noch auf die Zukunftsbetrachtung des § 212 an.

[2] Bork, Rn. 307; Kübler/Prütting/Bork-Pape, § 212 Rn. 6 (auf absehbare Zeit).
[3] A. A. (allein zum Zeitpunkt der Entscheidung) Nerlich/Römermann-Westphal, § 212 Rn. 4.
[5] Kübler/Prütting/Bork-Pape, § 212 Rn. 5; BGH 07.10.2010 – IX ZB 1/10.
[6] Uhlenbruck-Ries, § 212 Rn. 3.
[7] A. A. (Einstellung unabhängig davon, ob Voraussetzungen bereits zu Beginn gefehlt haben) HK-Landfermann, § 212 Rn. 4 (unter Bezug auf BT-Drs. 12/2443, S. 221; dort wird m. E. aber lediglich die Rechtslage unter der KO dargestellt, während bei den Ausführungen zur neuen Vorschrift des § 212 keine vergleichbaren Angaben mehr gemacht werden); Kübler/Prütting/Bork-Pape, § 212 Rn. 1.

3. Antrag des Schuldners

 

Rn 6

Des Weiteren ist ein formloser[8] Antrag des Schuldners erforderlich, der an das für die Entscheidung zuständige Insolvenzgericht zu richten ist. Der Antrag darf nur vom Schuldner selbst bzw. dessen Vertretung gestellt werden.[9] Besteht der Schuldner aus mehreren Personen (z. B. Erbengemeinschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts), muss der Antrag von allen Personen gemeinschaftlich gestellt werden.[10]

 

Rn 7

Eine Rücknahme des Antrags ist bis zum Beschluss über die Einstellung gemäß § 214 möglich.[11]

 

Rn 8

Um von vornherein unbegründete Anträge zu vermeiden, ist der Antrag formell nur zulässig, wenn das Fehlen des Eröffnungsgrunds glaubhaft gemacht wird (§ 212 Satz 2). Hinsichtlich der Anforderungen an die Glaubhaftmachung findet § 4 InsO i. V. m. § 294 ZPO Anwendung, sodass alle präsenten Beweismittel genutzt werden dürfen. Als M...

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