2.2.1 Grundsatz

 

Rn 10

Nach § 143 Abs. 1 Satz 1 hat der Anfechtungsgegner dasjenige, was dem Schuldnervermögen durch anfechtbare Handlung entzogen wurde in dessen ursprünglich gegenständlichen Gestalt an die Masse zurückzugewähren (Primäranspruch, siehe unten Rn. 28). Nur für den Fall, dass die Rückgewähr in dieser Art nicht möglich ist, hat der Anfechtungsgegner nach § 143 Abs. 1 Satz 2 Wertersatz zu leisten (Sekundäranspruch, siehe unten Rn. 83 ff.). Dem Insolvenzverwalter oder dem Anfechtungsgegner steht daher kein einseitiges Wahlrecht zu, anstelle der Rückgewähr in Natur Wertersatz zu verlangen oder zu leisten.[16] Eine vergleichsweise Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Anfechtungsgegner ist jedoch zulässig.[17] Zu beachten ist, dass sich auch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 Primäransprüche ergeben können, nämlich solche auf Herausgabe von Nutzungen (siehe unten Rn. 69) und Surrogaten (siehe unten Rn. 79) sowie auf Ersatz von Verwendungen (siehe unten Rn. 88 ff.).

[16] BGH NJW 1970, 44 (45) [BGH 15.10.1969 - VIII ZR 136/67]; BGHZ 130, 38 ff. = ZIP 1995, 1204; OLG Hamm NZI 2001, 432 (433) [OLG Hamm 07.11.2000 - 27 U 63/00] zu § 7 AnfG a. F.; MünchKomm-Kirchhof, § 143 Rn. 82; Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 26; Schmidt-Rogge, § 143 Rn. 13, 66.
[17] BGHZ 130, 38 (40) = ZIP 1995, 1204 = EWiR 1995, 795 (Gerhardt); FK-Dauernheim, § 143 Rn. 4; Kilger-K. Schmidt, KO § 37 Anm. 2.

2.2.2 Einordnung in das Schuldrecht

 

Rn 11

Der Rückgewähranspruch begründet ein Rückgewährschuldverhältnis i. S. des BGB und unterliegt damit auch dessen allgemeinen Vorschriften, soweit sich nicht aus der InsO etwas anderes ergibt.[18] Wie der Anfechtungsanspruch allerdings in das System der schuldrechtlichen Ansprüche zu integrieren ist, ist nicht eindeutig geklärt. Teilweise wurde früher in Anlehnung an das römische Recht die Ansicht vertreten, dass der Anfechtungsanspruch deliktsrechtlich einzuordnen sei.[19] Andere wollten den Anspruch als bereicherungsähnlich qualifizieren.[20] Beide Ansichten gelten heute als überwunden. Zwar gestaltet § 143 die Anfechtungsfolgen in mehrfacher Hinsicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen aus. Die Verweisung auf das Bereicherungsrecht macht den Anspruch aus § 143 aber nicht zwangsläufig zu einem solchen aus Bereicherungsrecht.[21] Auch der Umstand, dass aufgrund der Verweisung in § 143 Abs. 1 Satz 2 der Wertersatzanspruch schadensersatzrechtlich ausgestaltet ist (§ 989 BGB), führt nicht zwingend zur deliktsrechtlichen Charakterisierung.[22] Ganz überwiegend wird heute auf eine nähere Qualifikation der Ansprüche aus § 143 verzichtet. Sie werden vielmehr als solche "eigener Art." angesehen.[23]

[18] MünchKomm-Kirchhof, § 143 Rn. 9.
[19] RGZ 48, 401 (402 f.); 84, 242 (253).
[20] Wacke, ZZP 1970, 418 (428).
[21] Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 2.
[22] HK-Kreft, § 143 Rn. 20; Schmidt-Rogge, § 143 Rn. 2; Uhlenbruck-Hirte, § 143 Rn. 2; Jaeger-Henckel, § 143 Rn. 20 f
[23] BGHZ 15, 38 (45); Jaeger-Henckel, § 137 Rn. 22; MünchKomm-Kirchhof, vor §§ 120 bis 147 Rn. 37; Zeuner, Anfechtung, Rn. 321; Kindl, NZG 1998, 321 (323); Haas-H. Müller, ZIP 2003, 49 (50).

2.2.3 Entsprechend anwendbare Vorschriften

 

Rn 12

Da § 143 nicht dem Bereicherungsrecht zuzurechnen ist, sind die §§ 812 ff. BGB über den ausdrücklichen gesetzlichen Anwendungsbefehl hinaus nicht entsprechend anwendbar.[24] Insbesondere findet § 818 BGB keine umfassende Anwendung (str. siehe auch unten Rn. 66). Gleiches gilt für § 814 BGB (vgl. unten Rn. 26). Die bereicherungsrechtliche Saldotheorie wird durch das Zusammenspiel von § 143 und § 144 ersetzt. Mangels deliktischen Charakters des § 143 sind auch die §§ 823 ff. BGB nicht entsprechend anwendbar. Dies gilt ebenso für den Wertersatzanspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 819, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 1, § 989 BGB.[25]

 

Rn 13

Aus dem allgemeinen Schuldrecht finden entsprechende Anwendung auf § 143 die Vorschriften über den Schuldner- bzw. Gläubigerverzug (§§ 286 ff., 293 ff. BGB).[26] Ferner können herangezogen werden die §§ 362 ff.[27] BGB sowie die Vorschriften zur Hinterlegung[28] und zum Verzicht[29]. Die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) gegen den Anfechtungsanspruch ist – selbst soweit Gleichartigkeit gegeben ist – zwar nicht mit einer Insolvenzforderung zulässig; denn der Anfechtungsanspruch ist erst als Folge der Insolvenzeröffnung entstanden (§ 96 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Satz 1).[30] Gegenüber einem Wertersatzanspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 2 kann der Anfechtungsgegner jedoch die Aufrechnung mit einer Masseforderung erklären, soweit keine Masseunzulänglichkeit (§§ 208-210) vorliegt.[31] Ob der Aufrechnung der Vorsatz des Anfechtungsgegners entsprechend § 393 BGB entgegen steht, ist fraglich; denn bei dem Wertersatzanspruch handelt es sich nicht um einen deliktischen Anspruch (siehe oben Rn. 11). Sind die Anfechtungsvoraussetzungen gegenüber mehreren Personen erfüllt, gelten u. U. die §§ 421 ff. BGB (insb. § 426 BGB) entsprechend.[32]

 

Rn 13a

Keine Anwendung finden im Rahmen des § 143 auch – sieht man einmal vom Wertersatzanspruch (siehe hierzu unten Rn. 82 ff.) ab – schadensersatzrechtliche Grundsät...

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