Gesetzestext

 

(1) 1Soweit in diesem Gesetz eine Anhörung des Schuldners vorgeschrieben ist, kann sie unterbleiben, wenn sich der Schuldner im Ausland aufhält und die Anhörung das Verfahren übermäßig verzögern würde oder wenn der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist. 2In diesem Fall soll ein Vertreter oder Angehöriger des Schuldners gehört werden.

(2) 1Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt Absatz 1 entsprechend für die Anhörung von Personen, die zur Vertretung des Schuldners berechtigt oder an ihm beteiligt sind. 2Ist der Schuldner eine juristische Person und hat diese keinen organschaftlichen Vertreter (Führungslosigkeit), so können die an ihm beteiligten Personen gehört werden; Absatz 1 Satz gilt entsprechend.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Anhörung des Schuldners ist an zahlreichen Stellen der InsO vorgeschrieben. Ungeachtet dessen ist über die ausdrücklich angeordneten Fälle einer Anhörung des Schuldners hinaus diesem aufgrund des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich immer dann vor Erlass einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn diese Entscheidung einen Eingriff in Rechtspositionen des Schuldners darstellt. Ferner ist die Pflicht zur Anhörung in denjenigen Fällen zu beachten, in denen die Verweisung des § 4 ZPO greift. Die Anhörung impliziert eine tatsächliche Äußerung des Schuldners, die nicht nur der Wahrung der Rechte des Schuldners, sondern auch und gerade der gebotenen Sachverhaltsaufklärung dienen soll, wohingegen die Gewährung rechtlichen Gehörs nur die Gelegenheit zur Darlegung der eigenen Position verschafft.

 

Rn 2

Für die InsO ist jedoch bei der Notwendigkeit der Gewährung rechtlichen Gehörs über die ausdrücklich in der InsO geregelten Fälle der Anhörung hinaus stets zu beachten, dass es sich beim Insolvenzverfahren um ein Gesamtvollstreckungsverfahren handelt, das eilbedürftig und nur teilweise kontradiktorisch ausgestaltet ist.[1] Vor diesem Hintergrund sollten Anhörungen mit einer Frist, etwa zwei Wochen, versehen werden. Die Gewährung rechtlichen Gehörs dient nämlich nicht dazu, dem Schuldner Zeit zu geben um etwa durch die Erfüllung der Forderungen des antragstellenden Gläubigers veränderte Tatschen zu schaffen.[2]

 

Rn 3

§ 10 regelt diejenigen Ausnahmefälle, in welchen eine ausdrücklich vorgeschriebene Anhörung des Schuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens unterbleiben kann.

2. Vorgeschriebene Anhörung des Schuldners

 

Rn 4

Die Anhörung des Schuldners ist in der InsO ausdrücklich u.a. in den nachstehend aufgeführten Fällen angeordnet:

 
Vorschrift InsO Gegenstand der Anhörung
§ 14 Abs. 2 Anhörung des Schuldners zum zulässigen Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
§ 15 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Anhörung der übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans, der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter oder Abwickler im Falle des Eigenantrags eines Mitglieds des Vertretungsorgans, eines persönlich haftenden Gesellschafters oder Abwicklers
§ 21 Abs. 3 Anhörung des Schuldners zur Inhaftierung nach zwangsweiser Vorführung im Eröffnungsverfahren
§ 98 Abs. 2 Anhörung des Schuldners zur Inhaftierung nach zwangsweiser Vorführung im eröffneten Verfahren
§ 99 Abs. 1 Satz 2 Anhörung des Schuldners zur Anordnung der Postsperre
§ 99 Abs. 1 Satz 3 Nachholung der Anhörung nach Anordnung der Postsperre
§ 214 Abs. 2 Satz 1 Anhörung des Schuldners zum Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 212, 213
§ 232 Abs. 1 Nr. 2 Stellungnahme zum Plan
§ 248 Abs. 2 Anhörung des Schuldners vor der Entscheidung über die Bestätigung eines Insolvenzplans
§ 272 Abs. 2 Satz 2 Anhörung des Schuldners zum Antrag eines Gläubigers auf Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung
§ 296 Abs. 2 Satz 1 Anhörung des Schuldners zum Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung
§ 298 Abs. 2 Satz 1 Anhörung des Schuldners zum Antrag des Treuhänders auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders
§ 300 Abs. 1 Anhörung des Schuldners vor der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung
§ 303 Abs. 3 Anhörung des Schuldners zum Antrag eines Insolvenzgläubigers auf Widerruf der erteilten Restschuldbefreiung
§ 317 Abs. 2 Anhörung der übrigen Mitglieder einer Erbengemeinschaft bei Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht von allen Erben
§ 317 Abs. 3 Anhörung der Erben bei Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch einen Testamentsvollstrecker
§ 318 Abs. 2 Satz 2 Anhörung des Ehegatten bei Stellung des Antrags auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bei Zugehörigkeit des Nachlasses zum Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, sofern der Antrag nur von einem Ehegatten gestellt wird
§ 333 Abs. 2 Satz 2 Anhörung des Ehegatten bei Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, sofern der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt wird

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